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Regierungen anstreben. Die im Vorfeld<br />
des Ministertreffens geführten Gespräche<br />
haben gezeigt, dass hauptsächlich die EU<br />
und die USA zahlreichen Entwicklungsländern<br />
– angeführt von Indien – gegenüberstehen.<br />
Die EU befürwortet eine breit angelegte<br />
Runde, um allfällige Konzessionen<br />
im Bereich des in Europa stark ausgebauten<br />
Agrarschutzes durch Verhandlungsgewinne<br />
in anderen Dossiers kompensieren<br />
zu können. Die Entwicklungsländer fordern<br />
einen gerechteren Anteil am Welthandel.<br />
Sie kritisieren, dass bisherige Liberalisierungsschritte<br />
primär den Industriestaaten<br />
zugute kamen, während ihnen der nach<br />
wie vor weit verbreitete Protektionismus in<br />
den Ländern des Nordens verunmöglicht,<br />
ihre Vorteile wahrzunehmen. Zahlreiche<br />
Entwicklungsländer wollen zudem keine<br />
neue Runde, da sie bereits Probleme haben,<br />
die bisher eingegangenen Verpflichtungen<br />
umzusetzen. Dies gilt insbesondere<br />
für Fragen der geistigen Eigentumsrechte.<br />
Viele Entwicklungsländer argumentieren,<br />
dass der monopolrechtliche Charakter von<br />
Patentschutzbestimmungen auf verdeckten<br />
Protektionismus hinausläuft, der im<br />
Falle von teuren Medikamenten zudem<br />
verhängnisvolle Folgen für die öffentliche<br />
Gesundheit haben kann.<br />
Den Gegnern fehlt es an Einigkeit<br />
In den Industriestaaten haben sich in den<br />
letzten Jahren verschiedene NGOs zunehmend<br />
Gehör verschafft. Viele dieser Gruppierungen<br />
setzen sich gegen jegliche weitere<br />
Liberalisierung des Welthandels ein.<br />
Allerdings besteht in deren äusserst heterogenem<br />
Lager keinerlei Einigkeit darüber,<br />
wie das Welthandelssystem aussehen<br />
sollte. Die meisten Forderungen, die von<br />
Liberalisierungsgegnern in Industrieländern<br />
erhoben werden, lehnen die Regierungen<br />
der Entwicklungsländer ab – etwa<br />
in den Bereichen Umweltschutz oder<br />
Arbeitnehmerrechten. In den kommenden<br />
Jahren wird die grösste Herausforderung<br />
für die liberale Welthandelsordnung deshalb<br />
wohl darin bestehen, zwischen den<br />
sich meist diametral entgegengesetzten<br />
Interessen der NGOs in Industriestaaten<br />
DAFÜR STEHT DIE WELTHANDELSORGANISATION (WTO)<br />
Die Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) mit Sitz in Genf<br />
bildet seit 1995 das Fundament des multilateralen Handelssystems. Sie zählt<br />
heute 142 Mitgliedstaaten. Aufgabe der WTO ist es<br />
■ der internationalen Handelsordnung ein rechtliches und institutionelles<br />
Fundament zu geben<br />
■ als permanentes Forum für Gespräche über Handelsfragen zu dienen<br />
■ den Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien<br />
schrittweise zu liberalisieren.<br />
■ durch ein ausgeklügeltes Verfahren Handelskonflikte beizulegen.<br />
DAS SIND DIE VIER GRUNDPRINZIPIEN DER WTO<br />
Für den grenzüberschreitenden Handel ist die Rechtssicherheit von grosser<br />
Bedeutung. Um diese zu gewährleisten, orientieren sich die Mitgliedstaaten<br />
an den vier WTO-Grundprinzipien:<br />
■ Nichtdiskriminierung: Leitidee des multilateralen Handelssystems ist, dass<br />
kein WTO-Mitglied ein anderes diskriminieren darf.<br />
■ Meistbegünstigung: Handelserleichterungen, die ein WTO-Mitglied einem<br />
Drittland gewährt, müssen allen Vertragsparteien der WTO zugestanden<br />
werden. Freihandelszonen und Zollpräferenzen für Entwicklungsländer<br />
sind unter bestimmten Voraussetzungen als Ausnahme erlaubt.<br />
■ Inländerbehandlung: Ausländische Güter dürfen gegenüber inländischen<br />
nicht benachteiligt werden.<br />
■ Transparenz: Marktzugangsbedingungen sowie aus übergeordneten Gründen<br />
(z.B. Umwelt, Sicherheit, Gesundheit) ergriffene handelseinschränkende<br />
Massnahmen sind transparent und vorhersehbar zu gestalten.<br />
einerseits und den Präferenzen der Regierungen<br />
der Entwicklungsländer andererseits<br />
einen Ausgleich zu finden. Um die<br />
Akzeptanz weiterer Liberalisierungsschritte<br />
zu fördern, muss sich die WTO zudem<br />
um mehr Transparenz bemühen.<br />
Die Handelsdiplomaten aus aller Welt<br />
dürfen sich jedoch von den vielschichtigen<br />
Interessengegensätzen nicht entmutigen<br />
lassen. Es besteht nämlich die Gefahr,<br />
dass in der Handelspolitik ansonsten vermehrt<br />
auf bilaterale und regionale<br />
Bemühungen abgestellt wird. Dies ist in<br />
mehrerlei Hinsicht problematisch: Erstens<br />
hilft ein funktionierendes multilaterales<br />
Regelwerk die transatlantischen Handelszwiste<br />
zu bändigen, die sich in jüngster<br />
Zeit verschärft haben, und schlimmere<br />
Streitigkeiten zwischen den USA und der<br />
EU zu verhindern. Zweitens würde durch<br />
den Ausbau regionaler Freihandelsabkommen<br />
die weitere Liberalisierung des<br />
Welthandels gefährdet, da nur umfassende<br />
Gespräche Raum für dossierübergreifende<br />
Kompromisse bieten. Drittens<br />
drohen vor allem kleinere Staaten sowie<br />
Entwicklungsländer bei bilateralen Verhandlungen<br />
benachteiligt zu werden. Für<br />
die aussenwirtschaftlich stark verflochtene<br />
Schweiz ist die Welthandelsordnung<br />
von besonderer Bedeutung, da sie Recht<br />
vor Macht stellt. Doch nur wenn es gelingt,<br />
in der Öffentlichkeit breite Unterstützung<br />
für den Freihandel und die WTO<br />
zu sichern, kann das multilaterale Handelssystem<br />
auf Dauer gestärkt und funktionstüchtig<br />
erhalten werden.<br />
Manuel Rybach, Telefon <strong>01</strong> 334 39 40<br />
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