22.09.2023 Aufrufe

reisen EXCLUSIV Herbst 2023

“Insel-Wunder-Welt" Seychellen Malediven Puerto Rico Koh Samui Lanzarote Mallorca und vieles mehr

“Insel-Wunder-Welt"
Seychellen
Malediven
Puerto Rico
Koh Samui
Lanzarote
Mallorca
und vieles mehr

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

NATUR | Norwegen<br />

In der nasskalten Luft schwingt der Geruch<br />

von Hering mit. Mantelmöwen und braungraue<br />

Skuas ziehen kreischend ihre Kreise<br />

über dem eisigen Fjord. Immer wieder stürzt<br />

ein Vogel herab und schnappt sich einen<br />

Fisch – oder das, was davon übrig ist. Der<br />

Himmel ist wolkenverhangen und die Berggipfel<br />

rechts und links des Meeresarms verschwinden<br />

in dichtem Nebel. Doch die trübe<br />

Aussicht über unseren Köpfen interessiert<br />

uns nicht. Unser Fokus liegt auf dem, was unter unserem<br />

Schlauchboot, unter der Wasseroberfläche, zu sehen ist.<br />

Wir blicken auf die Überreste einer Party. Einer Party, zu<br />

der wir zu spät sind dieses Mal.<br />

Das tintenblaue Meer funkelt. Wie glitzerndes Konfetti<br />

treiben unzählige silberne Schuppen durch das klare<br />

Wasser. Es sind die Schuppen von Heringen, die sich<br />

in den Wintermonaten in die Tiefen der norwegischen<br />

Fjorde zurückziehen. Es sind Millionen, vermutlich Milliarden<br />

Fische, die in der Dunkelheit gut 300 Meter unter<br />

der Meeresoberfläche ausharren und im Nordmeer,<br />

zwischen dem Arktischen Ozean und dem Nordatlantik,<br />

überwintern. Diese Ansammlung von Beutefischen lockt<br />

äger auf den Plan: wergwale, Finnwale, Buckelwale,<br />

aber vor allem Orcas. Die schwarz-weien ahnwale stehen<br />

an der Spitze der Nahrungskette. An der zerklüfteten<br />

Küste Norwegens haben es die intelligenten Meeressäuger<br />

nur auf eines abgesehen: fette Heringe. Aufgrund der<br />

Wintermigration der Schwarmfische stehen zwischen<br />

nde Oktober und Februar die Chancen gut, die maestätischen<br />

Schwertwale in ihrem Element zu erleben.<br />

Und so sitze ich in einem dicken Neoprenanzug, mit<br />

Maske auf der Nase auf der Bordwand des Schlauchboots<br />

und stiere auf das glitzernde Meerwasser. Die silbrigen<br />

Schuppen signalisieren, dass hier vor wenigen Minuten<br />

noch Orcas waren. Die Wale treiben die Heringe zu einem<br />

»Baitball« zusammen, bis die Fische eine dicht gedrängte<br />

Kugel bilden. Immer wieder schwimmen sie um<br />

dieses Fischkarussell herum, bis sie mit ihrer Fluke zuschlagen<br />

und so mehrere Heringe außer Gefecht setzen.<br />

Danach picken sie sich einzelne Fische heraus.<br />

Am Vorabend bin ich mit knapp 20 anderen Wal-Enthusiasten<br />

aus der ganzen Welt in Tromsø an Bord des<br />

peditionsschiffs »Strnstad« gegangen, um eine Woche<br />

lang auf Orca-Safari zu gehen. Die Crew macht keine Versprechungen,<br />

sondern betont, dass das Wohlergehen der<br />

Wale Priorität hat. s werden keine iere geagt, beim<br />

Schlafen gestört oder bedrängt. Die Aussage beruhigt<br />

mich. Natürlich wollen wir Wale sehen, aber nicht um<br />

jeden Preis und schon gar nicht auf Kosten der Tiere.<br />

Abenteuer wie diese sind immer auch ein bisschen<br />

Glücksspiel. Selbst wenn die Aussichten Anfang November<br />

sehr gut sind, Wale zu sehen – sicher sein kann man<br />

sich nie. Wir befinden uns knapp Kilometer nördlich<br />

des Polarkreises. In den ersten Novemberwochen sind<br />

die Lichtverhältnisse noch akzeptabel. war wandert die<br />

Sonne nicht mehr zum enit, aber für ein paar Stunden<br />

schenkt sie noch gedämpftes ageslicht.<br />

In den Tagen zuvor wurden viele Orcas gesichtet.<br />

Unsere Erwartungen sind dementsprechend hoch, auch<br />

wenn es keine Garantie gibt. Die Natur folgt ihren eigenen<br />

Regeln. Nicht nur die Anwesenheit der Meeressäuger<br />

selbst, auch die Witterungsbedingungen am Rande<br />

des Nordatlantiks können schnell umschlagen. Bei zu<br />

starkem Wind oder Schneefall wird es fast unmöglich,<br />

Wale zu erspähen.<br />

Die »Strønstad« ist für die kommenden Tage unsere<br />

Homebase. Mit ihr fahren wir von Tromsø aus gen Norden<br />

und sind so fleibler als stationäre Walbeobachtungsboote.<br />

Entdecken wir Wale, besteigen wir eines der beiden<br />

wendigen odiacs, die das Schiff im Schlepptau hat.<br />

Der agesablauf ist stets gleich strukturiert: Noch vor<br />

Sonnenaufgang aufstehen, frühstücken, rein in die Tauchausrüstung<br />

und ab in die Schlauchboote, um mit Beginn<br />

der Dämmerung auf dem Meer zu sein. Mit aucherflasche<br />

zu tauchen ist verboten, Freitauchen ist erlaubt. Die<br />

meisten Waltouristen schwimmen oder schnorcheln in<br />

wasserdichten rockentauchanzügen, worin sich die Kälte<br />

besser aushalten lässt.<br />

Dunkelheit und Kälte sind die gröten Herausforderungen<br />

auf diesem Trip. Die Lufttemperaturen<br />

schwanken zwischen minus zwei und plus drei Grad.<br />

Das Wasser hat erfrischende vier Grad. »Es ist wichtig,<br />

dass ihr alle einmal eure Ausrüstung testet, bevor<br />

wir rausfahren. Ihr müsst das Wasser erfühlen und wie<br />

ihr aus dem Boot aus und wieder einsteigt«, sagt Asbrn<br />

Lausten. Der Däne ist der leitende auchguide<br />

und schaut aufmerksam zu, wie wir nacheinander in<br />

voller Montur unsere arktische Wasserprobe machen.<br />

Seit mehr als zehn Jahren ist Asbjørn jeden Winter in<br />

den norwegischen Fjorden auf der Suche nach Orcas. Er<br />

kennt die Gewässer und wei, wie er das erhalten der<br />

Wale deuten muss. Asbjørn hat in seinem Leben schon<br />

Tausende Orcas gesehen. »Diese Tiere sind so faszinierend<br />

und sehr intelligent. Auf jeder Tour lerne ich wieder<br />

was Neues über sie«, sagt er. »Dieses Jahr ist eine besonders<br />

gute Saison. Es gibt viele Heringe und es halten sich<br />

Hunderte Wale in den Fjorden auf.«<br />

Die trübe Wetterprognose bewahrheitet sich: Die<br />

Wolkendecke hängt tief, als wir dicht gedrängt im<br />

Schlauchboot sitzen und Ausschau halten. Seit Stunden<br />

fahren wir umher. Der kalte Wind beißt im Gesicht. Füße<br />

54 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />

herbst <strong>2023</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!