SPIEGEL START 01/2021
Das Magazin für Uni und Arbeit SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre. Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund. Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.
Das Magazin für Uni und Arbeit
SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre.
Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund.
Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
STUDIUM UND BERUFSEINSTIEG
Eltern in einem Haushalt lebte. »Hätte ich dieses Umfeld
nicht gehabt, ich wäre wohl verrückt geworden.«
Forscher:innen der Universität Hildesheim haben
bereits im Sommer 2020 bundesweit mehr als 2000
Studierende zu ihrem Studienalltag in der Pandemie
befragt. Fast alle beklagten den Wegfall des sozialen
Austauschs: 79 Prozent der Befragten vermissten das
Campusleben, 82 Prozent fehlte der direkte Kontakt
zu anderen. Bei einer Neuauflage der Befragung im
Sommer 2021 stiegen die Werte sogar noch leicht, auf
jeweils mehr als 84 Prozent. Zwei Studien der Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
ergaben zudem, dass sich in vielen Ländern
junge Erwachsene besonders einsam fühlten – und infolgedessen
überdurchschnittlich oft an Depressionen
oder Angststörungen erkrankten.
Martin Adam sagt, er habe viele dieser Studien
gekannt, als er im vergangenen Sommersemester an
der TU Darmstadt die Masterveranstaltung »Wohlbefinden
verbessern mit Data Analytics« startete. Adam
hat in Wirtschaftsinformatik promoviert und habilitiert
nun im Fachgebiet Information Systems und Electronic
Services. Auf die Idee, sich mit den Themen Glücklichsein
und mentaler Gesundheit zu beschäftigen, sei
er durch die Vorlesungen der US-amerikanischen Psychologieprofessorin
Laurie Santos gekommen. Die hatte
mit ihrem Kurs über die »Wissenschaft des Wohl -
Studentin Mol,
Töchter:
»Sogar meine
Noten sind besser
geworden«
befindens« in den vergangenen Jahren mehrere Tausend
Studierende begeistert. In der Pandemie wurde
die Aufzeichnung des Kurses auf der ganzen Welt mehr
als eine Million Mal geklickt – und damit zum gefragtesten
Onlineangebot in der 300-jährigen Geschichte
der Yale University.
»Dass Angebote zur mentalen Gesundheit gefragt
sind, wusste ich: Das Thema liegt im Trend«, sagt
Adam. »Viele junge Menschen fragen sich, was sie
glücklich macht und was ihrem Leben einen Sinn verleiht
– gerade in Zeiten, in denen durch die Pandemie
der gewohnte Alltag und viele soziale Kontakte von
jetzt auf gleich weggebrochen sind.« Der 30-Jährige
rechnete dementsprechend mit Interesse vonseiten der
Studierenden – wie stark dieses sein würde, ahnte er
allerdings nicht. »40 Teilnehmende hätten mich schon
sehr gefreut, 80 wären ein enormer Erfolg gewesen«,
sagt er, »am Ende waren es fast 120.« Darunter seien
nicht nur angehende Wirtschaftsinformatiker:innen
gewesen, sondern auch Studierende aus Fächern wie
BWL, Pädagogik und Psychologie.
Auch an anderen Hochschulen gewinnt das Thema
Wohlbefinden offenbar an Bedeutung. Das Studierendenwerk
der Universität Heidelberg etwa eröffnete
im Februar dieses Jahres ein Referat gegen Einsamkeit.
Werden Hochschulen künftig also mehr sein als reine
Orte der Wissensvermittlung? Werden Lehrende die
psychische Gesundheit ihrer Studierenden ebenso im
Blick haben wie die Inhalte der nächsten Vorlesung?
Dozent Martin Adam kann sich gut vorstellen,
dass das Thema Wohlbefinden an Universitäten künftig
an Relevanz gewinnen wird. »Die psychische Gesundheit
der Studierenden ist durch die Pandemie
mehr in den Fokus gerückt«, sagt er. Und auch Betty
Lohmeyer hat das Gefühl, dass die einst floskelhafte
Frage »Wie geht es dir?« in den vergangenen Monaten
an Ernsthaftigkeit gewonnen hat. »Man interessiert
sich plötzlich mehr füreinander«, sagt sie. Dadurch sei
es leichter geworden, offen zu sagen, wenn es einem
mal nicht gut gehe. Eine Art neue Ehrlichkeit also. Die
will Lohmeyer sich bewahren – nicht zuletzt für ihre
Arbeit in der Politik.
Die Pandemie hat das Leben und den Alltag von
knapp drei Millionen Studierenden auf den Kopf gestellt.
Vieles, was in den vergangenen anderthalb Jahren
passiert ist, war gewöhnungsbedürftig, einiges anstrengend
und manches schlichtweg nicht zumutbar.
Doch nicht alles – das kann man rückblickend sagen –
war schlecht. Ob die Onlinelehre von jetzt an ein fester
Teil der Vorlesungsverzeichnisse sein wird, ob Studierende
künftig mehr gehört werden, auch weil sie sich
lauter zu Wort melden, ob an den Hochschulen bald
wirklich mehr aufeinander geachtet wird – all das wird
sich in den kommenden Semestern zeigen. Fest steht:
Corona hat einen Anstoß für Veränderungen gegeben,
die zum Teil längst überfällig waren. Fest steht auch:
Die Pandemie hat Studierenden gezeigt, zu welchen
Leistungen sie in einer Ausnahmesituation fähig sind.
Und das ist eine Erfahrung, die ihnen auch nach dem
Hochschulabschluss helfen wird.
SCHREIB UNS
Welche Erfahrungen hast du in der Pandemie
an der Uni gemacht? Was hat dich gestört
und belastet – und was lief gut? Schreib uns:
spiegel-start@spiegel.de
Nr. 1 / 2. 10. 2021 SPIEGEL START 15