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Griaß di´Winter: Zeit zum Träumen

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ALLGÄU ENTDECKEN | Schalenggen<br />

Zur Geschichte<br />

∙ Im Pfrontener Ortsteil Kappel beschlossen Mitte der<br />

70er Jahre junge Männer, einen Brauch aufleben zu lassen.<br />

Sie holten alte Schalenggen aus ihren Stadeln und trafen<br />

sich 1976 am Faschingsdienstag. Bei diesem Treffen<br />

wurde beschlossen, am 19. Februar 1977 das<br />

„1. Allgäuer Schalengge Rennen“ in Pfronten-Kappel<br />

auf die Beine zu stellen (73 Teilnehmer).<br />

∙ Die Jahre danach stieg die Teilnehmerzahl rasant an –<br />

von 128 Anmeldungen im Jahr 1978 bis zu<br />

271 Anmeldungen im Jahr 1981.<br />

∙ Seit Langem findet das Schalenggenrennen in<br />

Pfronten-Kappel jedes Jahr am Faschingssamstag statt.<br />

Es ist das bekannteste Schalenggenrennen im Allgäu und<br />

verspricht Spaß für die ganze Familie.<br />

∙ Zugelassen sind nur „Original Schalengge“.<br />

Großvater, einem Wagnermeister, gerne über die Schulter.<br />

Er fertigte auch Schalenggen auf traditionelle Art.<br />

Und seit ein paar Jahren eben auch der Enkel. Sein Gesellenbrief<br />

als Schreiner hängt in der Werkstatt. Heute arbeitet er<br />

hauptberuflich als Hausmeister, und seine Liebe <strong>zum</strong> Holz lebt<br />

er als Kunsthandwerker aus. Auf dem Hof lagern jede Menge alte<br />

Hölzer, daraus entstehen kunstvolle Skulpturen – und eben auch<br />

Schalenggen.<br />

Elf hölzerne Einzelteile<br />

Die Arbeitsschritte in <strong>Zeit</strong>raffer: Rund 40 Arbeitsstunden<br />

braucht er, bis eine originale Schalengge fertig ist – auch wenn die<br />

gerade Mal aus elf hölzernen Einzelteilen besteht. Konstruktion<br />

und Herstellung sind aber eine Wissenschaft für sich. Zunächst<br />

zeichnet der Pfrontener nach alten Vorlagen die Schnittführung<br />

auf sorgfältig ausgesuchtes, zwei Jahre abgelagertes Holzbrett<br />

aus Esche, was mal zu den Kufen und Hörnern werden soll: Aus<br />

diesem „Laden“ Eschenholz sägt er zehn dünne Latten in der passenden<br />

Länge. Die werden ein ums andere Mal gehobelt. Dann<br />

trägt er Leim auf die Latten auf, fügt sie zusammen, spannt sie<br />

mit Zwingen um eine Schablone. So kommen die Kufen in ihre<br />

typische Form.<br />

Nun werden zwei uerverstrebungen („Emnater“) ebenfalls<br />

aus Eschenholz zugeschnitten. Es wird immer wieder gehobelt,<br />

es werden Phasen gefräst. Er schneidet mit der Kreissäge vier<br />

„Beinlinge“ zurecht, die später die uerteile und aus Fichte zwei<br />

sogenannte „Stengele“ zusammenhalten werden. Er bohrt Löcher<br />

für die Zapfen hinein, auch die müssen zuvor sehr sorgfältig<br />

gearbeitet sein. Nur wenn der Schlittenbauer Reichart ganz penibel<br />

und millimetergenau arbeitet, wird die Schalengge die nötige<br />

Stabilität bekommen. Weder Nägel, noch Kleber kommen <strong>zum</strong><br />

Einsatz. Zum Schluss sind nur ein paar Handgriffe nötig, um die<br />

Einzelteile zusammenzustecken. So wie früher.<br />

Unverzichtbare Vehikel<br />

Fotos (3): Ralf Lienert<br />

Zu früheren <strong>Zeit</strong>en waren diese speziellen Schlitten keine Gaudi-<br />

Gefährte, sondern nützliche, unverzichtbare Vehikel, um Bergheu<br />

und Brennholz, das im Sommer auf den Alpen hergerichtet<br />

und gelagert wurde, im Winter ins Tal zu transportieren. Das<br />

war eine beschwerliche und auch gefährliche Arbeit, kräftige<br />

Männer (Fahrer und Helfer) waren stark gefordert. Bis zu vier<br />

Fahrten muteten sie sich täglich zu.<br />

Die Hörnerschlitten, schwer beladen und noch schwerer zu steuern,<br />

nahmen oft allzu rasante Fahrt auf, es kam nicht selten zu<br />

Unfällen. Abends waren sie froh, wenn sie sagen konnten: „Guat<br />

isch gange, koi Schalengge isch hee woare.“<br />

In den Regeln des Kappeler Schalenggar-Vereins, der dieses<br />

spezielle Allgäuer Brauchtum mit viel Engagement seit 1977<br />

pflegt, heißt es: „Sollte bei der Abfahrt einer Mannschaft die<br />

94 | <strong>Griaß</strong> di’ Allgäu

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