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Schönes Leben – Ausgabe 77

Land, Kultur & Lebensart zwischen Elbestrand und Heidesand

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lichen Interessen an höchster Stelle intrigiert und der Druck<br />

der dritten Fassung der Roten Liste der Vögel vereitelt werden<br />

soll, bewirkt Heckenroth im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten<br />

Ernst Albrecht an Jagd und Landwirtschaft vorbei<br />

grade das Gegenteil. Der Vogelschutz gewinnt landespolitischen<br />

Stellenwert dank Heckenroths Format. Man hätte<br />

damit rechnen müssen: 1971 verschenkte er die Vogelpräparate<br />

der Vogelschutzwarte ans Heimatmuseum. Mühelos<br />

ließe sich die Aufzählung des von Heckenroth unerschrocken,<br />

beharrlich und oft auf ungewöhnliche Weise Erreichten<br />

fortführen. Heckenroth wird 1938 in Berlin geboren und<br />

1944 in Mecklenburg eingeschult. Ab 1951 lebt er in Diepholz.<br />

In der Umgebung balzen damals noch 80 Birkhähne,<br />

brüten Alpenstrandläufer und Goldregenpfeifer. Das Interesse<br />

Der Autor<br />

WILHELM BREUER ist Diplom-Ingenieur<br />

der Landschaftspflege, seit 1984 Mitarbeiter<br />

der niedersächsischen Landesnaturschutzverwaltung<br />

und Geschäftsführer der Gesellschaft<br />

zur Erhaltung der Eulen e. V. (EGE).<br />

Sein Porträt über Hartmut Heckenroth ist erstmals<br />

in der Zeitschrift Nationalpark erschienen,<br />

die viermal im Jahr vom oekom verlag (München,<br />

Freiburg, Ahrensburg, Zürich) herausgegeben<br />

wird. Der Nachdruck in „<strong>Schönes</strong><br />

<strong>Leben</strong>“ erfolgt mit freundlicher Genehmigung<br />

des Autoren und des Verlages. (cw)<br />

des Dreizehnjährigen für alles Ornithologische ist längst<br />

geweckt. Aus einem alten Flugzeugtank baut er sich ein Boot<br />

und befährt den Dümmer, der zu der Zeit ein ungetrübtes<br />

Vogel-Eldorado ist. 1956 beginnt Heckenroth eine Gärtnerlehre,<br />

zwischen 1961 und 1964 studiert er Garten- und Landschaftsgestaltung<br />

an der Fachhochschule Osnabrück. Es folgen<br />

erste Berufsjahre in Naturschutzbehörden und an der<br />

Vogelwarte Radolfzell am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie.<br />

Der Weißstorch spielt in Heckenroths <strong>Leben</strong><br />

eine Hauptrolle. Ab 1958 beringt er die Jungstörche in einem<br />

großen Teil Niedersachsens. 1962 gründet er die Arbeitsgemeinschaft<br />

der Weißstorchbetreuer in Nordwestdeutschland.<br />

1963 fährt er mit dem Motorroller und per Anhalter den<br />

Störchen nach Kleinasien hinterher. Dort beobachtet und<br />

beschreibt der Fünfundzwanzigjährige die Rechtswendung<br />

der wegziehenden Störche am Golf von Iskenderun, die<br />

zuvor unbekannt war. Beobachtungen, die er 1964 und 1965<br />

auf Reisen weiter nach Syrien, Jordanien und in den Irak<br />

bestätigt. Zwischen1968 und 1981 beringt Heckenroth 2.300<br />

Störche in Griechenland; er möchte Kenntnisse über die dortige<br />

Nord-Süd-Zugscheide gewinnen. Fast jedes Jahr fährt<br />

Heckenroth der Dokumentation der Entwicklung des Storchenbestandes<br />

wegen nach Griechenland <strong>–</strong> tief betroffen von<br />

der auch dort großflächigen Zerstörung der <strong>Leben</strong>sräume und<br />

den dramatischen Bestandsverlusten. 2008 sucht er Störche<br />

in Albanien und Syrien. Über den Weißstorch in Griechenland<br />

weiß niemand mehr als Heckenroth. In Niedersachsen<br />

hat er den Weißstorchschutz auf das Wesentliche gelenkt: die<br />

Verbesserung der Nahrungshabitate <strong>–</strong> mit einigem Erfolg. In<br />

den letzten Jahren hat der Storch von Osten her über Elbe<br />

und Aller im Westen Niedersachsens verlorenes Territorium<br />

zurückgewonnen. Das Ende seiner Dienstzeit in der Vogelschutzwarte<br />

ist die Fortsetzung des Einsatzes für den Weißstorch<br />

mit anderen Mitteln. Heckenroth wird in den Vorstand<br />

der Stiftung The stork foundation <strong>–</strong> Störche für unsere Kinder<br />

berufen. Von dort aus setzt er sich ein für die Verwirklichung<br />

eines Naturschutzgroßprojektes in den Sudewiesen<br />

im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue <strong>–</strong> mit<br />

Akzeptanz in der Region. In dieser Aufgabe geht er auf. Seit<br />

1994 arbeitet Heckenroth für die Rückverlegung der Deiche,<br />

die Schaffung von Feuchtwiesen und eine storchengemäße<br />

Landbewirtschaftung. Zu diesem Zweck holt Heckenroth<br />

Heckrinder und Wildpferde ins Gebiet. Hier begründet er<br />

eine Archeregion alter Haustierrassen, die beim bundesweiten<br />

Wettbewerb „Land der Ideen“ ausgezeichnet wird. Im<br />

Gebiet liegt „seine Storkenkate“; ein beschauliches Fachwerkhaus,<br />

das vor dem Verfall gerettet hierher versetzt worden<br />

ist und aus dem heraus das Projekt geleitet, die wissenschaftlichen<br />

Arbeiten begleitet und die Besucher ins Gebiet<br />

geführt werden. Von Heckenroth hörte ich erstmals 1979.<br />

Einer meiner Freunde war zu der Zeit Zivildienstleistender in<br />

der niedersächsischen Vogelschutzwarte und Heckenroths<br />

Wirken für uns ein ebenso bestauntes wie verehrtes Vorbild.<br />

Ab 1984 hatte ich das Glück, 15 Jahre in derselben Verwaltung<br />

mit Hartmut Heckenroth zusammenzuarbeiten. Am 1.<br />

Juli feiert Hartmuth Heckenroth seinen 84. Geburtstag. Er ist<br />

rastlos wie eh und je, vielfach ausgezeichnet, ideenreich,<br />

voller Witz <strong>–</strong> ja jugendlich. Und immer noch ein bisschen<br />

wie ein großer Junge. Naturschutz ist gewiss eine ernste<br />

Sache. Für Heckenroth aber vielleicht auch wie „Räuberund-Gendarm“.<br />

Auf welcher Seite Heckenroth steht, versteht<br />

sich von selbst. Nicht immer hat er gewonnen. Viel zu selten<br />

sogar. Seine Schuld ist das nicht. Woraus schöpft er trotz der<br />

Niederlagen nur die Energie? Wahrscheinlich ist Liebe im<br />

Spiel.<br />

Sommer 2022 83

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