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INSEL<br />
Brissago: Fiorenzo Risi pflegt den Garten Eden<br />
Fotos: Thomas Schuppisser, Pia Zanetti, Georg Stärk<br />
«Wenns richtig ruhig und windstill ist, riecht jede Ecke der Insel<br />
anders. Im Winter kann man manchmal sogar das Meer riechen.»<br />
Fiorenzo Risi arbeitet im botanischen Garten auf San Pancrazio,<br />
der grösseren der beiden Brissago-<strong>Inseln</strong> im Lago Maggiore. Er<br />
ist Chefgärtner und kümmert sich zusammen mit einem Team<br />
von sechs Gärtnern um die rund 2000 Pflanzenarten, die auf gut<br />
zweieinhalb Hektaren gedeihen.<br />
Zwischen März und Oktober, wenn der botanische Garten<br />
für das Publikum geöffnet ist, gibt es viel zu tun. Morgens um<br />
sieben kommt das ganze Team mit dem Boot auf die Insel. Zwischen<br />
sieben und zehn werden die Unterhaltsarbeiten erledigt,<br />
es wird geharkt, gejätet und geschnitten, bevor die Besucherströme<br />
auf die Insel einfallen. Pro Saison besuchen ungefähr<br />
100 000 Leute die Insel, im Tag sind das zwischen 500 und 600,<br />
zu sonntäglichen Spitzenzeiten steigt die Besucherzahl schon<br />
mal auf 1200 an. Eigentlich seien das zu viele Leute, findet<br />
Fiorenzo Risi, «am schönsten ist die Insel, wenns ruhig ist, gegen<br />
Abend, wenn keine Besucher mehr da sind». Die Insel sei dann<br />
eine eigene Welt. Dann spüre er die Kraft, die von ihr ausgehe.<br />
Eine ganz spezielle Energie, die nur diese Insel besitze.<br />
Neben der eigentlichen Gartenarbeit fallen noch andere Arbeiten<br />
an. Zum Beispiel von Zeit zu Zeit ein wachsames Auge<br />
auf die Besucher zu werfen. Denn immer wieder werden Pflanzen<br />
geklaut oder Baumrinden mit Sackmessern geritzt. «Wenn<br />
ich so einen erwische, nehme ich seine Personalien auf, und<br />
dann werfe ich sein Messer in hohem Bogen in den See», strahlt<br />
er. Fiorenzo Risi ist aber auch Lehrer, führt Schulklassen und botanisch<br />
Interessierte durch seinen Park. Er redet gerne über seine<br />
Pflanzen. Und er macht das mit einer Begeisterung, die mitreisst:<br />
«È bello – schau mal, wie schön», sind Worte, die er gerne<br />
und oft benutzt. Seine Arbeit macht ihm Spass, denn er kann<br />
dort sein, wo er am liebsten ist: draussen in der Natur.<br />
Der Duft der Pflanzen weist den Weg<br />
Einen botanischen Garten zu unterhalten, verlangt einem Gärtner<br />
nicht nur harte körperliche Arbeit ab, sondern auch viel Fantasie<br />
und Planungsarbeit. Im Park auf Brissago wachsen Pflanzen aus<br />
allen Teilen der Erde: vom Mittelmeerraum über Südafrika, Nord-,<br />
Zentral- und Südamerika, Australien bis hin zu den subtropischen<br />
Gebieten Asiens. Risi würde sich in seinem Garten auch<br />
mit verbundenen Augen zurechtfinden, allein aufgrund des Duftes,<br />
den die Pflanzen verströmen. «Ein normaler Gärtner arbeitet<br />
mit 150 verschiedenen Pflanzen, hier haben wir 2000 Arten»,<br />
sagt er. Alles müsse aufeinander abgestimmt werden, Farben,<br />
Formen, individuelle Bedürfnisse der Pflanzen. Für jemanden,<br />
der frisch aus der Gärtnerschule komme, sei das nichts. Da müsse<br />
man schon einige Jahre Erfahrung mitbringen. «Das ist wie<br />
bei einem Maler: Wenn einer immer nur Häuser anstreicht und<br />
dann plötzlich die Möglichkeit hat, eine Kirche zu renovieren…<br />
Das ist eine ganz andere Arbeit. Da braucht man eine grosse<br />
Vorstellungskraft.»<br />
An Erfahrung und Fantasie fehlt es Fiorenzo Risi nicht. Nach der<br />
Gärtnerlehre arbeitete er als Topfpflanzengärtner, ging dann für<br />
vier Jahre in die Deutschschweiz, bildete sich weiter zum Baumschulist<br />
und sammelte Erfahrung im Gartenbau. Ende 1988 kam<br />
er schliesslich nach Brissago. Die kreative Seite seiner Arbeit ist<br />
dem Vierzigjährigen sehr wichtig, er nimmt sich Zeit für seine<br />
Inspirationen, folgt seinen Intuitionen. «Diese Insel ist ein kleines<br />
Universum, alles muss zusammenstimmen. Alles ist eine einzige<br />
Kraft.» Es freut ihn besonders, wenn Besucher aus fremden<br />
Ländern erstaunt sind, Pflanzen aus ihrer Heimat auf Brissago<br />
zu finden.<br />
So wie Fiorenzo Risi über die Pflanzen und deren Herkunftsländer<br />
spricht, würde man meinen, er verbringe die meiste Zeit<br />
mit Weltreisen. Doch das einzige Mal, als er für längere Zeit wegkonnte,<br />
waren die sechs Monate, die er zwischen zwei Jobs<br />
in Amerika verbrachte. Er reist in der Fantasie, holt sich dort<br />
auch seine Inspirationen für die Gestaltung des Parks. Wenn er<br />
könnte, würde er gerne mit seinen drei Töchtern, die bei seiner<br />
geschiedenen Frau leben, eine Reise machen. Nach Äthiopien,<br />
Ägypten, in die Türkei oder nach Marokko. Dorthin, wo andere<br />
Kräfte und Energien herrschen. «Ein Traum wäre das schon, mit<br />
meinen Mädchen in ein solches Land zu reisen. Vielleicht bleibt<br />
es ein Traum. Aber wir alle leben ja von Träumen.»<br />
Ruth Hafen<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 5|<strong>01</strong><br />
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