SPIEGEL START 01/2021
Das Magazin für Uni und Arbeit SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre. Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund. Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.
Das Magazin für Uni und Arbeit
SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre.
Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund.
Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.
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STUDIUM UND BERUFSEINSTIEG
»Auch wenn man vor allem
auf dem Sofa lag,
hat man daraus etwas gelernt«
Warum man die Coronapandemie auf keinen Fall als Lücke
im Lebenslauf betrachten sollte, erklärt Vera Pilkuhn,
Laufbahnberaterin und Dozentin an der FH des Mittelstands in Köln.
INTERVIEW SUSAN DJAHANGARD
SPIEGEL: Frau Pilkuhn, Sie unterstützen junge Menschen
bei der Suche nach dem ersten Arbeitsplatz. In der
Pandemie wurden aber gerade Stellen für Einsteiger:in -
nen oft gestrichen. Können Sie da überhaupt helfen?
PILKUHN: In manchen Branchen ist es durch die Pandemie
sehr schwierig geworden, Stellen zu finden, das stimmt. Aber das
ist nicht das größte Problem. Die meisten, die zu mir kommen,
kämpfen damit, dass ihre Pläne dahin sind. Einige wollten zum
Beispiel Praktika im Ausland machen. Das ging nicht, und dann
standen sie plötzlich ohne Plan B da. Das ist eine enorme psychische
Belastung, gerade wenn man sowieso schon in einer Umbruchsituation
steckt, weil das Studium oder die Ausbildung zu
Ende geht und man ins Berufsleben startet. Da geht es dann darum,
einen neuen Plan zu entwickeln.
SPIEGEL: Wie geht man damit um, wenn man nicht
sofort auf einen solchen Plan B kommt? Man soll
schließlich keine Lücke im Lebenslauf haben, heißt es.
PILKUHN: Mich hat diese Lückendiskussion schon immer
gestört. Das Hauptziel ist doch nicht, permanent beschäftigt zu
sein. Man nimmt aus jeder Zeit etwas mit. Auch wenn man in
den ersten Monaten der Pandemie vor allem auf dem Sofa lag,
hat man daraus etwas gelernt: vielleicht nur, dass man nicht der
Typ ist, der besonders schnell mit ungewöhnlichen Situationen
umgehen kann. Aber auch das bringt einen weiter. Das Wichtigste
ist, dass man wohlwollend auf sich selbst blickt und sich nicht
noch mehr stresst. Vielleicht war die Pandemie auch eine richtig
gute Zeit, weil man so viel schlafen konnte wie nie zuvor – oder
nach dem Stress mit der Abschlussarbeit endlich diese eine neue
Serie schauen konnte.
SPIEGEL: Aber das kann man doch in einem
Bewerbungsgespräch so nicht sagen.
PILKUHN: Natürlich würde ich nicht empfehlen, vor allem
über gute Serien zu sprechen, wenn man sich bei einem
Arbeit geber vorstellt. Aber man kann plausibel vermitteln,
dass die Pandemie eine Herausforderung für uns alle war, und
zeigen, dass man damit selbstreflektiert umgeht. Ich glaube, da
hat uns diese Krise ganz erheblich vorangebracht: Weil sie eine
solche Aus nahmesituation war, haben wir uns alle besser kennengelernt.
Und in einem Team beispielsweise braucht man beides
– Menschen, die sehr schnell reagieren, und solche, die erst
mal nachdenken.
SPIEGEL: Gibt es weitere Punkte, die man in
den Shutdowns vielleicht gelernt hat und die man
in einem Bewerbungsgespräch nennen kann?
PILKUHN: Einige. Das, worüber wir gerade gesprochen
haben, fällt ja in den Bereich Resilienz: auf sich selbst aufpassen
zu können, zu wissen, was einem guttut und was nicht. Die Pandemie
war auch ein Crashkurs in Selbstorganisation und Selbstmotivation.
Alle mussten lernen, weiterzumachen – ohne Seminare
in der Uni vor Ort, ohne Fitnessstudio oder Lerngruppe.
Wenn man es da etwa geschafft hat, regelmäßig Sport zu machen
oder online Gitarre zu üben, ist das eine großartige Leistung! Das
kann man ruhig so erzählen. Und wir haben alle unsere Flexibilität
trainiert, das wurde ja schon vor Corona auf dem Arbeitsmarkt
immer wichtiger. Statt in der Uni oder der Berufsschule hat man
eben von zu Hause aus gelernt.
SPIEGEL: Sie haben gar nicht erwähnt, dass Corona
uns alle digitaler gemacht hat.
PILKUHN: Man kann natürlich auch betonen, mit welchen
Programmen man jetzt besonders sicher ist, klar. Aber die meisten
jungen Menschen konnten auch vorher schon gut digital arbeiten.
Ich glaube, da haben vor allem Ältere einen Sprung gemacht.
SPIEGEL: Das klang jetzt alles sehr positiv, aber wir
sprechen nun mal über eine weltweite Krise. Was,
wenn man gerade nicht selbstbewusst in Bewerbungsgespräche
gehen kann, weil man einfach verunsichert
ist nach diesen anderthalb Jahren?
PI LKUHN: Das Wort Selbstbewusstsein bedeutet ja, sich
über sich selbst bewusst zu sein. Es hilft also, sich vorher Fragen
zu stellen und die Antworten aufzuschreiben: Was kann ich richtig
gut? Und was will ich im Leben? Welche Werte sind für mich
wichtig? Was habe ich während der Pandemie gemacht? Und was
würde ich anders machen, wenn ich so eine Krise noch mal erlebe?
Diese Fragen kann man auch Freund:innen und in der Familie
stellen. Wenn man das für sich sortiert hat, kann man viel selbstbewusster
in ein Bewerbungsgespräch gehen.
SPIEGEL: Und wenn man gerade einfach keinen Job
findet?
PILKUHN: Dann sollte man unbedingt den Markt und die
eigene Branche analysieren, um herauszufinden, wo gesucht wird.
Dafür kann man Podcasts hören, oder man liest einfach sehr viele
Stellenanzeigen. Und ich empfehle, nach den positiven Beispielen
zu suchen: die eine Kommilitonin, die gerade eine Festanstellung
bekommen hat, oder der eine Freund, der aus dem Praktikum
übernommen wurde. Die gibt es ja weiterhin! Es wurden trotz
Corona viele neue Jobs vergeben und Menschen neu eingearbeitet.
Wenn man da jemanden kennt, kann man nachfragen: Wie hast
du das geschafft? Davon kann man sich etwas abschauen.
14 SPIEGEL START Nr. 1 / 2. 10. 2021