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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 87 · 1 3./14. April 2019 – S eite 25 *<br />
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Feuilleton<br />
Claus Löser über die<br />
Bo Widerberg-Retrospektive<br />
im Arsenal<br />
Seite 28<br />
„Das Autoritäre wirkt zersetzend nach.“<br />
Die Schriftstellerin Ines Geipel im Gespräch mit Christina Bylow über den Osten Seiten 26/27<br />
Expressionisten unter Verdacht?<br />
Gerade eröffnete<br />
eine differenzierende, die<br />
Nähe zum NS-Regime beleuchtende,<br />
aber die Fakten auch<br />
tiefgründig erklärende Schau über<br />
den „Entarteten“, paradoxerweise<br />
zugleich „völkischen“ Emil Nolde in<br />
der Nationalgalerie. Und tags darauf<br />
setzt das Dahlemer Brücke Museum<br />
mit seiner Analyse der Situation der<br />
Expressionisten der legendären<br />
Künstlergruppe „Die Brücke“ nach<br />
dem Jahr 1933 ein.<br />
Wer nun denkt, neueste Forschungserkenntnisse<br />
wie im Fall<br />
Nolde als heftiger Antisemit und<br />
Sich-Anbiederer ans System, das<br />
seine Bilder aber dennoch verfemte,<br />
ließen sich auch auf die zeitweiligen<br />
Gefährten der „Brücke“ übertragen,<br />
ist im Irrtum. Bei keinem der Maler,<br />
auf deren Werk sich unsere prüfenden<br />
Blicke richten, lässt sich derart<br />
Krasses nachweisen. Aber es stimmt<br />
freilich, dass Karl Schmidt-Rottluff<br />
als junger Offizier im Ersten Weltkrieg<br />
unverzeihlich Dummes über<br />
die„jüdischeWeltverschwörung“ gesagt<br />
hat. War damals Zeitgeist, wie<br />
Historiker wissen. Was dann kam,<br />
hat den Maler und späteren Gründungsvater<br />
des Brücke-Museums<br />
denn doch eines Besseren belehrt,<br />
ihn in die Innere Emigration und<br />
zum metaphorischen Gemälde<br />
„Entwurzelte Bäume“ getrieben.<br />
Es ist auch eine peinliche Tatsache,dass<br />
Ernst-Ludwig Kirchner sich<br />
empörtgegen den Anwurfwehrte,es<br />
gäbe einen „jüdischen Einfluss“ auf<br />
seine Arbeit, und er habe doch für<br />
eine „echte deutsche Kunst gekämpft<br />
...“ Kirchner, der zu Kriegsende<br />
1918 in die Schweiz gezogen<br />
war, nur von fern erlebte, was in<br />
Deutschland politisch passierte,<br />
nahm sich 1938 resigniert über die<br />
Feme und seinen fatalen Irrtum das<br />
Leben. Eins seiner letzten Motive in<br />
der Ausstellung ist das einer blökenden,<br />
offenbar heillos chaotischen<br />
Schafherde vorsteilen Berggipfeln.<br />
Das Brücke-Museum, gegründet<br />
1967, besitzt etwa 400 Gemälde und<br />
Plastiken und einige Tausend Zeichnungen,<br />
Aquarelle und Grafiken von<br />
Künstlern der 1905 in Dresden gegründeten,<br />
1913 in Berlin aufgelösten<br />
Gemeinschaft. Damit ist es die<br />
Gute Menschen,<br />
gute Kunst?<br />
Expressionisten im Zeitstrahl: Das Brücke-Museum beleuchtet mit<br />
„Flucht in die Bilder?“ Werke der legendären Gruppe während der Hitlerzeit<br />
VonIngeborg Ruthe<br />
Schmidt-Rottluff: „Entwurzelte Bäume“, 1934. Max Pechstein: „Junge mit Schneebällen und drei Nelken“, 1937 BRÜCKE-MUSEUM/UHRG HAMBURG/TÖKENDORF/VG BILDKUNST 2019 (2)<br />
weltweit größte zusammenhängende<br />
Sammlung vonWerken dieses<br />
besonderen Stils. Was die Brücke-<br />
Leute verband, waren die Absage an<br />
