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Credit Suisse bulletin, 2001/05

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Regierungen anstreben. Die im Vorfeld<br />

des Ministertreffens geführten Gespräche<br />

haben gezeigt, dass hauptsächlich die EU<br />

und die USA zahlreichen Entwicklungsländern<br />

– angeführt von Indien – gegenüberstehen.<br />

Die EU befürwortet eine breit angelegte<br />

Runde, um allfällige Konzessionen<br />

im Bereich des in Europa stark ausgebauten<br />

Agrarschutzes durch Verhandlungsgewinne<br />

in anderen Dossiers kompensieren<br />

zu können. Die Entwicklungsländer fordern<br />

einen gerechteren Anteil am Welthandel.<br />

Sie kritisieren, dass bisherige Liberalisierungsschritte<br />

primär den Industriestaaten<br />

zugute kamen, während ihnen der nach<br />

wie vor weit verbreitete Protektionismus in<br />

den Ländern des Nordens verunmöglicht,<br />

ihre Vorteile wahrzunehmen. Zahlreiche<br />

Entwicklungsländer wollen zudem keine<br />

neue Runde, da sie bereits Probleme haben,<br />

die bisher eingegangenen Verpflichtungen<br />

umzusetzen. Dies gilt insbesondere<br />

für Fragen der geistigen Eigentumsrechte.<br />

Viele Entwicklungsländer argumentieren,<br />

dass der monopolrechtliche Charakter von<br />

Patentschutzbestimmungen auf verdeckten<br />

Protektionismus hinausläuft, der im<br />

Falle von teuren Medikamenten zudem<br />

verhängnisvolle Folgen für die öffentliche<br />

Gesundheit haben kann.<br />

Den Gegnern fehlt es an Einigkeit<br />

In den Industriestaaten haben sich in den<br />

letzten Jahren verschiedene NGOs zunehmend<br />

Gehör verschafft. Viele dieser Gruppierungen<br />

setzen sich gegen jegliche weitere<br />

Liberalisierung des Welthandels ein.<br />

Allerdings besteht in deren äusserst heterogenem<br />

Lager keinerlei Einigkeit darüber,<br />

wie das Welthandelssystem aussehen<br />

sollte. Die meisten Forderungen, die von<br />

Liberalisierungsgegnern in Industrieländern<br />

erhoben werden, lehnen die Regierungen<br />

der Entwicklungsländer ab – etwa<br />

in den Bereichen Umweltschutz oder<br />

Arbeitnehmerrechten. In den kommenden<br />

Jahren wird die grösste Herausforderung<br />

für die liberale Welthandelsordnung deshalb<br />

wohl darin bestehen, zwischen den<br />

sich meist diametral entgegengesetzten<br />

Interessen der NGOs in Industriestaaten<br />

DAFÜR STEHT DIE WELTHANDELSORGANISATION (WTO)<br />

Die Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) mit Sitz in Genf<br />

bildet seit 1995 das Fundament des multilateralen Handelssystems. Sie zählt<br />

heute 142 Mitgliedstaaten. Aufgabe der WTO ist es<br />

■ der internationalen Handelsordnung ein rechtliches und institutionelles<br />

Fundament zu geben<br />

■ als permanentes Forum für Gespräche über Handelsfragen zu dienen<br />

■ den Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien<br />

schrittweise zu liberalisieren.<br />

■ durch ein ausgeklügeltes Verfahren Handelskonflikte beizulegen.<br />

DAS SIND DIE VIER GRUNDPRINZIPIEN DER WTO<br />

Für den grenzüberschreitenden Handel ist die Rechtssicherheit von grosser<br />

Bedeutung. Um diese zu gewährleisten, orientieren sich die Mitgliedstaaten<br />

an den vier WTO-Grundprinzipien:<br />

■ Nichtdiskriminierung: Leitidee des multilateralen Handelssystems ist, dass<br />

kein WTO-Mitglied ein anderes diskriminieren darf.<br />

■ Meistbegünstigung: Handelserleichterungen, die ein WTO-Mitglied einem<br />

Drittland gewährt, müssen allen Vertragsparteien der WTO zugestanden<br />

werden. Freihandelszonen und Zollpräferenzen für Entwicklungsländer<br />

sind unter bestimmten Voraussetzungen als Ausnahme erlaubt.<br />

■ Inländerbehandlung: Ausländische Güter dürfen gegenüber inländischen<br />

nicht benachteiligt werden.<br />

■ Transparenz: Marktzugangsbedingungen sowie aus übergeordneten Gründen<br />

(z.B. Umwelt, Sicherheit, Gesundheit) ergriffene handelseinschränkende<br />

Massnahmen sind transparent und vorhersehbar zu gestalten.<br />

einerseits und den Präferenzen der Regierungen<br />

der Entwicklungsländer andererseits<br />

einen Ausgleich zu finden. Um die<br />

Akzeptanz weiterer Liberalisierungsschritte<br />

zu fördern, muss sich die WTO zudem<br />

um mehr Transparenz bemühen.<br />

Die Handelsdiplomaten aus aller Welt<br />

dürfen sich jedoch von den vielschichtigen<br />

Interessengegensätzen nicht entmutigen<br />

lassen. Es besteht nämlich die Gefahr,<br />

dass in der Handelspolitik ansonsten vermehrt<br />

auf bilaterale und regionale<br />

Bemühungen abgestellt wird. Dies ist in<br />

mehrerlei Hinsicht problematisch: Erstens<br />

hilft ein funktionierendes multilaterales<br />

Regelwerk die transatlantischen Handelszwiste<br />

zu bändigen, die sich in jüngster<br />

Zeit verschärft haben, und schlimmere<br />

Streitigkeiten zwischen den USA und der<br />

EU zu verhindern. Zweitens würde durch<br />

den Ausbau regionaler Freihandelsabkommen<br />

die weitere Liberalisierung des<br />

Welthandels gefährdet, da nur umfassende<br />

Gespräche Raum für dossierübergreifende<br />

Kompromisse bieten. Drittens<br />

drohen vor allem kleinere Staaten sowie<br />

Entwicklungsländer bei bilateralen Verhandlungen<br />

benachteiligt zu werden. Für<br />

die aussenwirtschaftlich stark verflochtene<br />

Schweiz ist die Welthandelsordnung<br />

von besonderer Bedeutung, da sie Recht<br />

vor Macht stellt. Doch nur wenn es gelingt,<br />

in der Öffentlichkeit breite Unterstützung<br />

für den Freihandel und die WTO<br />

zu sichern, kann das multilaterale Handelssystem<br />

auf Dauer gestärkt und funktionstüchtig<br />

erhalten werden.<br />

Manuel Rybach, Telefon <strong>01</strong> 334 39 40<br />

manuel.rybach@credit-suisse.ch<br />

Das neue Economic Briefing Nr. 25<br />

«Welthandel – Erfolgsgeschichte auf<br />

dem Prüfstand» können Sie mit<br />

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44 Credit Suisse Bulletin 5|<strong>01</strong>

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