Griaß di´Winter: Zeit zum Träumen
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ALLGÄU GENIESSEN | St. Alban<br />
<strong>Zeit</strong><br />
spielt keine<br />
Rolle<br />
Es gibt Plätze im Allgäu,<br />
die liegen sehr versteckt.<br />
Wenn man sie findet, darf<br />
man sich glücklich schätzen –<br />
<strong>zum</strong> Beispiel die kleine Kirche<br />
St. Alban in Aitrang.<br />
TEXT Freddy Schissler<br />
FOTOS Mathias Wild<br />
Es gibt Leute, die steigen gerne aus den Federn, wenn es<br />
draußen noch dunkel ist. Journalisten gehören in aller<br />
Regel nicht zu diesen Menschen. Sie lassen sich eher selten<br />
von der Faszination eines Sonnenaufgangs locken.<br />
Und doch sind sie bereit, über ihren Schatten zu springen, wenn’s<br />
um den Leser geht. Wir wollten einfach mal früh morgens ohne<br />
Ziel losfahren, in der Hoffnung, dem Leser abends eine spannende<br />
Geschichte erzählen zu können.<br />
Auf der Fahrt Richtung Ostallgäu hält sich leichter Nebel und<br />
bietet im Zusammenspiel mit ersten Sonnenstrahlen ein bizarres<br />
Bild: Entschädigung fürs frühe Aufstehen. In diesem Teil des<br />
Allgäus gibt es bekannte Ziele: Neuschwanstein, Auerberg, Burg<br />
Falkenstein. Die wollen wir bewusst nicht ansteuern, sondern einen<br />
Ort abseits des Rampenlichts entdecken, einen wirklichen<br />
Geheimtipp. Weshalb wir nach ein paar Minuten die Bundesstraße<br />
verlassen. Irgendwann passieren wir das Ortsschild Aitrang.<br />
Dort folgen wir einer kleinen Straße nach Görwangs, die sich<br />
einen Hügel hinaufzieht und schließlich zur Kastanienallee wird.<br />
Dann endet sie plötzlich. Also das Auto abstellen – und wir sehen<br />
eine Kirche, die sich St. Alban nennt.<br />
Große Anziehungskraft<br />
Der Nebel hat sich aufgelöst. „Herrliche Aussicht, gell?“ Der<br />
Gesprächspartner steht plötzlich da, man hat ihn nicht kommen<br />
gehört. Ein Mann über sechzig, bekleidet mit Turnschuhen und<br />
Jeans, denen Hosenträger einen Halt geben. Die Haare hat er <strong>zum</strong><br />
Zopf gebunden. Wir stimmen ihm zu und er stellt sich als Harald<br />
Probst vor, der Mesner. Irgendwie passt er zu dieser Kirche, die<br />
in keinem Hochglanzprospekt Platz findet, die aber große Anziehungskraft<br />
besitzt. Ob die Kirche geöffnet ist, wollen wir wissen<br />
und Probst lächelt, als er antwortet: „Natürlich und man kann so<br />
lange bleiben, wie man will.“<br />
72 | <strong>Griaß</strong> di’ Allgäu