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NATUR | Vancouver Island<br />
Wie eine braune, knorrige Wand ragt<br />
der gigantische Stamm vor mir in<br />
die Höhe. Ich muss den Kopf ganz<br />
in den Nacken legen, um die Krone<br />
des riesigen Baums zu erblicken.<br />
Big Lonley Doug ist mit seinen<br />
knapp 70 Metern ein echter Gigant<br />
und die zweitgrößte Douglasie in ganz Kanada. Der<br />
Baumriese im Gordon River Valley im Süden von Vancouver<br />
Island ist dazu ein echter Greis. »Doug ist etwa 1.000<br />
Jahre alt«, schätzt TJ Watt. »Vermutlich älter.« TJ ist Fotograf<br />
und Umweltaktivist. Der 39-Jährige hat den Großteil<br />
seiner Kindheit in den Wäldern von Vancouver Island<br />
verbracht und es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die<br />
letzten verbliebenen Urwaldriesen Kanadas zu schützen.<br />
Mit der von ihm mitbegründeten Ancient Forest Alliance<br />
setzt sich TJ dafür ein, dass alte Bäume wie Big Lonley<br />
Doug nicht irgendwann zu Kleinholz verarbeitet werden.<br />
Port Renfrew im Gordon River Valley ist einer der<br />
letzten Orte auf Vancouver Island, an dem man die alten<br />
Urwälder nahe der Küste begehen kann. Insbesondere<br />
Zedern und Douglasien nehmen hier gigantische Ausmaße<br />
an. Nur etwa ein Prozent der einstigen Bestände<br />
dieser jahrtausendealten Baumriesen hat bis heute in<br />
den gemäßigten Regenwäldern Kanadas überlebt. »Hier<br />
bei uns wachsen einige der größten Bäume auf der Erde.<br />
Wir haben heiße Sommer, milde Winter und sehr viel Regen.<br />
Diese Bäume können so das ganze Jahr wachsen und<br />
werden zu lebenden Wolkenkratzern«, sagt TJ und strahlt<br />
voller Stolz Big Lonley Doug an. Um uns herum ist dichter<br />
Wald, doch die noch jungen, durchschnittlich zehn<br />
Meter hohen Ahornbäume, Rot-Erlen und Hemlock-Tannen<br />
wirken wie Buschwerk neben dem großen Doug. Die<br />
Luft ist klar und würzig. Gerade erst hat es aufgehört zu<br />
regnen und das Grün der Pflanzen ist so intensiv, dass es<br />
beinahe surreal wirkt. Auf dem Weg zurück zu TJs kleinem<br />
Geländewagen passieren wir immer wieder Baumstümpfe,<br />
die so gigantisch sind, dass sich zwei Personen<br />
hintereinanderlegen könnten und doch nicht den Rand<br />
des Stumpfs erreichen würden. Ich blicke zurück zu Big<br />
Lonley Doug, der die grüne Weite überragt. Der Anblick<br />
ist wunderschön und irgendwie auch ein bisschen traurig.<br />
Wie der Wald ausgesehen haben muss, als Hunderte<br />
dieser uralten Lebewesen die Fläche ausfüllten? Gleichzeitig<br />
ist es bemerkenswert, wie sich die Natur hier in<br />
den letzten zehn Jahren zurückgekämpft hat. Wenn man<br />
sie lässt, ist sie nicht aufzuhalten.<br />
Das an der Westküste von Vancouver Island gelegene<br />
Port Renfrew am südlichen ipfel des Pacific-Rim Nationalparks<br />
ist noch ein echter Geheimtipp. Ganz in der<br />
Nähe, am Gordon River, befindet sich der Startpunkt des<br />
West Coast Trails. Der etwa 75 Kilometer lange Trekkingpfad<br />
führt gen Norden nach Bamfield und gilt als einer<br />
der anspruchsvollsten, aber vielleicht auch schönsten<br />
Pfade Kanadas.<br />
Das beschauliche Port Renfrew versinnbildlicht die<br />
raue Schönheit British Columbias: Auf der einen Seite<br />
der mächtige Pazifik, der an die schroffe Küste spült und<br />
wo Seehunde neugierig die Strände beäugen. Im Hinterland<br />
hügelige Klippen und undurchdringliche Wälder.<br />
Urige Hütten schmiegen sich in die Landschaft und in<br />
gemütlichen Pubs trinken Einheimische Seite an Seite<br />
mit ouristen Craft-Bier und löffeln deftige Fischsuppe.<br />
British Columbia, Kanadas wilder Westen, ist eine<br />
Naturgewalt aus tiefen Wäldern, majestätischen Bergen<br />
und einsamen Fjorden. Die Luft ist so rein, dass Bartflechten<br />
die Bäume besiedeln das tun die anhänglichen<br />
Pflanzen nur in Regionen, in denen die Luft sehr sauber<br />
ist. Die ganze Pracht dieser Wildnis lässt sich auf Vancouver<br />
Island, der gröten Pazifikinsel Nordamerikas besonders<br />
intensiv erleben.<br />
Die grüne Insel geizt nicht mit Naturschönheiten und<br />
ist ein Paradies für Outdoor-Sport-Enthusiasten. Mit der<br />
Fähre gelangt man von Vancouver aus in rund 90 Minuten<br />
nach Nanaimo. Wem das zu lange dauert, kann mit<br />
einem Wasserflugzeug rüberfliegen sensationelle Aussichten<br />
inklusive. Mit 450 Kilometern Länge und 100<br />
Kilometern Breite ist Vancouver Island fast so groß wie<br />
Nordrhein-Westfalen aber deutlich dünner besiedelt.<br />
Nur etwa . Menschen leben hier die meisten<br />
davon in Victoria, der Hauptstadt der Provinz British Columbia.<br />
Die Inselmetropole ist ein echtes Schmuckstück,<br />
mit gut erhaltenen viktorianischen Prachtbauten, unzähligen<br />
Bars und der ältesten Chinatown Kanadas. Doch<br />
jenseits dieser urbanen Oase dominiert auf Vancouver<br />
Island die Wildnis: Durch die Wälder streifen Elche, Bären,<br />
Wölfe und Pumas. Nirgendwo in Kanada ist die<br />
Konzentration der gefährdeten Berglöwen größer. In den<br />
klaren Gebirgsbächen und Flüssen tummeln sich Lachse<br />
und Forellen. Biber bauen fleiig Dämme im Marschland.<br />
Seeotter jagen in den Kelpwäldern vor der Küste<br />
nach Seeigeln und über den Wipfeln der Bäume ziehen<br />
Weißkopfseeadler ihre Kreise.<br />
Zwei Drittel von Vancouver Island sind mit dichtem<br />
Wald bedeckt. Doch Wald ist nicht gleich Wald. Noch<br />
immer gibt es hier jahrtausendealte Urwälder, die noch<br />
nie ein Mensch betreten und abgeholzt hat und wo bis<br />
heute gigantische Baumriesen wie Hochhäuser der Son-<br />
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