reisen EXCLUSIV Herbst 2023
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Asbjørn Lausten weiß,<br />
dass man bei der Suche<br />
nach Orcas viel Geduld<br />
und Ruhe braucht. Seit<br />
mehr als zehn Jahren<br />
begleitet der Däne<br />
Walexkursionen im<br />
Nordmeer.<br />
Und genau so ist es, als ich nach unten blicke. Ich bin fassungslos.<br />
Das Blau unter mir brodelt silbern. Tausende<br />
Heringe winden sich dicht gedrängt unter mir. Instinktiv<br />
schwimme ich zur Seite weg. Der Baitball hat einen<br />
Durchmesser von zehn bis 15 Metern. Vor lauter Heringen<br />
sehe ich nichts und ich versuche eilig, Distanz zu<br />
schaffen. Die wahre Action findet ohnehin am Rand des<br />
Baitballs statt. Nach ein paar Metern beruhigt sich das<br />
Wasser unter mir und ich beobachte mit Abstand das Heringsgetümmel.<br />
Ein Orca schnappt sich einen der Fische<br />
und dreht ab. Während ich versuche, ruhig durch meinen<br />
Schnorchel zu atmen, verfolge ich durch meine Maske<br />
die Jagdszenen unter mir. Dann hebe ich den Blick. Etwa<br />
200 Meter westlich von mir taucht ein Buckelwal ab. Ich<br />
schwimme weiter vom Baitball weg und schaffe noch<br />
mehr Distanz, um das Spektakel besser sehen zu können.<br />
In etwa Metern iefe blitzen die weien Seitenflossen<br />
des Buckelwals im dunklen Blau unter mir. Ihn zieht<br />
es zu den Heringen. Ich tauche auf. Denn ich will unbedingt<br />
sehen, wie dieser riesige Bartenwal mit geöffnetem<br />
Maul aus dem Wasser schießt und Tausende Heringe verschlingt.<br />
Der Anblick ist überwältigend. Alles geschieht<br />
in Sekunden. Adrenalin durchströmt meinen Körper. Ich<br />
tauche ab und sehe gleich mehrere weie Seitenflossen<br />
Richtung Baitball steuern. Ein Orca-Weibchen folgt den<br />
Giganten und versucht, ihnen in die Fluke zu zwicken,<br />
um sie zu vertreiben. Schließlich haben die Schwertwale<br />
hier die ganze Arbeit geleistet und jetzt verspeisen die<br />
Buckelwale das Buffet. Die Mühen des Orca-Weibchens<br />
sind vergebens: Fast parallel pflügen drei Buckelwale<br />
durch die Heringe und schöpfen die Fische ab. Mit prall<br />
gefüllten Kehlsack tauchen sie davon. Ich sehe, wie einer<br />
der Buckelwale unter mir hinwegtaucht und das Wasser<br />
aus seinem Maul presst. Dann verschwindet er in der<br />
Dunkelheit. Sekunden später ist das Schauspiel vorbei.<br />
Die Buckelwale sind weg und auch die Orcas. Um uns herum<br />
funkelt das Meer wieder, als die silbrigen Schuppen<br />
im schwindenden Tageslicht blitzen.<br />
Mit breitem Grinsen im Gesicht hieven wir uns zurück<br />
ins Schlauchboot. Auch Asbjørn strahlt. Intensive<br />
Begegnungen wie diese sind auch für ihn kein Alltag.<br />
»Das habt ihr euch verdient«, sagt er stolz, als er das<br />
Schlauchboot Richtung Strønstad steuert. »Ihr habt heute<br />
nicht aufgegeben und der Kälte getrotzt. Ihr hättet lanund<br />
Hände werden langsam taub. Seit knapp zwei Kilometern<br />
begleiten wir zwei Bullen. Sie folgen in großem<br />
Abstand ihrer Familie. Sobald sie Heringe gefunden haben,<br />
schließen sie sich zusammen und jagen gemeinsam.<br />
Asbjørn ist hoch konzentriert. Er ermahnt uns, aufmerksam<br />
zu sein und keinen Lärm zu machen, das mögen die<br />
Wale nicht. Die Minuten vergehen und wir sehen nichts.<br />
Nur Berge, Wasser, Wolken. Aber wir geben nicht auf.<br />
Als Asbjørn fragt, ob jemand zurück auf die Strønstad<br />
möchte, um sich aufzuwärmen, schütteln alle mit dem<br />
Kopf. s herrscht ein stillschweigendes inverständnis:<br />
Solange Tageslicht ist, bleiben wir draußen. Asbjørn<br />
scannt den Himmel. Ein paar Raubmöwen k<strong>reisen</strong> keine<br />
Meter von uns. in gutes eichen.<br />
nd dann sind sie da: berall durchschneiden plötzlich<br />
schwarze Rückenflossen die Wasseroberfläche, tauchen<br />
ab und wieder auf. Mit offenen Mündern beobachten<br />
wir das Schauspiel: Neugierig schwimmen die Wale<br />
um und unter unserem Boot hindurch, um wenige Meter<br />
dahinter wieder aufzutauchen. In einem Radius von 300<br />
Metern zähle ich wenigstens Orcas, darunter auch<br />
vereinzelt die kleinen Rückenflossen von Kälbern. Ihre<br />
Brust ist noch nicht strahlend weiß, sondern hat einen<br />
leicht orangefarbenen Schimmer ein eichen, dass sie<br />
noch nicht mal ein Jahr alt sind. Ich bin vollkommen fasziniert<br />
und überhöre fast, als Asbrn sagt: »Okay. Ihr<br />
könnt rein. Gleitet langsam ins Wasser.« Wie automatisch<br />
schwinge ich meine Flossen über die Gummiwand.<br />
Das salzige Wasser ist kalt. Meine Sinne sind hellwach.<br />
Ich hole tief Luft und tauche ab – in eine andere Welt. Die<br />
blaue Endlosigkeit unter mir ist lebendig. Immer wieder<br />
geraten Orcas in mein Sichtfeld. Ich sehe die Tiere nicht<br />
nur, ich höre sie auch. Lautstarkes Klicken und Fiepen<br />
schallt durch das Wasser. Eine kleine Gruppe schwimmt<br />
langsam an mir vorüber und mustert mich neugierig. Ein<br />
junger Bulle dreht sich nur wenige Meter von mir auf die<br />
Seite und sieht mich an. Er nimmt mich nicht nur wahr, er<br />
betrachtet mich. Ich kann die Intelligenz in seinem Blick<br />
sehen. Für einen kurzen Moment blicken wir uns in die<br />
Augen und es ist, als ob die eit stillsteht. Dann schliet<br />
er sich wieder der Gruppe an und weg sind sie. Ich tauche<br />
auf, hole Luft. Wow Aber es ist noch nicht vorbei. Während<br />
ich mich neu orientiere, sehe ich überall schwarze<br />
Schwerter. Ich schnorchle ein paar Minuten und begebe<br />
mich schlielich wieder unter die Wasseroberfläche, will<br />
den Lauten der Orcas lauschen. Nach wenigen Sekunden<br />
entdecke ich den ersten Wal, dann noch einen und noch<br />
einen. Irgendetwas ist im Gange. Die Orcas sind auf der<br />
Jagd. Doch Heringe sehe ich keine. Asbjørns Worte vom<br />
orabend kommen mir in den Sinn: »s kann passieren,<br />
dass du im Wasser bist. Du nimmst den Kopf hoch, holst<br />
Luft. Blickst wieder ins Wasser und plötzlich ist ein Baitball<br />
unter dir.«<br />
herbst <strong>2023</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
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