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Foto: Eva-Maria Züllig<br />
INSEL<br />
Interview: Daniel Huber, Redaktion Bulletin<br />
DANIEL HUBER Träumen auch Sie manchmal von einer eigenen Insel?<br />
BRUNO GEHRIG Eigentlich nicht. Ich habe lieber eine urbane<br />
Lebensumgebung, die einen offenen Dialog mit der Welt zulässt.<br />
Die Isolation suche ich nicht.<br />
D.H. Nun stehen Sie als Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank<br />
aber ausgerechnet einer geldpolitischen Insel vor. Haben Sie<br />
keine Mühe mit dieser Rolle?<br />
B.G. Das ist überhaupt kein Problem für mich. Ich trage sehr<br />
gerne dazu bei, dass dieses Land eine eigenständige Geldpolitik<br />
beibehalten kann. Das ist für mich persönlich eine interessantere<br />
Aufgabe als ein ausführendes Organ einer übergeordneten Instanz<br />
zu werden.<br />
D.H. Wie stark hängt das Herz der Schweizer an ihrem Franken?<br />
B.G. Man sollte die emotionale Bindung zu einer Währung nicht<br />
überschätzen. Ob man die eigene oder eine Gemeinschaftswährung<br />
bevorzugt, hängt meiner Meinung nach einzig davon ab,<br />
mit welcher man besser fährt. Solange im Schweizer Franken<br />
die langfristigen Zinssätze tiefer sind als im Euro, ist das Vertrauen<br />
in den Franken sicher gegeben. Die Chance, dass die Leute den<br />
Franken nicht mehr akzeptieren könnten, ist klein.<br />
D.H. Den Euro gibts bereits seit drei Jahren als Buchwährung. Wie hat<br />
das Ihre Arbeit bei der Schweizerischen Nationalbank verändert?<br />
B.G. Die Arbeit ist höchstens marginal anders geworden.<br />
Schliesslich lebten wir und die Welt unmittelbar um uns schon<br />
vorher mit festen Wechselkursen. Zudem hat damals schon mit<br />
der D-Mark eine Währung das System massgeblich dominiert.<br />
Jetzt gibt es nur noch eine Währung, den Euro. Das ist für<br />
unsere Wirtschaft zum Teil sogar eine Erleichterung, da die<br />
Abwertung einzelner Währungen – denken wir nur an die Lira vor<br />
einigen Jahren – nun nicht mehr möglich ist.<br />
D.H. Lässt sich bei einer so einseitigen Abhängigkeit von<br />
einem Währungsraum überhaupt noch eine autonome Geldpolitik<br />
verfolgen?<br />
Der 55-jährige Bruno Gehrig ist seit 1996 Mitglied des<br />
Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank. Dort ist er<br />
unter anderem verantwortlich für die «monetären Operationen».<br />
Im Januar 20<strong>01</strong> wurde er zum Vizepräsidenten des<br />
Direktoriums ernannt. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.<br />
B.G. Dass es möglich ist, haben wir die letzten drei Jahre<br />
bewiesen. Obwohl wir grundsätzlich dieselben Ziele verfolgen<br />
wie unsere europäischen Partner – allen voran die Preisstabilität<br />
zu sichern –, haben wir bei geldpolitischen Entscheiden keinesfalls<br />
immer mit der Europäischen Zentralbank gleichgezogen,<br />
sondern unseren Kurs auf die speziellen Bedürfnisse der<br />
Schweiz ausgerichtet.<br />
D.H. Nun geht der Euro am 1. Januar 2002 in die entscheidende<br />
Runde der Bargeldeinführung. Welche Auswirkungen hat das auf<br />
die Währung?<br />
B.G. Dadurch, dass der Euro als Währung nun wirklich greifbar<br />
wird, wird auch die Akzeptanz und das Vertrauen im breiten<br />
Publikum grösser werden. Viele Leute werden überhaupt erst<br />
Anfang Januar merken, dass es den Euro tatsächlich gibt. Auf<br />
die Währung an sich und den Wechselkurs wird es kaum einen<br />
Einfluss haben.<br />
D.H. In der Schweiz wird man in der Migros, dem Coop oder auch im<br />
Restaurant nebenan in Euro bezahlen können. Ist bei dieser schleichenden<br />
Infiltrierung der Franken nicht zum Sterben verdammt?<br />
B.G. Ich bin überzeugt, dass der Euro den Franken als Zahlungsmittel,<br />
Wertaufbewahrungsmittel oder auch Kreditwährung<br />
nicht verdrängen wird. Grundsätzlich haben die Schweizer die<br />
freie Wahl. Solange der Franken eine stabile, vertrauenswürdige<br />
Währung mit geringen Inflationserwartungen und entsprechend<br />
attraktiven Zinsen bleibt, habe ich keine Angst um ihn. Die<br />
Geschichte hat gezeigt, dass nationale Währungen immer erst<br />
dann verdrängt wurden, wenn sie selber in die Instabilität und<br />
Hyperinflation absanken.<br />
D.H. Es gibt auch noch die Möglichkeit, den Franken an den Euro<br />
zu binden. Was halten Sie von dieser Massnahme?<br />
B.G. Natürlich wäre es denkbar, den Franken über die Fixierung<br />
des Wechselkurses mit dem Euro zu verknüpfen. Doch das<br />
erachte ich als ein unzweckmässiges Mittel. Wir müssten in einem<br />
solchen Fall die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ohne<br />
Wenn und Aber übernehmen. Dadurch könnten wir der speziellen<br />
Situation der Schweiz und ihrer Wirtschaft nicht mehr Rechnung<br />
tragen. So müssten wir zwangsläufig die Zinssätze anpassen,<br />
was für ein Land wie die Schweiz mit einem respektablen Zinsbonus<br />
wenig attraktiv wäre.<br />
D.H. Dann gehen Sie also davon aus, dass sich die Schweiz den europäischen<br />
Wirtschaftstendenzen entziehen kann?<br />
B.G. Wir können uns nicht aus dem Konjunktur-Zusammenhang<br />
der Welt herauslösen. Doch wir können eine wohl dosierte<br />
Geldpolitik für die Schweiz verfolgen. Es gibt immer wieder<br />
Ereignisse, die verschiedene Volkswirtschaften auf unterschiedliche<br />
Weise treffen. So hat zum Beispiel der Technologieschock<br />
auf die schwedische Wirtschaft sehr viel schwerwiegendere<br />
Auswirkungen gezeitigt als auf die schweizerische. Solchen<br />
Besonderheiten kann man nur mit einer unabhängigen Geldpolitik<br />
Rechnung tragen. Gerade im Eurogebiet stellt sich nun<br />
das Problem, dass Länder mit teilweise sehr unterschiedlichen<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 5|<strong>01</strong><br />
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