LÄUFT. Juli/August 2018
LÄUFT. ist das Magazin von laufen.de. Und das sind die Themen dieser Ausgabe: So macht Laufen glücklich – wir lüften das Geheimnis des Runner's High. Ein neues Leben als Läuferin – wie Antje Wensel trotz einer schlimmen Fettstoffwechselstörung durch Namibias Wüste gelaufen ist. Perfekt regenerieren, schneller laufen – wir erklären, warum zu jedem Training auch die entsprechende Erholung gehört.
LÄUFT. ist das Magazin von laufen.de. Und das sind die Themen dieser Ausgabe: So macht Laufen glücklich – wir lüften das Geheimnis des Runner's High. Ein neues Leben als Läuferin – wie Antje Wensel trotz einer schlimmen Fettstoffwechselstörung durch Namibias Wüste gelaufen ist. Perfekt regenerieren, schneller laufen – wir erklären, warum zu jedem Training auch die entsprechende Erholung gehört.
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» Die Operation kostet 20.000 Euro.<br />
Und die Krankenkasse übernimmt nichts «<br />
vor einem Jahr in die Wüste Namibias<br />
aufbrach, um innerhalb von sieben<br />
Tagen 250 Kilometer zu laufen. Denn<br />
man muss schon sehr an sich glauben,<br />
um so ein Laufdebüt hinzulegen,<br />
wie es ihr vor mittlerweile vier Jahren<br />
gelungen ist.<br />
Bis 2014 war Laufen nie ihr Ding.<br />
Auch in ihren Sport- und Diät-Phasen<br />
gehörte es nicht zum Programm. Doch<br />
das änderte sich schlagartig, als sie<br />
vor vier Jahren ihren ersten Marathon<br />
als Zuschauerin erlebte. Sie feuerte<br />
ihren Freund an und war von der<br />
Euphorie der Läufer so überwältigt,<br />
dass sie einige Tage später selbst ihre<br />
Laufschuhe schnürte und die ersten<br />
Kilometer am Stück lief. Zwei Wochen<br />
später folgte schon ihr erstes offizielles<br />
Zehn-Kilometer-Rennen. Nach<br />
dem Finish in 78 Minuten plagte sie<br />
ein schlimmer Muskelkater. Aber auch<br />
davon ließ sie sich nicht abhalten,<br />
nur eine Woche später am Start eines<br />
Halbmarathons zu stehen.<br />
Unvernünftig? Schon, wenn man<br />
bedenkt, dass Antje Wensel damals bei<br />
einer Größe von 1,75 Metern immer<br />
noch 100 Kilo wog. Andererseits: Antje<br />
Wensel hatte gar keine andere Chance,<br />
als mit dem Übergewicht ins Laufen<br />
zu kommen. Denn sie hätte auch mit<br />
Aquajogging, Radfahren und einer<br />
Ernährungsumstellung ihr Gewicht<br />
vor dem Laufeinstieg kaum reduzieren<br />
können.<br />
Krankhafte<br />
FETTverteilungsstörung<br />
Erfahren hat sie das zwar erst drei<br />
Jahre später, aber Antje Wensel litt<br />
schon seit ihrer Pubertät an einer<br />
krankhaften Fettverteilungsstörung.<br />
Einem Lipödem. Die Krankheit kommt<br />
fast nur bei Frauen vor. Dabei vermehrt<br />
sich das Unterhautfettgewebe<br />
an beiden Beinen, aber nicht am<br />
restlichen Körper. Durch Sport oder<br />
Ernährung lässt sich der Krankheitsverlauf<br />
nicht beeinflussen.<br />
Ohne zu wissen, was die Ursache für<br />
ihre Gewichtsprobleme ist, lief Antje<br />
Wensel einfach weiter. 28 Wochen<br />
nach ihren ersten Laufschritten finishte<br />
sie den ersten Marathon. 5:16 Stunden<br />
brauchte sie für die 42,195 Kilometer.<br />
Jetzt ist sie Läuferin. Macht bei vielen<br />
Events mit. Drei Jahre nach ihrem<br />
