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juli_10.7

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LEBENS ART<br />

Die Eloquenz<br />

unserer Anatomie<br />

Das Unbeschreibliche tanzen<br />

Die New Yorkerin Juliana F. May – ihre Großmutter<br />

stammte aus Wien und musste als Jüdin<br />

flüchten – ist so etwas wie eine Trauma-<br />

Expertin innerhalb der Performanceszene am<br />

Hudson River. Schon seit einem Jahrzehnt<br />

lässt sie dieses Motiv nicht los, und auch in<br />

ihrem aktuellen Stück Folk Incest geht es um<br />

scheinbar nicht darstellbare Themen wie den<br />

Holocaust, das sexuelle Trauma und die Fetischisierung<br />

junger Mädchen.<br />

Frau May, was kann Tanz besser ausdrücken<br />

als Worte?<br />

Tanz ist nicht sehr gut darin, lineare Erzählungen<br />

zu vermitteln. Aber seine Abstraktion kann<br />

den Zustand des Traumas nutzen, an den man<br />

sich oft abseits der genauen Reihenfolge und<br />

ohne Sprache erinnert.<br />

Sie verwenden auch Text in Ihrem Stück. Wozu<br />

braucht es das gesprochene und gesungene<br />

Wort?<br />

In Folk Incest benutze ich Text, um mich tiefer<br />

in die Person hinein zu bewegen oder sie<br />

zu verstecken. Wiederholungen und ständige<br />

Unruhe schaffen dabei ein Umfeld, in dem<br />

Wut und Humor koexistieren können. Die Lieder<br />

und Gesänge sollen Katharsis inmitten<br />

schwieriger Inhalte erzeugen.<br />

Wie schafft man es, etwas Unbeschreibliches<br />

in Tanz umzusetzen?<br />

Da Traumata im Körper gespeichert sind, vertraue<br />

ich auf die Kraft der Abstraktion und der<br />

Bewegung, um Ideen auszudrücken, die zu<br />

schmerzhaft sind, um sie zu<br />

verarbeiten.<br />

Wann haben Sie den letzten<br />

Wiener Walzer getanzt?<br />

1990 im Wohnzimmer meiner<br />

Großmutter mütterlicherseits,<br />

Rose Fallmann Gaster, in Connecticut.<br />

Rose und ihre Familie<br />

flohen 1939 aus dem nationalsozialistischen<br />

Wien nach<br />

Brooklyn. Sie ging nie zurück.<br />

60 wına| Juli_August 2019<br />

Auch in diesem Sommer<br />

übernehmen bei<br />

ImPulsTanz – Vienna<br />

International Dance<br />

Festival die Stars des<br />

zeitgenössischen Tanzes<br />

die Bühnen der<br />

Walzerstadt. WINA hat<br />

vier Künstlerinnen und<br />

Künstler aus den unterschiedlichsten<br />

Bereichen<br />

zum Interview gebeten,<br />

die alle jedoch eines eint:<br />

ihre jüdische Identität –<br />

oder die Suche danach.<br />

Sicherer Ort. Zvi<br />

Gotheiner arbeitet mit<br />

Tanzlehrenden.<br />

Wut und Humor. Juliana<br />

F. May lässt das Trauma-<br />

Thema nicht los.<br />

Ein Ort für Fragen<br />

In seinem Heimatland Israel begann Zvi<br />

Gotheiner bereits in jungen Jahren mit der<br />

Bühnenkunst, sowohl als Tänzer wie auch<br />

als Musiker. Er tanzte unter anderem mit der<br />

Joyce Trisler Dance Company und der Batsheva<br />

Dance Company. 1987 gründete er<br />

sein eigenes Ensemble, mit dem er bis heute<br />

erfolgreich in Nordamerika, Europa und Israel<br />

tourt. Zudem unterrichtet er als Lehrer Meisterklassen<br />

bei zahlreichen Spitzenkompanien<br />

und als Gastlehrer an renommierten Schulen<br />

sowie bei Festivals weltweit.<br />

Herr Gotheiner, gibt es etwas typisch Israelisches<br />

in der Art Ihres Tanzes oder in der Art,<br />

wie Sie lehren?<br />

Mittlerweile lebe ich ja bereits seit einigen Jahrzehnten<br />

in New York, aber ich bin sicher, dass<br />

meine Arbeit etwas „Israelisches“ enthält, das<br />

unbewusst aus meiner DNA hervorgeht …<br />

Was möchten Sie<br />

den Teilnehmern Ihres<br />

Workshops Meditating<br />

on teaching<br />

Ballet vermitteln?<br />

Ich möchte weniger<br />

„vermitteln“ und<br />

auch nicht versuchen,<br />

alte pädagogische<br />

Kriege beizulegen,<br />

oder sagen,<br />

dass mein Unterricht<br />

der einzige Weg ist.<br />

Ich möchte LehrerInnen<br />

und angehenden<br />

LehrerInnen einen sicheren Ort für Frage<br />

schaffen. Einen Ort, um den Fokus nach innen<br />

zu kehren und neue Prioritäten für den Tanzunterricht<br />

zu setzen, ihn aufzufrischen und zu<br />

personalisieren.<br />

Tanz bedeutet für Sie ganz persönlich:<br />

Alles!<br />

Wann haben Sie den letzten Wiener Walzer<br />

getanzt?<br />

Hoffentlich noch nicht!

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