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#katakomben
Schutz vor der Kälte
In Montréal wächst das Netzwerk von Fußgängertunneln
und unterirdischen Ladenpassagen in der Innenstadt stetig.
Kalter Winter im Untergrund
Es ist kalt in Montréal, zumindest in sechs von zwölf Monaten.
Für Iraner, die sich dort niedergelassen haben, sind
es dem subjektiven Empfinden nach gar acht Monate. „Das
Klima hier ist für Wölfe und Bären, nicht für den Menschen“,
erklärt ein Iraner, der bereits seit seinem Zuzug in
die kanadische Metropole vor 26 Jahren klimabedingt seinen
Rückzug in den Iran plant. Um den eisig kalten Winter
für die Bewohner der Stadt erträglicher zu machen, entwickelte
die Stadt im Laufe der Jahre ein immer verzweigteres
Netzwerk von Fußgängertunneln und unterirdischen
Ladenpassagen in der Innenstadt. Das über 32 Kilometer
lange Tunnelsystem erstreckt sich über eine Fläche von zwölf
Quadratkilometern im zentralen Stadtbezirk Ville-Marie.
Auf diese Weise werden unter anderem zehn U-Bahn-Stationen,
zwei Busbahnhöfe, die beiden Hauptbahnhöfe, Hunderte
von Läden, Restaurants und Kinos, Hotels, drei Veranstaltungshallen,
das Bell-Center – Heimat der Montréal
Canadiens –, diverse Büro- und Wohngebäude sowie zwei
Universitäten miteinander verbunden. Etwa 80 Prozent aller
Büro- und 35 Prozent aller Ladenflächen in der Innenstadt
sind an die Untergrundstadt angeschlossen.
In dieser Weise werden die Fußgänger, Bewohner und Angestellten
vor den strengen Wintern geschützt. Bereits Anfang
der 60er-Jahre, etwa zeitgleich mit der Planung des ersten
Wolkenkratzers der Stadt, entstand auch die Idee, Teile des
Stadtlebens unter die Erde zu verlagern. Jedoch war diese
Idee nicht von langer Hand geplant, sondern sie wuchs organisch.
Eine frühere Schneise für Eisenbahnschienen wurde
zu einem imposanten unterirdischen Einkaufszentrum
mit Kinos und Cafés. Vor allem in den kalten Wintertagen
entwickelte sich der Place Ville Marie schnell zum beliebten
Treffpunkt. Das führte dazu, dass sich bald schon weitere
Geschäfte in den unterirdischen Hohlräumen ansiedelten.
Bald wurde aus der ursprünglichen Keimzelle Place
Ville-Marie eine beeindruckende Stadt unter der Erde, die
„Ville souterraine“.
Auch die größte Stadt Kanadas versucht, durch unterirdische
Projekte den Platz besser zu nutzen. Mit mehr als 30
Kilometern Länge gilt der PATH in Toronto als das weltweit
längste Tunnelsystem unter der Erde. Über 50 Gebäude
sind an dieses System angeschlossen, darunter die
Hockey Hall of Fame oder der CN Tower. Laut einem aktuellen
Plan der Stadtregierung soll langfristig die weitere
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76 CHECK2/2019