Griaß di´Winter: Zeit zum Träumen
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ALLGÄU HEIMATLICH | Mundart<br />
was isch huimat<br />
Es sind id bloass d’Lit und d’Bearg,<br />
die Huimat züe n’ar Huimat mached.<br />
Es zellt no viel mea züe deam groaße Weark,<br />
i deam mir jedan Dag nui verwached.<br />
Jeds Bliemle, jeda Bomm,<br />
süecht sich seal sing Huimat üs.<br />
Mecht genöu a deam Bleatz do stong,<br />
leabe und wachse vor dinam Hüs.<br />
Huimat ka ba gschpiere, schmecke,<br />
dea Oart müeß nammas Bsünders sing.<br />
Du kinntsch’n öu no blind entdecke,<br />
mags Summer oder Winter sing.<br />
(Auszug)<br />
hauses, ihres Geburtshauses, hier sind ihre Wurzeln. Stefanie<br />
Dentler ist echte Oberstdorferin und sie betont, dass sie keinen triftigen<br />
Grund erkennt, jemals woanders leben zu wollen. Sie studierte<br />
vier Jahre im fränkischen Coburg, danach aber zog es sie wieder<br />
zurück ins Allgäu, nach Sonthofen. Dort lernte sie ihren heutigen<br />
Ehemann kennen – und welch ein Zufall: Er ist gebürtiger Franke,<br />
der schon mit 18 Jahren ins Oberallgäu kam und ohnehin nur diese<br />
Einbahnstraßen-Wahl hatte: Diese Frau gibt es nur in Verbindung<br />
mit dem Allgäu als Wohnort.<br />
Ein Gefühl von Freiheit<br />
Die Region ist Stefanie Dentlers Heimat, oder Huimat, wie das in<br />
ihrem Dialekt heißt. Vor allem die Berge sind ihre große Liebe, auf<br />
die sie hin und wieder hinaufkraxelt, um das Gefühl von Freiheit,<br />
von Stärke, von innerer Ruhe und ja, von Erhabenheit zu spüren<br />
und zu meinen, für einen Moment über den Dingen zu stehen.<br />
Dort fallen ihr viele Themen ein, die sie später in den Laptop tippt.<br />
Eigentlich, meint sie und schmunzelt, wäre genau dort oben auf<br />
dem Berg der ideale Ort, um sich an einen Schreibtisch zu setzen<br />
und zu texten, zu schwärmen, zu philosophieren über das Leben,<br />
die Welt, vielleicht auch über den Tod. In dieser Huimat gibt es<br />
deshalb auch keinen triftigen Grund für sie, nicht in jenem Dialekt<br />
zu schreiben, den die Menschen dort sprechen.<br />
„Ich kann im Dialekt noch deutlicher meine Gefühle ausdrücken“,<br />
bekennt sie. Und in vielen ihrer Geschichten geht es um Gefühle.<br />
Ihre Lieblingswerke sind jene, denen Tiefgang an<strong>zum</strong>erken<br />
ist, die nachdenklich und, wenn es sein muss, auch melancholisch<br />
machen. Ihr Wunsch: „Die Zuhörer sollen gefangen sein von dem,<br />
was sie gehört haben. Vielleicht auch noch ein bisschen darüber<br />
nachdenken, wenn sie zu Hause sind.“<br />
Natürlich geht es oft um die Schätze ihrer Heimat, die Pflanzen,<br />
die Tiere, die Berge, die Seen. Und natürlich machen sich in ihrem<br />
Kopf mitunter Gedanken breit, wie es um die (heimische) Natur<br />
bestellt ist, was die Zukunft bringen mag. Sie hat klare Vorstellungen<br />
in dieser Hinsicht, gewiss, und die münden vor allem in<br />
diesem Wunsch: „Wir müssen unser kostbarstes Gut pflegen und<br />
erhalten – die Natur.“<br />
Weil sie kein Mensch ist, der gedankenlos in den Tag hineinlebt,<br />
der vieles unreflektiert und kritiklos hinnimmt, auch deshalb<br />
nimmt sie sich die <strong>Zeit</strong> und klappt regelmäßig ihren Laptop auf.<br />
Sie will andere an ihrem Gedankengut teilhaben lassen. Ja, und<br />
natürlich sollen die Besucher einer Veranstaltung auch schmunzeln<br />
und lachen. Denn ihre Gedichte sind nicht ausschließlich von<br />
Nachdenklichkeit geprägt. „Ich wünsche mir, dass die Zuhörer<br />
den Abend mit mir genießen“, sagt die Oberstdorferin.<br />
Genießen ist ein Stichwort. Wenn sie auf der Bühne steht, ist dies<br />
nicht mehr mit Schweißausbrüchen oder Herzklopfen verbunden,<br />
sondern längst mit Genuss: „Es ist schön, vortragen zu dürfen. Ich<br />
stehe gerne dort vorne.“ Vielleicht, verrät die Allgäuerin, ist das<br />
Präsentieren sogar schöner als die Arbeit am Laptop. Sie meint<br />
zwar, das solle man lieber nicht schreiben in dieser Geschichte. Wir<br />
tun es dennoch. Denn auch das passt, um sich ein Bild von Stefanie<br />
Dentler zu machen. Sie ist nicht unbedingt die geborene Bühnenfrau,<br />
die bereits im Kindesalter in die Öffentlichkeit drängte. Aber<br />
sie ist eine Frau, die sich in etwas verbeißen kann, wenn ihr eine<br />
Sache wichtig ist. Und die nach einer <strong>Zeit</strong> auch Gefallen daran finden<br />
kann.<br />
112 | <strong>Griaß</strong> di’ Allgäu