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INTERVIEW MIT BRIGITTE UNGAR-KLEIN<br />
Als U-Boot<br />
ÜBERLEBT<br />
Die Wiener Historikerin Brigitte Ungar-Klein legt nun<br />
mit Schattenexistenz ihre langjährige Forschung zum Überleben<br />
als U-Boot in der NS-Zeit in Buchform vor. Insgesamt haben an<br />
die 1.000 Jüdinnen und Juden im Verborgenen in Wien überlebt,<br />
sagte Ungar-Klein im Interview mit WINA.<br />
WINA: Was war Ihre Motivation, sich mit dem Thema<br />
auseinanderzusetzen?<br />
Brigitte Ungar-Klein: Es waren mehrere Zufälle. Der<br />
erste Zufall war, dass ich von Bekannten gehört habe,<br />
dass sie während des Krieges in einem Keller versteckt<br />
gelebt haben und dass sich ihre Lebenssituation danach<br />
sehr verändert hat, dass aus einem lebenslustigen<br />
Mann ein eher depressiver Mensch geworden ist,<br />
wo man nach 45 gemerkt hat, da war eine Zäsur und<br />
er konnte an das vorherige Leben nicht wirklich anschließen.<br />
Wann haben Sie davon erfahren?<br />
❙ Das war Anfang der 1980er-Jahre. Etwas später, als<br />
ich mit meinem Studium bereits fertig war, aber weiterforschen<br />
wollte, hat mich Erika Weinzierl gefragt,<br />
ob ich mich mit U-Booten beschäftigen will. Ich habe<br />
eigentlich sofort zugesagt, ohne dass ich mir vorstellen<br />
konnte, erstens wie lange ich brauchen werde – wobei<br />
natürlich ein ganzes Berufsleben zwischen dem Anfang<br />
und jetzt dem Buch steht. Aber ich wusste auch<br />
überhaupt nicht, wo ich Informationen herbekommen<br />
könnte. Und es war auch nicht so, dass ich mir<br />
einfach Literatur hernehmen konnte, das hat es zum<br />
damaligen Zeitpunkt nicht gegeben. Was es gegeben<br />
hat, war das Buch von Erika Weinzierl Zu wenig Gerechte<br />
und, als Einstieg in diese Forschung, Briefe, die<br />
sie bekommen hat, nachdem sie einen Aufruf in Zeitungen<br />
gemacht hat, wer hat Juden geholfen? So bin<br />
ich zu den ersten Namen gekommen.<br />
Sie haben in der Folge mehrere Jahrzehnte an diesem<br />
Thema gearbeitet. Wie sah zu Beginn die Quellenlage<br />
aus, und haben sich über die Jahrzehnte<br />
auch neue Quellen aufgetan?<br />
❙ Quellen hat es nur sehr beschränkt gegeben. Eben<br />
diese Briefe. Dann die bekannte Familie, die ich dazu<br />
Interview: Alexia Weiss<br />
Fotos: Daniel Shaked<br />
„Einige wenige<br />
haben das<br />
dann überlebt,<br />
abereinGroßteil<br />
dieser<br />
Aufgegriffenen<br />
ist genauso<br />
deportiert und<br />
ermordet<br />
worden.“<br />
befragt habe. Von einer Freundin der Familie habe<br />
ich erfahren, dass die Mutter bei der Schwester überlebt<br />
hat, diese hat in einer „privilegierten Mischehe“<br />
in der Naglergasse gewohnt. Dann habe ich selbst in<br />
der jüdischen Gemeindezeitung ein Inserat geschalten,<br />
und da haben sich einige Personen gemeldet, teilweise<br />
auch Personen, die selbst nicht betroffen waren,<br />
aber über U-Boot-Geschichten Bescheid wussten. Da<br />
hat sich zum Beispiel auch die Zion-Schwester Hedwig<br />
gemeldet, eine Tochter des Ehepaars Wahle, das<br />
versteckt in Wien gelebt hat. Sie hat mir über ihre Eltern<br />
ein Interview gegeben.<br />
Und so, step by step und zunächst einmal über oral history,<br />
also über narrative Lebensgeschichten, bin ich zu<br />
der Thematik gekommen. Dann haben mir meine Gesprächspartner<br />
auch erzählt, sie hätten sich bei Stellen<br />
gemeldet, es hat einen U-Boot-Verband gegeben,<br />
der hat Ausweise ausgestellt. Dem bin ich nachgegangen.<br />
So bin ich zur Information gekommen, dass<br />
es die „Zentralregistrierstelle für die Opfer des Naziterrors“<br />
gegeben hat, wo man sich melden und angeben<br />
konnte, aus welchem Grund man verfolgt wurde,<br />
und da hat es eben auch schon ein Feld „U-Boot“ gegeben,<br />
das man ankreuzen konnte. Diese Karteikarten<br />
befinden sich im Wiener Stadt- und Landesarchiv.<br />
Wie schwer ist/war es, hier auf nachvollziehbare Zahlen<br />
von Menschen, die als U-Boot in Wien gelebt oder<br />
überlebt haben, zu kommen?<br />
❙ Letztgültig ist bei diesen historischen Forschungen<br />
eigentlich gar nichts. Es kann sich immer wieder irgendetwas<br />
ergeben. Vorausschicken möchte ich, dass<br />
die Definition, welche Personengruppe ich in meinem<br />
Buch behandle, eine ganz spezielle ist. U-Boot heißt<br />
für mich nicht ausschließlich versteckt sein, es geht<br />
mir um das Leben im Verborgenen, darum habe ich<br />
das Buch ja auch Schattenexistenz genannt. Es waren<br />
wına-magazin.at<br />
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