Wie im Brutkasten: Die Reifen werden stets auf 80 Grad geheizt (oben). Jetzt gilt es ernst: Nick Heidfeld kurz vor dem Qualifying (unten). Fotos: Pia Zanetti 66 Credit Suisse Bulletin 5|<strong>01</strong>
SPONSORING Kilometer. Im Nebenraum befindet sich das elektronische Nervenzentrum: Auf acht Bildschirmen flimmern konstant die aktuellen Daten aus den beiden Wagen. Alles steht bereit für das dritte und letzte freie Training. Doch Nebel verzögert den Start, weil der Rettungshelikopter nicht fliegen kann. Erst um elf solls losgehen. 11:27 Uhr: Aufregung macht sich breit im Sauber-Lager. Noch vor der Hälfte des Trainings fahren beide Autos an die Box zurück. Das Problem muss gravierend sein, denn Stück um Stück nehmen die Mechaniker die Autos auseinander. Der ganze hintere Teil des Autos, die Getriebe-Einheit, wird demontiert und eine neue herangerollt. «Defekt an beiden Getrieben», tönt es durch die Werkstatt. 11:45 Uhr: Noch eine Viertelstunde bis zum Ende des Trainings – zu wenig, um die Autos wieder startklar zu machen. Nick Heidfeld steigt aus dem Cockpit seines amputierten Wagens. Die Sauber-Leute haben wertvolle Minuten verloren, in denen sie die definitive Abstimmung der Wagen nochmals hätten testen können. Stattdessen scheint eine gute Stunde vor dem Qualifying die ganze Arbeit der letzten Tage vernichtet. Teamchef Peter Sauber erscheint und geht wortlos an den Mechanikern vorbei, die Stirne in Falten gelegt. 13:00 Uhr: Start zum Qualifying. Vordergründig ist die Welt wieder in Ordnung. Eben hat es aufgehört zu regnen, und die Rennwagen stehen makellos auf ihren Plätzen. Zwölf Runden dürfen im Qualifying gefahren werden, das ergibt meistens vier Outings mit je drei Runden. Die Zeit entscheidet über den Startplatz im morgigen Rennen. Nach dem verpatzten Training von heute Morgen ist die Spannung bei Sauber noch gestiegen. Obwohl man nur eine Stunde zur Verfügung hat, schickt vorläufig noch kein Team seine Fahrer auf die Piste. Alle hoffen darauf, dass die Strecke trocknet und dadurch schneller wird. 13:10 Uhr: Die Sonne kommt raus. Doch das Pokerspiel geht weiter. Immer noch keine Autos auf der Rennstrecke. 13:27 Uhr: Nick startet zum ersten Versuch, mit Regenreifen. Neun Minuten später ist er wieder in der Box, mit dampfenden Rädern. Die Strecke wird von Runde zu Runde schneller, Heidfelds Zeit wird laufend unterboten. 13:41 Uhr: Heidfeld startet zu einem neuen Versuch, diesmal mit Intermediates. Die Rundenzeiten sind nicht schlecht, Platz 9 im Zwischenklassement. Doch nach wie vor werden die Zeiten der Gegner immer besser. 13:55 Uhr: Nick fährt seine letzte, entscheidende Serie. Rémi Decorzent, Renningenieur von Nick Heidfelds Auto «Ein Getriebeproblem: Und plötzlich ist die Rennvorbereitung im Eimer.» Er ist schnell unterwegs und fährt auf den hervorragenden sechsten Rang. 13:58 Uhr: Die Freude währt nur kurz. «Heidfeld und Räikkönen out», heisst es auf dem Bildschirm. Wieder das Getriebe. Nun, in den allerletzten Minuten, purzeln auf dem Computer die Rundenzeiten. Ohnmächtig verfolgen die Sauber-Leute, wie ihre Fahrer einen Rang um den andern verlieren, weil die andern Teams ihre allerletzte Runde mit Trockenreifen fahren. Am Schluss reicht es noch für die Startplätze 12 (Kimi) und 14 (Nick). Bei Sauber beginnt ein Kampf gegen die Zeit. Bis zum morgigen Rennen muss der Fehler herausgefunden und behoben sein. «Wir tappen noch völlig im Dunkeln», meint Peter Sauber. Das Problem sei noch nie aufgetreten. «Doch in der Formel 1 muss man mit allem rechnen: Das Material wird bis zum Limit abgespeckt, um zusätzliche Hundertstelsekunden zu gewinnen. Da kann es schnell zu Defekten kommen.» 15:00 Uhr: Im Motorhome probiert Nick Heidfeld, Abstand vom verpatzten Qualifying zu finden. Mit Rückschlägen hat er gelernt umzugehen. Letztes Jahr, als er noch beim Prost- Team unter Vertrag war, hagelte es Pleiten, Pech und Pannen. Mit Vorschusslorbeeren in seine erste Formel-1- Saison gestartet, fuhr das junge Talent kein einziges Mal unter die ersten sechs und stand Ende Saison ohne WM- Punkte da. Der Wechsel zu Sauber auf diese Saison hin brachte die Wende. Sowohl Nick als auch sein jüngerer Teamkollege Kimi Räikkönen fuhren regelmässig in die Punkte und hievten die vorher nicht immer erfolgsverwöhnte Schweizer Equipe auf Rang vier in der Konstrukteurswertung – gleich hinter den «Grossen» Ferrari, McLaren- Mercedes und BMW-Williams. Im GP von Brasilien von Anfang April fuhr «Quick Nick» gar aufs Podest. Sonntag: Rennen 10:00 Uhr: Die Stimmung im Sauber-Lager ist bitter-süss: Süss, weil die gestrigen Probleme sich im «Warm-up», dem letzten Test vor dem Rennen, wie Morgennebel aufgelöst haben und die Fahrer mit den Rängen 3 (Kimi) und 9 (Nick) hervorragende Zeiten hingelegt haben. Bitter, weil man nun sieht, was gestern dringelegen Credit Suisse Bulletin 5|<strong>01</strong> 67