LÄUFT. Juli/August 2018

—
immer
Voll im
Trend
—
Frau
Schmitt
Meint
↦ Neulich traf ich einen früheren
Kollegen von mir auf der Straße.
„Stell dir vor“, sagte er, „ich hab
jetzt auch mit dem Laufen angefangen!“
„Toll!“ Ich war sehr erfreut,
wie immer, wenn ein Schäfchen den
Weg in die große Gemeinde findet.
Natürlich wollte ich mehr wissen:
„Und für welche Konfession hast
du dich entschieden?“ Der Kollege
sah mich ratlos an. Seltsamerweise
verstand er nicht, was ich meinte:
„Naja, ich meine, praktizierst du
Slow Jogging (betont langsames
Laufen nach einer japanischen
Anleitung), Canicross (Crosslaufen
mit Hund im Zuggeschirr), Crunning
(eine Mischung aus Crabbeln und
Laufen), Social Running (das Laufen
im virtuellen Wettbewerb), Plogging
(Müll aufsammeln beim Laufen),
HIIT (hochintensive Intervalle) oder
Kanga (Laufen mit Kind in einer
Bauchtragetasche)?“ Ein Augenlid
des Kollegen begann ein wenig zu
zucken. „Und welchen Style“, fuhr
ich fort, „hast du für deine Cross-
training-Einheiten ausgewählt? Piloxing
(eine Mischung aus Pilates und
Boxen), Bodyweight-Training (Krafttraining
ohne Geräte), CrossFit
(hartes Zirkeltraining), Virtual reality
workout (Training in virtueller
Umgebung), EMS-Training (Übungen
mit Elektrostimulation), Bulgarian
Bag-Workouts (Training mit Sandsäcken),
Aerial Fly-Yoga (Yoga, bei
dem man in einem Tuch von der
Decke hängt) oder Yoga mit Tieren?
Ich persönlich empfehle dir das
Yoga mit Tieren, gerade auch wegen
Instagram. Du bekommst einfach viel
mehr Likes, wenn die Bulldogge auf
dem Bild neben dir auch den Sonnengruß
macht!“ Der Kollege murmelte,
er habe noch ein Wildschwein auf
dem Feuer und verließ grußlos die
Szene. Nun ja. War schon immer ein
eher unhöflicher Geselle. Da gibt es
gerade die herrlichsten Trends und
der reagiert so! Ich selbst habe leider
bereits alle topaktuellen „mustruns“
durch und warte sehnsüchtig
auf die nächsten. Was mag kommen?
Ich würde Double Step Jogging toll
finden (Laufen, bei dem man jeweils
zweimal hintereinander mit dem
rechten und dem linken Fuß aufsetzt),
Speed-Running (Sprints über
mehr als 3 Kilometer – „Der härteste
Running-Trend der Welt“) oder
Budgie-Running (Laufen mit Wellensittichen.
Statt mit Musik). Was
sich bereits anzubahnen scheint, ist
Suit-Running, das Laufen im Anzug.
So kann man direkt von der Arbeit
nach Hause laufen, ohne sich zuvor
in Sport-Klamotten zu werfen. Zum
Ausgleich haben wir umgekehrt ja
auch den „Athleisure“-Trend, eine
Mischung aus „Athletics“ und „Leisure“
(Freizeit). Also Active Wear
für passive Schnarchzapfen. Wenn
ich einen Wunsch frei hätte, dann
würde ich mir „Coinless-“ oder „Keyless-Running“
als Trend wünschen
(Laufen ohne klappernde Sachen in
den Laufhosen). Oder noch besser:
den ESFKAR-Style – endurance
sport formerly known as running.
Laufen ohne Gedöns. Rechter Fuß,
linker Fuß. Das wär bestimmt ein
echter Abräumer.
Heidi Schmitt
Heidi Schmitt, Läuferin und Autorin aus Frankfurt, schreibt und läuft in stetigem Wechsel. Am liebsten über und bei Volksläufen in der Provinz,
wo Läufer zwar selten mit einer Medaille, dafür aber mit Streuselkuchen belohnt werden. Für LÄUFT. sagt sie ganz offen, was sie denkt. Und wer
mehr Frau Schmitt will, wird hier fündig:
www.laufen-mit-frauschmitt.de
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