SPIEGEL START 01/2021
Das Magazin für Uni und Arbeit SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre. Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund. Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.
Das Magazin für Uni und Arbeit
SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre.
Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund.
Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.
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POLITIK, WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT
»Je billiger,
desto weniger
nachhaltig«
Philip Heldt, Modeexperte der
Verbraucherzentrale NRW,
über die Grenzen des Recyclings und
vernünftige Konsumstrategien
INTERVIEW SIMON BOOK
SPIEGEL: Herr Heldt, woher kommt der enorme
Secondhandboom, den wir gerade erleben?
H ELDT: Das hat viel mit einem gesteigerten Umweltbewusstsein
der Kund:innen zu tun. Das Thema Nachhaltigkeit wird
vielen immer wichtiger. Und es wird immer leichter, solche Mode
einzukaufen: Es gibt analoge und digitale Kleidertauschbörsen,
auch als Normalverdiener kann ich heute in Kleiderkammern gehen.
Natürlich hat das Internet das Ganze noch befeuert, da springen
nun die großen Marken auf.
SPIEGEL: Nachhaltige Mode von großen Konzernen –
geht das denn überhaupt?
H ELDT: Es gibt einige Bemühungen in der Industrie und
ein paar Siegel, die wirklich nachhaltige Mode kennzeichnen. Wir
halten da das »IVN Best« oder das »GOTS« für empfehlenswert.
Auch der »Grüne Knopf«, das Siegel der Bundesregierung, entwickelt
sich immer weiter. Generell gilt, dass es umso weniger nachhaltig
wird, je billiger die Kleidung ist. Einfach weil dann oft die
Ausgangsqualität der Stoffe schon so gering ist, dass sie sich kaum
wiederverwerten lassen.
SPIEGEL: Ist nachhaltige Fast-Fashion also eine Lüge?
HELDT: Nein. Dass Kleidung heute mehr Recyclinganteile
enthält oder Teile wiederverkauft werden, ist unstrittig. Aber die
Menge ist zu gering. Wenn es der Industrie ernst wäre, müsste sie
die Qualität ihrer Produkte hochschrauben, also etwa die der
Baumwollfasern. Da geht es vor allem ums Design. Auch bei der
Frage, wie gut Textilien reparierbar sind, ist noch viel Luft nach
oben. Da ist kaum Bewegung, und da muss man die Ambitionen
der großen Ketten stark hinterfragen.
SPIEGEL: Was können Kund:innen tun?
H ELDT: Schlechte von guten Neutextilien zu unterscheiden
ist relativ schwierig. Das ist von außen meist kaum sichtbar. Auch
bei den Werbeversprechen, wie viel wiederverwertet wird, sollte
man sich nicht auf die Industrie verlassen. Das ist alles viel zu
undurchsichtig. Es ist absehbar, dass mit neuen Textilien immer
eine höhere Marge gemacht wird als mit alten. Der Markt wird es
deshalb nicht richten. Wir brauchen dringend politische Vorgaben,
was in einer Welt mit begrenzten Ressourcen machbar ist. Ein
Gesetz also, wie es die EU in ihrer Textilrichtlinie plant. Darin soll
es Vorgaben geben zur Recyclingfähigkeit oder Reparierbarkeit
von Kleidung. Diese Ökodesign-Richtlinie wird aber noch Jahre
brauchen.
SPIEGEL: Und bis dahin?
HELDT: Da gilt es, den eigenen Konsum zu hinterfragen:
Wer wirklich die Umwelt unterstützen will, der findet in unserer
Überflussgesellschaft alle Textilien auch secondhand. Für die Natur
spielt es dabei keine Rolle, ob ich Secondhandbekleidung bei der
Diakonie, bei H&M oder im Secondhandladen im Viertel kaufe.
Wichtig ist, dass wir uns möglichst wenig neue Kleidung zulegen.
SPIEGEL: Also alles nur noch gebraucht?
HELDT: Es spricht nichts dagegen, auch mal etwas Neues
zu kaufen, gerade Basics wie Unterwäsche oder T-Shirts. Aber
insgesamt weniger zu kaufen ist das, was man tun sollte, ja. Deshalb
halte ich auch Tauschbörsen mit Freund:innen und Verwandten
für eine gute Idee. 20 bis 40 Prozent der Textilien, die wir haben,
benutzen wir so gut wie nie. Warum gibt man sich die nicht
untereinander weiter? Auch das professionelle Leihen ist eine gute
Möglichkeit, gerade wenn es um Stücke geht, die man nicht jeden
Tag braucht: ein Hochzeitskleid oder einen Skianzug. Aber auch
hier ist das Maß gefragt. Sich jede Woche einen neuen Pullover
zu borgen, um in einer Woche möglichst viele Farben zu tragen,
ist bestimmt nicht der richtige Weg.
50 SPIEGEL START Nr. 1 / 2. 10. 2021
Foto: Britt Erlanson / Getty Images