Nr. 46 - Juli / August 2013
Atlantikküste: Reif für die Insel(n): Ile de Ré, Ile d'Aix, Fort Boyard, Ile Madame, Ile d'Oléron Paris: Monnaie de Paris, eine Fabrik hinter königlicher Fassade Bordeaux 2.0 Toulouse: zu Besuch bei Airbus Montélimar & Umgebung: eine Reise zwischen gestern und morgen Umwelt: Lavendel der Provence in Gefahr Rezept: Gaspacho de tomates et fraises Genuss: die AOC Burgunds
Atlantikküste: Reif für die Insel(n): Ile de Ré, Ile d'Aix, Fort Boyard, Ile Madame, Ile d'Oléron
Paris: Monnaie de Paris, eine Fabrik hinter königlicher Fassade
Bordeaux 2.0
Toulouse: zu Besuch bei Airbus
Montélimar & Umgebung: eine Reise zwischen gestern und morgen
Umwelt: Lavendel der Provence in Gefahr
Rezept: Gaspacho de tomates et fraises
Genuss: die AOC Burgunds
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FRANKREICH HEUTE Hochschulpolitik<br />
Ein neues Gesetz erlaubt Englisch als<br />
Unterrichtssprache an französischen<br />
Universitäten. So, wie es in vielen anderen<br />
europäischen Ländern längst Standard ist<br />
und in Frankreichs Elitehochschulen, den<br />
Grandes Ecoles, schon seit einiger Zeit<br />
praktiziert wird. Der Vorschlag schlug im<br />
Vorfeld allerdings hohe Wellen in einem<br />
Land, das dem Englischen traditionell sehr<br />
reserviert gegenübersteht und die eigene<br />
Sprache selbst als Weltsprache ansieht. Ob<br />
Sorbonne, Académie Française, Politiker<br />
oder Journalisten, alle stritten, ob dieses<br />
Gesetz eine Gefährdung für die französische<br />
Sprache darstellt oder eine längst notwendige<br />
Anpassung an Realitäten bedeutet.<br />
Am 15. Mai ergriff der Abgeordnete Jacques Myard<br />
der oppositionellen UMP in der Nationalversammlung<br />
im Rahmen der aktuellen Fragestunde<br />
an den Premierminister das Wort. Er begann seinen Redebeitrag<br />
in zwei Sprachen, die man normalerweise nicht<br />
im französischen Parlament hört: « Herr Premierminister,<br />
ich bitte Sie um eine Frage », fing er auf Deutsch an, um<br />
dann das Gleiche sofort auf Englisch zu wiederholen:<br />
« Mister Prime Minister, I wish to ask you a question ». Ziel<br />
seiner Intervention war es, ein zu der Zeit von der Hochschul<br />
ministerin Geneviève Fioraso geplantes Gesetzes vorha<br />
ben anzuprangern, das die Verwendung von Englisch als<br />
Un ter richts sprache an französischen Universitäten erlauben<br />
soll.<br />
Wenn die einleitenden Sätze des Abgeordneten Jacques<br />
Myard zuallererst viel Gelächter auf den Bänken der<br />
Nationalversammlung hervorriefen, so zeigt dieser Vorfall<br />
auch, welch merkwürdiges Verhältnis die Franzosen gegenüber<br />
Fremdsprachen pflegen. Für diesen konservativen<br />
Volksvertreter – wie für viele seiner Kollegen – war es<br />
eine gewollte unerhörte Provokation, den Premierminister<br />
in einer anderen Sprache als Französisch anzusprechen.<br />
Schließlich legt die Verfassung des Landes in Artikel 2<br />
klar fest, dass die Sprache der Republik Französisch ist.<br />
Außerdem gibt es das Gesetz vom 4. <strong>August</strong> 1994, das<br />
als Toubon-Gesetz bekannt ist. Jacques Toubon war der<br />
damalige Minister, der es durchgesetzt hat. Das Gesetz<br />
achtet auf die Bewahrung der französischen Sprache im<br />
öffentlichen Raum und in der Verwaltung. So müssen<br />
beispielsweise englische Slogans in der Werbung ins Französische<br />
übersetzt werden. Kritiker nennen das Toubon-<br />
Gesetz spöttisch Allgood-Gesetz. Ein Wortspiel aus dem<br />
Namen Toubon und dem gleichklingenden Ausdruck tout<br />
bon (dt. alles gut), der dann ins Englische übersetzt wird.<br />
Einige Tage nach dem kleinen Eklat in der Nationalversammlung,<br />
als die Diskussion um die Sprache<br />
Shakespeares in vollem Gange war, durfte Geneviève<br />
Fioraso ihr Anliegen in einem Fernsehinterview erklären.<br />
Die Journalistin begrüßte die Ministerin dabei mit<br />
den Worten: « Good morning, thanks to be there ». Die<br />
Politikerin erwiderte auf Französisch: « Oh nein, ich spreche<br />
Französisch ». Später in der Sendung kam ein zweiter<br />
Journalist hinzu und konfrontierte Geneviève Fioraso erneut<br />
mit Englisch: « What’s the problem? You can speak<br />
in English. » Leicht genervt antwortete die Ministerin<br />
schließlich « Yes, I can », um dann aber doch wieder ins<br />
Französische zu wechseln.<br />
Man könnte aus diesem kleinen verbalen Scharmützel<br />
zwischen den beiden Moderatoren und der Politikerin<br />
schließen, dass Geneviève Fioraso die englische Sprache<br />
vielleicht nicht gut genug beherrscht, um ihre Ideen in<br />
einer Fremdsprache zu verteidigen. Wäre das nicht ein<br />
schöner Skandal? Die Frau, die das Monopol der französischen<br />
Sprache bricht, kann selbst die Fremdsprache, um<br />
die es dabei vor allem geht, nicht ausreichend gut sprechen?<br />
Das wäre allerdings eine totale Fehlinterpretation<br />
der Situation, denn Geneviève Fioraso spricht fließend<br />
Englisch. Bevor sie in die Politik ging, war sie sogar Englischlehrerin<br />
in Amiens. Das Problem lag also woanders.<br />
Die Ministerin weiß, dass es in Frankreich verpönt<br />
76 · Frankreich erleben · <strong>Juli</strong> / <strong>August</strong> <strong>2013</strong>