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Nr. 46 - Juli / August 2013

Atlantikküste: Reif für die Insel(n): Ile de Ré, Ile d'Aix, Fort Boyard, Ile Madame, Ile d'Oléron Paris: Monnaie de Paris, eine Fabrik hinter königlicher Fassade Bordeaux 2.0 Toulouse: zu Besuch bei Airbus Montélimar & Umgebung: eine Reise zwischen gestern und morgen Umwelt: Lavendel der Provence in Gefahr Rezept: Gaspacho de tomates et fraises Genuss: die AOC Burgunds

Atlantikküste: Reif für die Insel(n): Ile de Ré, Ile d'Aix, Fort Boyard, Ile Madame, Ile d'Oléron
Paris: Monnaie de Paris, eine Fabrik hinter königlicher Fassade
Bordeaux 2.0
Toulouse: zu Besuch bei Airbus
Montélimar & Umgebung: eine Reise zwischen gestern und morgen
Umwelt: Lavendel der Provence in Gefahr
Rezept: Gaspacho de tomates et fraises
Genuss: die AOC Burgunds

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ist, sich öffentlich im Fernsehen in einer Fremdsprache<br />

auszudrücken, vor allem auf Englisch. Es ging deshalb<br />

um ein Tabu, das Geneviève Fioraso sicherlich nicht auch<br />

noch brechen wollte, nachdem ihr Gesetzesvorhaben die<br />

Gemüter bereits so erhitzt hatte.<br />

Allerdings hat die Ministerin hinsichtlich ihres Gesetzes<br />

nicht nur Gegner. Zwar findet es die überwiegende<br />

Mehrheit der Franzosen wichtig und anerkennenswert,<br />

dass der Staat die französische Sprache, insbesondere gegenüber<br />

der erschlagenden Dominanz des Englischen, zu<br />

schützen versucht. Gleichzeitig gibt es aber immer mehr<br />

Franzosen, die nach einem entspannteren Umgang mit<br />

Fremdsprachen verlangen. Sie wissen, dass der Wettlauf<br />

zwischen Englisch und Französisch für die eigene Sprache<br />

längst verloren ist und es keinen Sinn mehr ergibt, Französisch<br />

international auf das gleiche Niveau wie Englisch<br />

hieven zu wollen. Englisch ist nun einmal die Weltsprache<br />

geworden.<br />

Für diese Franzosen zeigt die Ministerin endlich den<br />

Mut, sich der Realität zu stellen und als ersten Schritt die<br />

Universitäten sprachlich breiter aufzustellen. Als zweiter<br />

Schritt müsste die Art und Weise, wie Fremdsprachen<br />

in Frankreichs Schulen unterrichtet werden, komplett<br />

überdacht und an moderne pädagogische Erkenntnisse<br />

angepasst werden. François Hollande sprach diese beiden<br />

Themen während seiner Wahlkampagne bereits an. Geneviève<br />

Fioraso wagte sich nun an die Umsetzung des ersten<br />

Schrittes.<br />

Dabei geht es primär noch nicht einmal darum, dass<br />

die Franzosen besser Englisch lernen sollen, sondern dass<br />

es für ausländische Studenten attraktiver wird, zum Studium<br />

nach Frankreich zu kommen. « Indien zählt über eine<br />

Milliarde Einwohner und 60 Millionen IT-Spezialisten,<br />

doch wir können nur 3.000 indische Studenten bei uns<br />

begrüßen. Das ist lächerlich », gibt die Ministerin unumwunden<br />

zu. Schließlich ist der internationale Wettbewerb<br />

um die besten Köpfe längst für alle Industrieländer eine<br />

Frage der Zukunftssicherung geworden.<br />

Die Situation an französischen Universitäten vor dem<br />

Gesetz war schon recht speziell. Das Toubon-Gesetz legte<br />

fest, dass in Frankreich ausschließlich Französisch als Unterrichtssprache<br />

zugelassen war. Ein Universitätsprofessor<br />

hatte deshalb nicht das Recht, seine Vorlesungen in einer<br />

Fremdsprache anzubieten, es sei denn, es ging um die Unterrichtung<br />

dieser Fremdsprache. Wenn ausländische Studenten<br />

nach Frankreich kommen, blieb ihnen also nichts<br />

anderes übrig, als Französisch zu lernen.<br />

Kein Wunder also, dass Frankreich im internationalen<br />

Wettbewerb ins Hintertreffen geraten ist. Ein Zustand,<br />

