UNTERWEGS IN FRANKREICH Rhône-Tal 64 · Frankreich erleben · <strong>Juli</strong> / <strong>August</strong> <strong>2013</strong>
Doch dann wurde die Hochgeschwindigkeitstrasse von Paris ans Mittelmeer ab Lyon in Richtung Süden weiter ausgebaut. Nach der Fertigstellung hielten die schnellen Züge auf ihrem Weg nach Marseille hinter Lyon plötzlich nur noch in Valence, Avignon und Aix-en-Provence. Montélimar verlor seinen Anschluss an die Hochgeschwindigkeit. Man fühlt sich seitdem, wie der ganze Süden des Departements Drôme und der Norden des Departements Vaucluse, abgehängt. Doch genau das soll sich wieder ändern. Ein neuer TGV-Bahnhof wird bis 2018 nur zehn Kilometer von Montélimar entfernt gebaut, und zwar in der Kommune Allan. Allerdings wird der Bahnhof den Namen von Montélimar tragen. « Montélimar TGV soll jährlich von 300.000 Reisenden benutzt werden. Eine Zugfahrt nach Paris wird nur noch zwei Stunden und 35 Minuten dauern. Mindestens vier Fahrten soll es pro Tag geben », weiß der Kellner zu berichten. « Damit werden wir Valence Paroli bieten. » Ich merke, dass die Menschen in Montélimar ihre Zukunft ambitioniert angehen. Wird Montélimar die neue Hauptstadt der Region und Valence gar den Rang ablaufen? Ich habe meine Zweifel. Ein wichtiges lokales Zentrum wird es aber bestimmt werden. Wenn es das nicht ohnehin schon ist. Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken und mich beim Kellner für seine Erklärungen bedankt habe, gehe ich zum Museum der Modernen Kunst. Es ist in den Räumen untergebracht, in denen sich damals unsere Schlafräume befanden. Es ist ein komisches Gefühl, heute Kunst zu sehen, wo wir damals gelebt haben. Am Ende des Museumsbesuchs entdecke ich in einer Broschüre, dass in etwas mehr als einem Jahr noch ein modernes Kongresszentrum eröffnet werden soll. Ein weiterer Beweis für die Ambitionen von Montélimar. Danach verspüre ich Lust, einen Abstecher in das « alte » Zentrum der Stadt zu unternehmen. Die Gassen dort wirken anders als das neue Viertel rund um die Place Saint- Martin. Ich finde die Atmosphäre einer typisch südfranzösischen Stadt wieder. Kleine Plätze mit schattenspendenden Bäumen laden zum Verweilen ein. Manche Schaufenster der Boutiquen scheinen aus einem anderen Jahrhundert zu stammen. So, als ob die Zeit in Montélimar trotz aller neuer Dynamik auch ein Stück stehengeblieben wäre. Als ich an der Bäckerei « Chez Titin », die mit dem Zusatz « Boulangerie artisanale fondée en 1930 » (dt. Traditionelle Bäckerei, gegründet 1930) wirbt, vorbeikomme, kann ich den süßen Verlockungen in der Auslage nicht widerstehen. Doch die Auswahl des hausgemachten Gebäcks ist so groß, dass ich einige Zeit brauche, bis ich mich entscheiden kann. Nachdem ich anschließend noch den Panoramablick vom Château des Adhémar, von wo aus man nicht nur über die Dächer von Montélimar, sondern bis zu den Bergen des Vercors-Massifs schauen kann, genossen habe, mache ich mich auf den Weg zurück zu meinem Auto. Die Stadtbesichtigung hat mich animiert, das Hinterland von Montélimar zu erkunden. Orte wie Puygiron, La Bégude-de-Mazenc, Le Poël-Laval, Dieulefit oder Grignan werden mit ihrer mittelalterlichen Struktur einen verlockenden Kontrast zu dem erwachten Montélimar bilden. Puygiron & La Bégude-de-Mazenc, Balkone der Drôme Provençale Wenige Minuten später verlasse ich die Stadt auf der D540 in Richtung Osten. Die kleine Landstraße überquert alsbald die Autobahn A7, auf der der Verkehr von Nordeuropa nach Südeuropa und umgekehrt rauscht. Kurz danach biege ich auf die D327 ab, die nach Puygiron führt, dem ersten Dorf der Drôme Provençale, das ich besuchen will. Es ist ein Ort, der abseits der üblichen Touristenströme liegt. Es gibt weder Souvenirboutiquen, noch stauen sich Reisebusse am Ortseingang. Dominiert wird das Dorf von seinem alten Schloss, dessen Bau bereits im 13. Jahrhundert begonnen wurde. Von dort hat man bei schönem Wetter einen tollen Ausblick. Man kann von den Cevennen im Westen bis zu den Voralpen im Osten schauen. Hier versteht man, warum der Ort auch als der « erste Balkon der Drôme Provençale » genannt wird. Danach geht es zurück zur D540, vorbei an Schafherden, die zum Teil keine Scheu haben, die Landstraße zu überqueren, weiter in Richtung Osten. Meinen nächsten Halt plane ich in La Bégude-de-Mazenc, oder um präziser zu sein: im oberen Teil des Dorfes, der aus dem Weiler Châteauneuf-de-Mazenc besteht. Der mittelalterliche Marktflecken überragt die Ebene ebenfalls wie ein Balkon und scheint wie aus der Zeit gefallen. Nur wenige Häuser bilden die Siedlung, die sich um eine kleine Kirche herum gruppieren. Die meisten Fensterläden sind geschlossen Frankreich erleben · <strong>Juli</strong> / <strong>August</strong> <strong>2013</strong> · 65