Griaß di´Winter: Zeit zum Träumen
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Faszination Schnee | ALLGÄU ENTDECKEN<br />
GEWÜNSCHT & VERFLUCHT<br />
Vom Himmel hoch<br />
Ob Weihnachten weiß oder grün wird, ist in den Medien<br />
fast so etwas wie eine Schicksalsfrage der Nation. Was die<br />
Menschen am Schnee fasziniert? Wir versuchen, Antworten<br />
zu geben. Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille.<br />
TEXT Michael Munkler | FOTOS Matthias Becker<br />
Super-Schnee: So heißt der Saison-Skipass in der Region,<br />
den es seit einigen Jahren gibt. Er ist in fast allen Allgäuer<br />
Skigebieten, im Kleinwalsertal und in den Tannheimer<br />
Bergen gültig. Super-Schnee: Den gab es vergangenen<br />
Winter überall im Allgäu. Manchen war es fast zu viel, was Frau<br />
Holle aus den Wolken schüttelte. So viel Schnee hatte es zwischen<br />
Bodensee und Königsschlössern seit vielen Jahren nicht mehr gegeben.<br />
Winterfreunde hatten daran viel Spaß und monatelang<br />
beste Pistenverhältnisse.<br />
Doch was ist es eigentlich, was viele Menschen am Schnee so<br />
fasziniert? Es sind Kindheitserinnerungen, einerseits: Sehnsüchtig<br />
schauten wir aus dem Fenster, verfolgten das Tanzen der<br />
Schneeflocken, freuten uns, wenn die Landschaft allmählich weiß<br />
wurde und der Schlitten endlich aus dem Keller geholt werden<br />
konnte. Schnee zur rechten <strong>Zeit</strong> übt eine ungeheure Faszination<br />
auf die meisten Menschen aus, auch auf viele Erwachsene. Ob<br />
Weihnachten weiß oder grün wird, ist in den Medien alljährlich<br />
fast so etwas wie eine Schicksalsfrage der Nation.<br />
Die verschneite Landschaft scheint uns etwas von dem zu<br />
schenken, was viele Menschen heute vermissen: Ruhe <strong>zum</strong> Beispiel.<br />
Selbst der Lärm der Straße oder der Bahnstrecke wird bei<br />
Schnee gedämpft. Je mehr von der weißen Pracht liegt, desto höher<br />
ist die schalldämpfende Wirkung.<br />
Schnee verschönert nicht nur die Landschaft, sondern ist andererseits<br />
vor allem auch ein Wirtschaftsfaktor. Zu Beginn eines jeden<br />
Winters wünschen sich die Touristiker im Alpenraum möglichst<br />
viel von der weißen Pracht. Und alles deutet darauf hin,<br />
dass mit der zunehmenden globalen Erwärmung die Tage mit<br />
Schneedecke auch im Alpenraum seltener werden. In dieser Einschätzung<br />
sind sich inzwischen alle Klimaforscher einig. Bereits<br />
heute ist die Zahl der Tage mit Schneedecke im Flachland gegenüber<br />
vor 20 oder 30 Jahren ganz erheblich zurückgegangen.<br />
Johannes Kepler, Astronom und Mathematiker am Hof von<br />
Rudolf II. in Prag, hat es in einem Brief im Winter des Jahres<br />
1600 auf den Punkt gebracht, in dem er sich mit Schneekristallen<br />
beschäftigte: „Ei, beim Herakles, das ist ja ein Ding, kleiner als<br />
ein Tropfen, dazu von regelmäßiger Gestalt …“. Gemeint hatte<br />
er die einzelne Flocke.<br />
Bereits seit vielen Jahrhunderten wissen die Menschen, dass<br />
die aus vielen Kristallen bestehenden weißen Flocken sich<br />
<strong>Griaß</strong> di’ Allgäu | 87