Griaß di´Winter: Zeit zum Träumen
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ALLGÄU SPORTLICH | Gleitschirm-Abenteuer<br />
Landschaften mit besonderer Atmosphäre sahen Andi Egger (Foto links) und Robert Blum auf ihrer Tour 2018, die sie nach Aserbaidschan und Georgien<br />
führte. Und die beiden machten interessante Bekanntschaften mit Einheimischen, die sie nicht so schnell vergessen werden.<br />
In der Luft werden sie durchgeschüttelt, sind gefangen in<br />
dichtem Nebel, der selbst kleine Talquerungen zur Herausforderung<br />
macht, da die nötige Höhe nicht erreicht werden kann. Immer<br />
wieder stoßen die Freunde an die eigenen Grenzen: Zum Beispiel<br />
als Blitz und Donner die Flieger zur Landung zwingen und<br />
sie durchnässt Zuflucht in einer Höhle suchen. Mit starkem Wind<br />
aus falscher Richtung warten sie oberhalb einer 15 Kilometer langen<br />
Schlucht und ungezählten Bäumen auf den richtigen Moment<br />
<strong>zum</strong> Starten. Einsam am Hang, irgendwo im Nirgendwo.<br />
„Mit klopfendem Herzen ging mir alles durch den Kopf:<br />
Baumlandung, Hanglandung oder dass der Schirm zusammenfällt“,<br />
erzählt Robert Blum mit dem entsprechenden zeitlichen<br />
Abstand. Aber damals, als sie gleichzeitig ihre Schirme in den<br />
Himmel ziehen, heben beide Flieger ab und schweben hoch in die<br />
Lüfte. Verschnaufpause, bis Wolken die Navigation stören und<br />
durchflogen werden müssen.<br />
Ein anderes Mal schießen die beiden Abenteurer mit einem<br />
plötzlichen Abwind 1500 Höhenmeter in die Tiefe. Der Boden<br />
kommt immer näher. In letzter Sekunde finden beide eine Landemöglichkeit<br />
am Hang und bleiben unversehrt. Es ist dort so<br />
steil, dass sie Probleme haben, die Ausrüstung zusammen zu packen.<br />
Ausgelaugt wandern sie über Fels und Gras nach oben und<br />
sammeln Beeren im Wald. Ein Festmahl zur Suppe, die es jeden<br />
Abend gibt, wenn sie nicht von hilfsbereiten Hirten <strong>zum</strong> Essen<br />
und Übernachten eingeladen werden.<br />
Auch zu Fuß gibt es auf ihrer Tour unheimliche Momente. So<br />
steigen sie eines Tages entlang spärlicher Hufspuren im Nebel einen<br />
Berg hinauf und stolpern über etwas, das im Gras liegt – drei<br />
Gewehre. Dann vernehmen sie das Wort „Gamartschopar“. Was<br />
soll das heißen? Etwa „Hände hoch“ Oder „Keine Bewegung“?<br />
Nein, Glück gehabt. Es bedeutet „Guten Tag“ – die Allgäuer werden<br />
von Einheimischen begrüßt.<br />
Polizei fordert Genehmigung<br />
Weniger freundlich wird‘s, als sie wieder einmal wegen schlechter<br />
Thermik an einer Hütte landen müssen. Dort fordert die<br />
Grenzpolizei eine Genehmigung, die sie nicht besitzen und zieht<br />
ihre Pässe ein. Ob die beiden Allgäuer dieses Land jemals wieder<br />
verlassen dürfen? Zwei Stunden der Ungewissheit, dann erhalten<br />
sie ein Dokument, das es ihnen erlaubt, sich im Grenzgebiet zu<br />
Russland aufzuhalten. Im letzten Abendlicht starten sie wieder<br />
und finden Aufwind, mit dem sie <strong>zum</strong> nächsten Gipfel gleiten.<br />
Eine Reise mit Grenzgängen und voll magischer Momente.<br />
Magisch ist auch ein Flug übers Allgäu. Wir blicken auf den<br />
Eissee und segeln nach eineinhalb Stunden zurück in Richtung<br />
Oberstdorf – langsam und ruhig, bis mir Robert Blum die Steuerleine<br />
in die Hand drückt und unser Schirm wie ein Kuhschwanz<br />
wackelt. Er erklärt mir das Handling und was ich nicht tun soll:<br />
gleichzeitig ruckartig nach unten ziehen. Was dann passiert?<br />
Der Pilot zeigt es. Plötzlich klappt die Hälfte des Schirms über<br />
unseren Köpfen zusammen. Robert Blum hantiert gelassen an<br />
den Schnüren herum und der Schirm entfaltet sich wieder. Kurz<br />
vor der Landung neben der Oybele Halle in Oberstdorf wird’s<br />
150 | <strong>Griaß</strong> di’ Allgäu