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SPONSORING<br />
Der Count-down in<br />
der Boxengasse<br />
Vier Tage lang dauert der Tanz mit präziser Choreografie.<br />
In der Formel-1-Box gilt jeder Gedanke, jeder Handgriff, jedes<br />
Wort nur einem Ziel: der schnellsten Runde.<br />
Andreas Thomann, Redaktion Bulletin Online<br />
Donnerstag: Vorbereitung<br />
13:00 Uhr: Das Silbergrau von<br />
McLaren vermischt sich mit<br />
dem Hellblau von Benetton,<br />
darüber etwas Gelb von<br />
Jordan. Und rundherum viel<br />
Rot, Ferrari-Rot: Fahnen,<br />
Mützen, T-Shirts, Unterhosen,<br />
Regenschirme. Die fliegenden<br />
Händler von Formel-1-Reliquien<br />
haben an diesem Spätsommertag<br />
im Ardennenstädtchen<br />
Francorchamps<br />
Stellung bezogen und verbreiten<br />
schon drei Tage vor dem<br />
Grossen Preis von Belgien<br />
einen Hauch von Rennzirkus.<br />
Auch die Waldlichtungen<br />
rund um den Renn-Circuit<br />
leuchten in den grellsten<br />
Farben. Die örtlichen Bauern<br />
haben sämtliche Kuhweiden<br />
der Umgebung in Campingund<br />
Parkplätze transformiert.<br />
Dort hausen bereits die ersten<br />
Hundertschaften von<br />
Schlachtenbummlern in<br />
ihren Zelten und Caravans.<br />
Ihr Territorium haben sie<br />
mit Fahnen – vor allem Ferrari<br />
und Deutschland – und Bierdosen<br />
– vor allem Bitburger<br />
und Foster – markiert, die<br />
Zeit vertreiben sie sich damit,<br />
in den feuchten Wäldern nach<br />
Brennholz zu suchen oder<br />
ihre Zeltnachbarn mit Rockmusik<br />
aus dem Ghettoblaster<br />
zuzudröhnen.<br />
14:00 Uhr: Der «Paddock», so<br />
heisst im Formel-1-Jargon<br />
das Fahrerlager, präsentiert<br />
sich dem Besucher als<br />
Boulevard, beidseits gesäumt<br />
von den farbigen Bussen<br />
der elf Formel-1-Teams. Am<br />
Ende des Boulevards, auf der<br />
linken Seite, steht das grünblaue<br />
Motorhome von Red<br />
Bull Sauber Petronas. Anders<br />
als etwa bei Ferrari oder<br />
McLaren strahlt das Sauber-<br />
Lager Bescheidenheit aus:<br />
Zwischen den beiden Bussen<br />
steht links ein transparentes<br />
Zelt, wo Presse und Gäste<br />
empfangen werden, gegenüber<br />
ein identisches Zelt, in<br />
dem das Team speist.<br />
16:30 Uhr: Pressetermin.<br />
Nick Heidfeld spricht mit zwei<br />
Radio-Reporterinnen. Am<br />
Nebentisch warten weitere<br />
Journalisten auf ihren Einsatz;<br />
der plötzliche Erfolg macht<br />
den 24-jährigen Deutschen<br />
zum begehrten Gesprächsparter.<br />
Elf Punkte und Platz<br />
acht in der Fahrerwertung –<br />
eine hervorragende Bilanz für<br />
einen, der erst sein zweites<br />
Jahr in der Formel 1 absolviert<br />
und der zwar ein gutes, aber<br />
nicht das beste Fahrzeug<br />
fährt. Ohne Helm und Overall<br />
hat Nick Heidfeld nichts von<br />
einem modernen Gladiator:<br />
ein feingliedriger Mann, klein<br />
von Statur, mit dunkelblondem<br />
Haar, ernsten, bubenhaften<br />
Gesichtszügen.<br />
Sachlich und präzise gibt<br />
der Rennfahrer Auskunft:<br />
über seine verpatzte Saison<br />
bei Prost («es war dennoch<br />
kein verlorenes Jahr»), über<br />
seinen erfolgreichen Einstand<br />
bei Sauber («Sauber hat eine<br />
gute Teamstruktur»), über<br />
seine Ziele («irgendeinmal<br />
Weltmeister, doch im Moment<br />
bin ich realistisch»). Immer<br />
wieder Fragen zum Rundkurs<br />
von Spa, zur Taktik, zum<br />
Auto, zum Wetter, zur Reifenwahl.<br />
Und vor allem zur «Eau<br />
Rouge», dieser magischen<br />
Kurve, die leicht ansteigt und<br />
praktisch mit Vollgas gefahren<br />
wird. Experten sprechen von<br />
der grössten Mutprobe in der<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 5|<strong>01</strong><br />
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