Nr. 46 - Juli / August 2013
Atlantikküste: Reif für die Insel(n): Ile de Ré, Ile d'Aix, Fort Boyard, Ile Madame, Ile d'Oléron Paris: Monnaie de Paris, eine Fabrik hinter königlicher Fassade Bordeaux 2.0 Toulouse: zu Besuch bei Airbus Montélimar & Umgebung: eine Reise zwischen gestern und morgen Umwelt: Lavendel der Provence in Gefahr Rezept: Gaspacho de tomates et fraises Genuss: die AOC Burgunds
Atlantikküste: Reif für die Insel(n): Ile de Ré, Ile d'Aix, Fort Boyard, Ile Madame, Ile d'Oléron
Paris: Monnaie de Paris, eine Fabrik hinter königlicher Fassade
Bordeaux 2.0
Toulouse: zu Besuch bei Airbus
Montélimar & Umgebung: eine Reise zwischen gestern und morgen
Umwelt: Lavendel der Provence in Gefahr
Rezept: Gaspacho de tomates et fraises
Genuss: die AOC Burgunds
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und in den Gassen treffe ich lediglich auf<br />
eine herumstreunende Katze. Aus der Ferne<br />
hört man den Lärm des modernen Lebens in<br />
der Unterstadt, dem eigentlichen La Bégudede-Mazenc,<br />
wohin sich das Leben mit seinen<br />
Geschäften verzogen hat. Dort befindet sich<br />
auch ein Schloss, das als Anwesen für den<br />
ersten französischen Präsidenten des 20.<br />
Jahrhunderts, Emile Loubet, diente.<br />
Le Poël-Laval, eines der<br />
schönsten Dörfer Frankreichs<br />
Wieder zurück auf der D540 setze ich<br />
meine Fahrt in Richtung Osten fort. Schon<br />
nach wenigen Kilometern erkenne ich die<br />
Silhouette eines Dorfes, das für mich ohne<br />
Übertreibung eines der schönsten Frankreichs<br />
ist. Übrigens auch ganz offiziell, darf<br />
es sich mit dem Titel « L’un des plus beaux<br />
villages de France » schmücken. Ich meine Le<br />
Poël-Laval.<br />
Verpassen kann man das Dorf nicht. Sein<br />
mittelalterlicher Donjon aus dem 12. Jahrhundert<br />
macht es unverwechselbar. Doch<br />
nicht nur die Häuser aus dem 15. Jahrhundert,<br />
die alten Befestigungsanlagen und die<br />
Ruine der Dorfkirche faszinieren mich an Le<br />
Poël-Laval. Schon immer war ich begeistert,<br />
wie anders dieses Dorf wirkt. Denn gerade<br />
der obere, älteste Teil scheint keiner Logik zu<br />
folgen. Die Gassen sind für Autos zu schmal,<br />
aber selbst Fahrradfahrer trauen sich kaum<br />
hindurch. Es gibt fast keine Geschäfte und<br />
sobald der Frühling begonnen hat, erobert<br />
die Natur das Dorf. Vor allem Stockrosen<br />
sprießen überall. Niemand scheint sich daran<br />
zu stören oder käme auf die Idee, etwas wegzuschneiden.<br />
Im Château des Hospitaliers, von dessen<br />
Donjon man einen schönen Blick hat, erfährt<br />
man mehr über die sonderbare jüngere Vergangenheit<br />
von Le Poël-Laval. Denn ohne<br />
die Entschlossenheit eines Mannes, Yvon<br />
Morin, einstiger Bürgermeister und Ehrenpräsident<br />
der Vereinigung der Freunde von<br />
Le Poël-Laval, der im Dezember 2012 im Alter<br />
von 88 Jahren verstorben ist, würde es das<br />
Dorf heute wahrscheinlich nicht mehr geben.<br />
Denn 1959 lebten nur noch drei Menschen in<br />
einer ansonsten ruinenhaften Siedlung. Yvon<br />
Morin und seine holländische Frau Hilda<br />
entschlossen sich damals, gegen das Sterben<br />
des Ortes anzukämpfen und kauften das<br />
letzte noch unbeschädigte Gebäude sowie die<br />
angrenzenden Parzellen im oberen Teil des<br />
Dorfes. Ende der 1960er-Jahre eröffneten sie<br />
das Hotel des Hospitaliers und hauchten dem<br />
Dorf damit neues Leben ein. Die Herberge<br />
hat bis heute einen guten Ruf in der Gegend.<br />
Eine weitere Besonderheit über die Geschichte<br />
von Le Poël-Laval lernt man im<br />
Musée du Protestantisme Dauphinois, das<br />
sich mehr im unteren Teil des Ortes befindet.<br />
Historisch gehörte ein Großteil der Bevölkerung<br />
der Gegend dem protestantischen<br />
Glauben an. Noch heute befindet sich die<br />
drittwichtigste protestantische Gemeinde<br />
des Landes in dieser Ecke. Das Museum ist<br />
in einem ehemaligen Gotteshaus aus dem 17.<br />
Jahrhundert untergebracht. Es ist das einzige,<br />
neben dem von Le Collet-de-Dèze im Departement<br />
Lozère, das das Edikt von Nantes<br />
überlebte. Gezeigt werden diverse Exponate,<br />
die vom Leben der Protestanten und ihrer<br />
heimlichen Religionsausübung erzählen.<br />
Darunter eine Bibel, die man in einem Misthaufen<br />
auf einem Bauernhof versteckt fand.<br />
Als ich das Museum wieder verlasse, treffe<br />
ich zufällig eine Wandergruppe, die auf<br />
dem 1.800 Kilometer langen europäischen<br />
Wanderweg auf den Spuren der Hugenotten<br />
aus dem Dauphiné nach Bad Karlshafen in<br />
Deutschland unterwegs ist. Ich wünsche den<br />
Wanderern viel Kraft und begebe mich selbst<br />
– weniger mutig – zurück zu meinem Auto.<br />
Wieder geht es auf die D540, dieses Mal<br />
nach Dieulefit.<br />
Die Maison de<br />
la Céramique in<br />
Dieulefit. Linke Seite:<br />
In den Gassen<br />
von Le Poët-Laval<br />
sowie im Inneren<br />
des Musée du<br />
Protestantisme<br />
Dauphinois.<br />
Seite 64: Oben:<br />
Statue und Brunnen<br />
in Montélimar. Unten:<br />
Châteauneufde-Mazenc.<br />
Frankreich erleben · <strong>Juli</strong> / <strong>August</strong> <strong>2013</strong> · 67