05.10.2021 Aufrufe

SPIEGEL START 01/2021

Das Magazin für Uni und Arbeit SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre. Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund. Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.

Das Magazin für Uni und Arbeit

SPIEGEL START ist der Begleiter für Studierende auf ihrem Weg zum ersten Job und richtet sich an junge Leute unter 30 Jahre.

Bei SPIEGEL START steht der Mensch im Mittelpunkt: Themen wie z.B. Partnerschaft und Familie, Arbeitswelt, das Erreichen individueller Ziele und Lebensträume stehen im Vordergrund.

Die erste Ausgabe erscheint am 02.10.2021. Ab 2022 erscheint SPIEGEL START vier Mal im Jahr.

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»Secondhandkonzepte bieten neue Umsatzmöglichkeiten, sonst

wäre das für Konzerne wie Zalando oder About You nicht relevant«,

sagt Christina Käßhöfer, die als Unternehmensberaterin

im Mode- und Einzelhandel und als Aufsichtsrätin für Gerry Weber

International arbeitet. Tatsächlich boomt das Secondhandgeschäft

vor allem in Europa und den USA, während der konventionelle

Modemarkt seit Jahren lahmt. 2019 wuchs der weltweite Markt

mit dem Wiederverkauf von Mode – kurz »Resale« – 25-mal

schneller als der konventionelle Mode-Einzelhandel, zeigt der Resale

Report 2020 des amerikanischen Secondhandhändlers Thred

Up, der sich auf Angaben des Handelsdatenanalysten Global Data

stützt.

Der Report zeigt auch: Selbst in der Coronakrise läuft das

Online-Secondhandgeschäft. Es legte demnach um 27 Prozent zu,

während der Mode-Einzelhandel um 23 Prozent schrumpfte. Zwar

ist das noch ein Wachstum aus der Nische: Der Secondhandmarkt

hatte 2019 ein Volumen von rund 28 Milliarden US-Dollar – während

Retail insgesamt bei 392 Milliarden Dollar lag. Doch in den

nächsten fünf Jahren werde sich der Secondhandmarkt auf 64 Milliarden

US-Dollar mehr als verdoppeln, prophezeien die Expert:innen.

Bis zum Ende des Jahrzehnts werde der »Resale«-Markt

sogar Fast Fashion überholt haben.

Der Boom geht einher mit einem Gesinnungswandel: Secondhand

wird salonfähig. Was früher als muffig galt, wird heute

in cleanen Onlineshops präsentiert. Gerade wer jung ist und nicht

im Geld schwimmt, kauft oft ohne Berührungsängste bereits getragene

Kleidung, mischt Altes mit Neuem, Vintage-Fundstücke

mit Fast-Fashion-Basics. Die Zielgruppe ist online-affin, zwischen

Anfang zwanzig und Mitte dreißig und findet auf den Secondhandportalen

schnell, was sie sucht – anstatt

sich durch schlecht sortierte Klamottenberge auf

dem Flohmarkt wühlen zu müssen. Aber auch

quer durch alle Bevölkerungsschichten legt der

Markt zu: Zwei Drittel der Frauen in Deutschland

haben angeblich bereits getragene Kleidung

gekauft, wie der »Ubup Secondhand Fashion

Report 2020« berichtet.

Von diesem wachsenden Markt wollen die

Modekonzerne nun ihr Stück abhaben. Bislang

dominieren in Deutschland spezialisierte Onlinehändler

wie Vinted, Momox oder Rebelle.

Vinted ist der Mutterkonzern von Secondhandplattformen

wie Kleider- oder Mamikreisel, die

seit dem Rebranding im Herbst 2020 nur noch

unter Vinted laufen. 2008 in Litauen gegründet,

hat Vinted inzwischen mehr als 45 Millionen registrierte Mitglieder

in Europa und den USA. Bei der letzten Finanzierungsrunde in

diesem Jahr sammelte Vinted weitere 250 Millionen Euro ein, der

Unternehmenswert stieg auf 3,5 Milliarden Euro.

Auch Momox, eigenen Angaben zufolge Deutschlands Recommerce-Marktführer,

steigerte 2020 seinen Umsatz um satte

25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – auf 312 Millionen Euro.

Und übererfüllte damit sein Umsatzziel. Die am stärksten wachsende

Kategorie »Fashion« schaffte trotz Coronakrise ein Plus

von 47 Prozent. Das Geschäft, früher unter der Tochtermarke

Ubup, läuft seit Januar unter Momox fashion.

Während Vinted und Momox mit mittelpreisigen Marken

die breite Masse anspielen, haben sich Onlinefirmen wie Rebelle

aus Hamburg oder Vestiaire Collective auf Luxus-Secondhand

spezialisiert. Denn mit Gebrauchtem von Gucci und anderen Edelmarken

lässt sich besonders viel Geld verdienen.

