BS 01-2023
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SCHIFFFAHRT<br />
Wer die Verkehrsverlagerung will, muss<br />
Schiene und Wasserstraße gleich behandeln<br />
Nachdem wir vermutlich alle zu Jahresbeginn den Eindruck<br />
gewonnen hatten, die Corona-Pandemie wäre alsbald unter<br />
Kontrolle und das Krisenniveau würde im Laufe des Jahres abnehmen,<br />
wurden wir durch den russischen Angriff auf die Ukraine<br />
eines Besseren belehrt. Neben dem menschlichen Elend, das<br />
die russische Regierung über die Ukraine gebracht hat, hat dieser<br />
Krieg erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für Deutschland,<br />
Europa und die Welt. Durch diesen Angriffskrieg haben die Stärkung<br />
der Krisenresilienz unserer Logistikketten und die Neuausrichtung<br />
der deutschen Energiepolitik deutlich an Bedeutung gewonnen.<br />
Die Binnenhäfen können bei der Bewältigung dieser Herausforderungen<br />
eine zentrale Rolle spielen. Das hat auch der Bund<br />
erkannt und will die See- und Binnenhäfen mithilfe einer Nationalen<br />
Hafenstrategie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärken.<br />
Die Erarbeitung der Nationalen Hafenstrategie hat im Juli begonnen.<br />
Die Binnenhäfen sind in diesen Prozess maßgeblich eingebunden<br />
und setzen sich unter anderem für folgende Punkte ein:<br />
• die Fortentwicklung der Häfen zu Knotenpunkten für die<br />
Energieträger der Zukunft und die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft,<br />
• gemeinsame Lösungen mit dem Bund und den Ländern für einen<br />
besseren Schutz von Hafenflächen und die Ertüchtigung<br />
von Hafeninfrastrukturen sowie den Abbau bürokratischer<br />
Hemmnisse, z.B. im Zuge von Genehmigungsverfahren für die<br />
Verlagerung von Gütern auf Schiene und Wasserstraße,<br />
• die Hebung von Effizienzgewinnen durch eine stärkere Automatisierung<br />
und Digitalisierung und<br />
• einen bedarfsgerechten Ausbau der vorgelagerten Verkehrsinfrastrukturen<br />
Damit die Strategie kein Papiertiger und erfolgreich wird, ist es<br />
notwendig, dass die darin formulierten Maßnahmen möglichst<br />
konkret und die (zeitlichen) Ziele ambitioniert sind. Die Arbeiten<br />
an der Nationalen Hafenstrategie werden voraussichtlich bis Mitte<br />
<strong>2023</strong> einen unserer Arbeitsschwerpunkte bilden.<br />
Darüber hinaus haben wir eine verbandsinterne Arbeitsgruppe<br />
eingesetzt, die Vorschläge für die Entbürokratisierung von Genehmigungsprozessen<br />
z. B. für Lagerung und Umschlag unterbreiten<br />
wird, die wir in die Hafenstrategie einspeisen werden.<br />
Unerlässlich für einen bedarfsgerechten Erhalt und den Ausbau<br />
der vorgelagerten Infrastrukturen ist eine auskömmliche Finanzierung<br />
für Schiene und Wasserstraße. Der Haushalt <strong>2023</strong><br />
war daher ein Schwerpunkt der politischen Verbandstätigkeit in<br />
diesem Jahr. Während wir uns über den Mittelaufwuchs für die<br />
Schiene sehr gefreut haben, ist das Ergebnis für die Bundeswasserstraßen<br />
bitter und enttäuschend. Wer die Verkehrsverlagerung<br />
will, muss Schiene und Wasserstraße gleichrangig behandeln.<br />
Sowohl die Niedrigwasserperioden in 2<strong>01</strong>8 und diesem Jahr<br />
als auch der Zusammenbruch des Rastatter Tunnels haben gezeigt,<br />
wie sehr wir die Redundanz beider Verkehrsträger benötigen.<br />
Ein Erfolg unserer Verbandsarbeit im Rahmen der Haushaltsverhandlungen<br />
war die Erhöhung des Topfes für die Schienengüterfernverkehrsnetzförderung<br />
(SGFFG-Förderung) in Höhe<br />
von 17,5 Mio. €. Das wird den Ausbau und den Erhalt von Hafenbahnnetzen<br />
stärken.<br />
Ebenfalls auf der Haben-Seite sehen wir die im Dezember 2022<br />
veröffentlichte neue Richtlinie zur Förderung des kombinierten<br />
Verkehrs. Gemeinsam mit unseren Partnerverbänden ist es uns<br />
gelungen, die Förderbedingungen deutlich praxisnaher zu gestalten.<br />
Die Binnenhäfen sind zuversichtlich, dass die nun geschaffene<br />
Förderfähigkeit von Ersatzmaßnahmen einen Modernisierungsschub<br />
im Kombinierten Verkehr bewirken wird.<br />
Ein verbandsinternes Projekt ist unser politisches Hafenpraktikum.<br />
Wir haben in diesem Jahr damit begonnen, Parlamentarier<br />
zu einem halb- oder ganztätigen Praxisbesuch in unsere Häfen<br />
einzuladen und dort mit anpacken zu lassen. Mit diesem Programm<br />
wollen wir Begeisterung und Verständnis für Hafenwirtschaft<br />
bei Politikerinnen und Politikern wecken. Das Interesse an<br />
diesen Praktika ist so groß, dass wir es im kommenden Jahr und<br />
wahrscheinlich auch darüber hinaus fortführen werden.<br />
Joachim Zimmermann<br />
Geschäftsführer, Bundesverband der<br />
Öffentlichen Binnenhäfen (BÖB)<br />
© BÖB<br />
Binnenschifffahrt <strong>01</strong> | <strong>2023</strong><br />
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