den Akademismus,der Wille zum radikalen<br />
Ausdruck und die brachiale<br />
Abgrenzung von der atmosphärisch<br />
weichen Eindruckskunst des Impressionismus.<br />
Typisch ist die Vereinfachung<br />
der natürlichen Motive<br />
aufs Wesentliche. Die Farben sind<br />
leuchtend, großflächig aufgetragen<br />
und entfernen sich bewusst vonden<br />
Naturfarben. Man malte und zeichnete<br />
spontan, impulsiv und mit dynamischer<br />
Pinselführung Landschaft,<br />
Natürlichkeit und Nacktheit.<br />
Sie malten im Atelier und in der Natur.<br />
Die Brücke-Gründungsmitglieder<br />
Ernst Ludwig Kirchner,Erich Heckel,<br />
Karl Schmidt-Rottluff, Fritz<br />
Bleyl, MaxPechstein, kurzzeitig Emil<br />
Nolde sowie der früh verstorbene<br />
Otto Mueller,„Zigeunermueller“ genannt,<br />
schrieben Kunstgeschichte.<br />
Ihre Werkezählen zu den Ikonen der<br />
Moderne, machen Schule bis heute,<br />
stehen für Innovation, Aufbruch,<br />
Freiheit der Kunst. Und sie sind<br />
heute unbezahlbar.Nun aber gibt es<br />
mehr als genug Gründe, Werk und<br />
Biografien dieser Ikonen weniger bewundernd<br />
denn kritisch zu befragen.<br />
Erstmals überhaupt setzt das<br />
Brücke-Museum sich mit der Kunstpraxis,<br />
den Handlungsspielräumen,<br />
dem Alltag der Brücke-Maler während<br />
der NS-Zeit auseinander. Die<br />
meisten Bilder ab 1933/34 verraten<br />
eine große Verunsicherung, gemischt<br />
mit der Sehnsucht, vom NS-<br />
Regime doch noch Anerkennung<br />
und Existenzsicherung zu erhalten.<br />
Aber Expressives war weitgehend<br />
verpönt, auch wenn es unter den<br />
Nazi-Größen den einen oder anderen<br />
Sympathisanten gab, rettete das<br />
nicht vor der Feme, gerade Nolde<br />
nicht, der den ohnehin an der Existenzgrenze<br />
lebenden Max Pechstein<br />
bei Goebbels als „jüdisch“ denunzierte.<br />
Nolde und Schmidt-Rottluff<br />
flogen aus der Reichskulturkammer.<br />
Absurderweise aber blieb Pechstein<br />
drin. Letzterer malt den „Jungen mit<br />
Schneebällen“, 1937, auffällig naturalistisch,<br />
fast lieblich, derweil Heckel,<br />
bei den Nazis der „Kulturbolschewist“,<br />
schon 1933 eine lyrische<br />
„Anweiler“-Landschaft zelebrierte<br />
und badende Knaben malte, die alle<br />
durchweg arisch aussehen.<br />
Schmidt-Rottluff wiederum malte<br />
etwa „Brücke mit Eisbrechern“,<br />
1934, als gewaltsames, gefahrvolles<br />
Inszenario. Und schließlich gingen<br />
sie alle in die Innere Emigration,<br />
malten Landschaften, Stillleben, Unverfängliches.<br />
Erst nach 1945 kam<br />
die Verehrung zurück und „Brücke“<br />
wurde Kunstkanon in West und Ost.<br />
Differenzierung ist geboten,<br />
wenn wir auf die Bilder schauen. Der<br />
moralische Zeigefinger sollte unterbleiben.<br />
Brücke-Ikonen sind nicht<br />
lupenrein. Großartige Künstler, jedoch<br />
in einer Diktatur, haben gemalt,<br />
um zu überleben. Kanzlerin<br />
Merkel hat Nolde aus ihrem Arbeitszimmer<br />
verbannt. Schleswig-Holsteins<br />
Bildungsministerin Karin<br />
Prien (CDU) hängte sich soeben einen<br />
Nolde übern Schreibtisch. Können<br />
nur gute Menschen gute Kunst<br />
machen? Istwohl der größte Irrtum.<br />
Brücke-Museum Bussardsteig 9, bis 11.8.<br />
Mi–Mo11–17 Uhr,Katalog 39,90Euro<br />
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