der nach Meinung der Hochschulministerin ein großes<br />

Handikap für die Wirtschaft des Landes darstellt. Frankreich<br />

wurde gerade von Deutschland vom vierten Platz der<br />

wichtigsten Empfängerländer ausländischer Studenten<br />

verdrängt. Frankreich kann im Wesentlichen nur noch<br />

in seinem traditionellen Einflussgebiet im Maghreb und<br />

in anderen afrikanischen Staaten punkten. Die schlauen<br />

Köpfe der aufstrebenden Mächte China, Indien und Brasilien<br />

studieren lieber woanders.<br />

Das neue Gesetz von Geneviève Fioraso soll dies nun<br />

Stück für Stück ändern. Sie geht dabei sehr behutsam<br />

vor. Zunächst werden nur zwei Ausnahmen zur aktuellen<br />

rechtlichen Situation geschaffen. So wird Englisch oder<br />

eine andere Unterrichtssprache erlaubt, wenn dies im<br />

Rahmen eines europäischen Austauschprogramms oder<br />

im Rahmen einer Vereinbarung mit einer ausländischen<br />

Bildungseinrichtung geschieht. Es geht also mitnichten<br />

darum, dass nun plötzlich alle Vorlesungen und Seminare<br />

auf Englisch abgehalten werden.<br />

Trotzdem reichte dieses Gesetzesvorhaben, das Land<br />

in Wallung zu versetzen. « Wenn wir Englisch in unsere<br />

Universitäten einziehen lassen, wenn wir zulassen,<br />

dass Englisch die einzige Sprache der Wissenschaft und<br />

der modernen Welt wird, dann wird das Französische<br />

verkümmern. Es wird zu einer banalen Sprache oder gar<br />

einer toten Sprache », erregte sich zum Beispiel Bernard<br />

Pivot, ein bekannter Journalist, Autor und Liebhaber der<br />

französischen Sprache. In die gleiche Kerbe schlug die<br />

ehrwürdige Académie Française, offizielle Hüterin der<br />

französischen Sprache: « Die Gefahren dieser Maßnahme<br />

ist die Marginalisierung des Französischen ». Außerdem<br />

drohten diverse Hochschulgewerkschaften mit Demonstrationen<br />

und Streiks.<br />

Richtig grotesk wird die Diskussion jedoch, wenn man<br />

weiß, dass es im Bildungsbereich schon längst Ausnahmen<br />

gibt. So missachten die Elitehochschulen des Landes, die<br />

Grandes Ecoles, schon längst das Verbot und bieten einen<br />

Teil der Vorlesungen und Seminare auf Englisch an, ohne<br />

dass es deshalb Probleme gibt oder sich jemand darüber<br />

erzürnt.<br />

Warum sollen Universitäten nicht das gleiche Recht<br />

dazu haben? Dies prangerte Jean-Yves le Déaut von den<br />

Sozialisten an: « Wir sind wahnsinnig heuchlerisch.<br />

An der Sciences Po, an der ich unterrichte, spricht man<br />

durchaus Englisch. Aber an den Universitäten will man<br />

das nicht zulassen. Sollen Fremdsprachen für Eliten<br />

reserviert bleiben? » Mit dieser Feststellung wurde der<br />

Kampf um die Unterrichtssprache sogar ein Kampf um<br />

Chancen gleichheit, ein Kampf zwischen den elitären oft<br />

teuren Grandes Ecoles auf der einen Seite und den für die<br />

Massen bestimmten Universitäten auf der anderen Seite.<br />

Doch diese Absurdität der aktuellen Verhältnisse<br />

ging im allgemeinen Getöse unter. Zwar wurde das Gesetz<br />

von der Hochschulministerin am 23. Mai nach einer<br />

zweistündigen leidenschaftlichen Diskussion von der<br />

Nationalversammlung verabschiedet, doch es ist zu vermuten,<br />

dass sich die Diskussion um die Bewahrung der<br />

französischen Sprache noch einige Monate in die Länge<br />

ziehen wird. Es scheint fast so, als ob das Volk und die<br />

Medien nach der hitzigen Debatte um die Gleichstellung<br />

der Homo-Ehe ein neues Thema gefunden haben, mit<br />

dem sich Traditionalisten und Modernisierer bekämpfen<br />

können.<br />

Frankreich erleben · <strong>Juli</strong> / <strong>August</strong> <strong>2013</strong> · 77

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