Debüt hat sie schon über tausend<br />
Kilometer zurückgelegt, beherzigt<br />
Trainingstipps und wird besser – aber<br />
kein Kilogramm leichter. Obwohl sie<br />
hart trainierte und sich vor allem von<br />
Wasser, Gemüse und Obst ernährte,<br />
änderte sich auf der Waage nichts.<br />
Dass ihr Übergewicht eine krankhafte<br />
Ursache haben könnte, dämmerte ihr<br />
erst, als sie sich mit einer zufälligen<br />
Laufbekanntschaft eng anfreundete:<br />
„Ich habe festgestellt, dass Jeany eine<br />
viel schlankere und athletischere Figur<br />
hat, obwohl wir beide gleich viel trainierten<br />
und ein ähnliches Leistungsniveau<br />
hatten.“<br />
Als die beiden sich drüber unterhielten,<br />
fiel der Freundin ein, dass sie beruflich<br />
mal was mit einer Frau zu tun<br />
hatte, deren Körperbau – ein schlanker<br />
Oberkörper und ein im Vergleich dazu<br />
ausladender Unterkörper – dem von<br />
Antje ähnelte. Und die litt unter einer<br />
Stoffwechselkrankheit. „Jeany hat mir<br />
empfohlen, mich bei einem Phlebologen,<br />
einem Gefäßspezialisten, untersuchen<br />
zu lassen.“<br />
Damals – Anfang 2017 – steckte Antje<br />
Wensel mitten in den Planungen für<br />
das Rennen, dass für sie der bisherige<br />
Höhepunkt ihres neuen Läuferlebens<br />
sein sollte. 250 Kilometer wollte sie<br />
durch die Wüste Namibias laufen. In<br />
sieben Tagen. Und dabei alles im Rucksack<br />
tragen, was sie an diesen sieben<br />
Tagen zum Laufen und Leben benötigt.<br />
Angeführt werden sollte die Reise von<br />
Rafael Fuchsgruber, einem der erfolgreichsten<br />
Wüstenläufer überhaupt.<br />
SCHON ALS KIND VON<br />
WÜSTEN FASZINIERT<br />
Wüsten faszinierten Antje Wensel<br />
schon, als sie noch ein Kind war. Die<br />
Stille und die Weite der Sandlandschaften<br />
müssen doch den Menschen<br />
deutlich machen, wie klein und machtlos<br />
sie eigentlich sind – so stellte sie<br />
sich das vor. Und dann fiel ihr 2015<br />
ein Buch in die Hände, in dem Rafael<br />
Fuchsgruber ihr genau das mit den<br />
Berichten von seinen Wüstenläufen<br />
bestätigte. Sie war gefesselt von<br />
seinen Erlebnissen und seiner Lebensgeschichte.<br />
Jetzt wollte sie selbst<br />
erleben, wie sich die Faszination der<br />
Wüste mit der des Laufens verbindet.<br />
Zwei Jahre gab sie sich Zeit für die<br />
Vorbereitung auf den langen Lauf<br />
durch die Namib. Training in der deutschen<br />
Mittagshitze, eine Generalprobe<br />
auf der kapverdischen Wüsteninsel<br />
Boa Vista und natürlich jede Menge<br />
Läufe mit Gepäck und Wasser im<br />
Rucksack.<br />
DIE DIAGNOSE KAM KURZ VOR<br />
DEM START IN NAMIBIA<br />
Und dann, drei Monate bevor das große<br />
Rennen in Namibia starten sollte,<br />
bekam Antje das Ergebnis ihrer Untersuchung<br />
beim Phlebologen: Krankhafte<br />
Fettverteilungsstörung, auch<br />
Lipödem genannt. Erleichterung und<br />
Katastrophe zugleich. Endlich wusste<br />
sie, warum sie nicht durch Sport und<br />
ein Kaloriendefizit abnahm. Gleichzeitig<br />
wurde ihr ihre Hilflosigkeit<br />
bewusst, da sie nichts tun konnte, um<br />
den Verlauf der Krankheit aufzuhalten.<br />
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