»Die Pandemie hat sowohl die Digitalisierung als auch das

Thema Nachhaltigkeit verstärkt – davon profitieren wir eindeutig«,

sagt Heiner Kroke, Geschäftsführer von Momox. Seit Jahren waren

dies Trends, doch in diesem Jahr kauften Konsument:innen

weltweit und auch in Deutschland sehr viel stärker online ein.

Und auch im Corona-Jahr hat die Sorge um den Planeten eher zugenommen,

was sich auch im aktuellen Kaufverhalten zeigt.

»Ob sich das

auf Dauer

rechnet, muss

sich zeigen.

Die Prozesse

im Secondhand -

geschäft sind

sehr aufwendig.«

POLITIK, WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

Während Vinted oder Momox reine Secondhandshops sind, wollen

die großen Modekonzerne an einem Ort neue und gebrauchte

Kleidung anbieten – und damit gleich mehrere Vorteile mitnehmen:

• Sie bedienen die wachsende junge Zielgruppe, die Altes und

Neues kombinieren will.

• Sie locken auch Vintage-Jäger auf ihre Website – und verleiten

sie vielleicht zum Neukauf, denn das ist und bleibt das

Hauptgeschäft.

• Sie verbessern ihr Image: Schließlich gilt Secondhand als

nachhaltig, weil es die Lebensdauer von Kleidung verlängert.

»Das Secondhandgeschäft lässt sich auch gut vermarkten«,

sagt Unternehmensberaterin Käßhöfer. »Kreislaufwirtschaft

betrifft die gesamte Fashion Industrie, ob Herstellermarken

oder Handel.«

Tatsächlich soll der Handel mit Gebrauchtem auf die Nachhaltigkeitsziele

der Konzerne einzahlen, die von Konsument:innen immer

vehementer eingefordert werden. Längst sind die Umweltprobleme

und sozialen Probleme entlang der textilen Lieferkette

bekannt. Doch noch immer werden weltweit mehr als 100 Milliarden

Kleidungsstücke pro Jahr produziert, die oft kaum getragen

werden, nach einer Saison wieder aus dem Kleiderschrank fliegen

und in den meisten Fällen auf dem Müll landen.

Auch deswegen wollen immer mehr Modekonzerne von ihrem

linearen Geschäftsmodell hin zu einem zirkulären, also Kreislaufmodell.

Zalando etwa will nach eigenen Angaben bis 2023

die Lebensdauer von 50 Millionen Kleidungsstücken verlängern.

H&M will den textilen Kreislauf schließen – der Handel mit Secondhandmode

über Sellpy oder Cos Resell ist

da nur ein Baustein neben Recycling, Reparatur

oder Vermietung.

Doch beide Konzerne sind von diesen Zielen

noch weit entfernt: Zalando hat derzeit rund

140 000 Secondhandprodukte auf seiner Preowned-Seite

– was auch daran liegen mag, dass

Zalando den Verkäufer:innen von Secondhandkleidung

kein Geld zahlt, sondern Zalando-Einkaufsgutscheine

ausstellt – oder Spendenbescheinigungen.

Ganz umstellen auf das Geschäft

mit Gebrauchtem wolle man auch langfristig

nicht: »Pre-owned stellt eine wichtige Ergänzung

zu unserem bisherigen Sortiment und

Services dar«, sagt eine Zalando-Sprecherin.

Man werde aber »vielfältig aufgestellt« bleiben.

About You bietet dagegen etwa 350 000 gebrauchte Stücke

an, und Sellpy Deutschland hat immerhin rund eine Million qualitätsgeprüfte

Artikel im Angebot. Auch wenn H&M und Zalando

weitere Nachhaltigkeitsinitiativen verfolgen, sind sie von einer

wahren Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt. Aus dem H&M

Sustainability Performance Report geht hervor, dass nur 2,2 Prozent

des gesamten Sortiments bisher aus recyceltem Material besteht.

Da kann ein bisschen grüne Vermarktung dem Image nicht

schaden.

»Ob sich das auf Dauer rechnet, muss sich zeigen«, sagt Expertin

Käßhöfer. »Die Prozesse in dem Secondhandgeschäft von

Zalando oder Sellpy sind sehr aufwendig – jedes einzelne Teil

muss sortiert, geprüft und gewaschen werden.« Leichter hat es da

Kleiderkreisel – als Plattform, die Verkäufe von Kund:innen an

Kund:innen vermittelt. Doch auch diese Firma habe mal die Gebühren

erhöht, um die Profitabilität zu steigern, sich damit aber

bei den Kund:innen nicht durchsetzen können, sagt Käßhöfer.

Das Gold des Gebrauchtwarenmarkts scheint anderswo zu

liegen: »Die Vinted-Gruppe hat über 45 Millionen registrierte Mitglieder

– mit deren Userdaten lässt sich künftig viel Geld verdienen«,

sagt Käßhöfer. Über das Targeting – die gezielte Werbung

im Netz – also. Das hat dann allerdings mit Nachhaltigkeit nicht

mehr viel zu tun.

Nr. 1 / 2. 10. 2021 SPIEGEL START 49

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