NATUR | Vancouver Island ne entgegenwachsen, unentdeckt. TJ Watt ist immer auf der Suche nach Giganten, bevor sie von der Holzindustrie gefunden werden. Bäume wie Big Lonley Doug sind ein Vermögen wert. Dabei ist er lebendig sehr viel wertvoller für die Fauna, die Flora und das gesamte kosystem. Auch wirtschaftlich ist ein lebender Doug auf Dauer sehr viel einträglicher als ein gefällter Doug: Jedes Jahr pilgern Tausende Touristen nach Vancouver Island, um die Baumriesen zu bewundern und durch die feuchten Regenwälder zu wandern. TJ weiß: Je lauter der Ruf der ffentlichkeit ist, die Wälder zu erhalten, desto schwieriger macht er es der Holzlobby. Um noch mehr Aufmerksamkeit zu generieren, hat er Doug 2014 seinen Namen gegeben. Eine einfache Douglasie ist schnell vergessen. Aber Big Lonley Doug, der einsam über ein immergrünes Tal wacht? Das bleibt hängen. Und so tauft TJ besonders schöne und alte Waldabschnitte mit Namen und kreiert so Sehnsuchtsorte: Eden Grove, Jurassic Grove oder Avatar Grove. Letzteres ist inzwischen geschützt dank und seinen Mitstreitern. Avatar Grove mit seinen imposanten Zedern, sowie die übrigen Waldabschnitte, zählen zu den beliebtesten Wanderregionen um Port Renfrew. Der ehemalige Holzfällerort sieht sich mittlerweile selbst als Kanadas Hauptstadt der Urwaldbäume. »Nirgendwo sonst in Kanada kann man so einfach mit dem Wagen ins Herz der Wälder fahren und diese alten Bäume sehen«, sagt TJ. Doch Vancouver Island ist nicht nur ein guter Ort, um lebende Wolkenkratzer zu bewundern, sondern auch die Giganten der Meere. Die große Pazifikinsel liegt direkt an der Migrationsroute verschiedener Walarten. Im Frühjahr passieren bis zu 20.000 Grauwale die Westküste von Vancouver Island. Von April bis Oktober ziehen auch Buckelwale an der Insel vorbei. Dazu stehen das ganze Jahr über die Aussichten gut, Delfine, Schweinswale oder Orcas zu sichten. Die Bedingungen für die Meeressäuger sind vor British Columbia optimal, denn die Gewässer sind tief und nährstoffreich. Walbeobachtungs-Tourismus trägt überall auf der Welt dazu bei, Umweltbewusstsein zu fördern sowie den Antrieb zu steigern, Wale und deren Habitat zu schützen. Oftmals lassen sich die Meeressäuger nur vom Boot aus beobachten. Die meisten Whale-Watching-Unternehmen folgen strengen Regeln, um die Tiere nicht zu bedrängen und in ihrem natürlichen Umfeld zu stören. Schließlich lässt sich nur dann Geld mit Whale-Watching verdienen, wenn auch Wale zu sehen sind. Daher will man die Riesen nicht vertreiben. Ähnlich wie beim Wald profitiert die ourismusbranche nur dann, wenn es den lebenden Giganten gut geht. Die für Wale schonendste Variante, sie zu beobachten, ist jedoch ohne Zweifel von Land aus. Vancouver Island, sowie die umliegenden Golfinseln, verfügen dafür über einige der besten Plätze weltweit. Um die Wale von Land aus zu beobachten, braucht man häufig noch nicht mal ein Fernglas. Der Ozean fällt vielerorts nahe der Küste tief ab, sodass man Wale bei einer Küstenwanderung mit Glück aus nächster Nähe sehen kann. Landbasiertes Whale-Watching hat viele Vorteile: Zum einen ist es vollkommen kostenlos. Man kann sich so viel Zeit nehmen, wie man möchte, und man dringt nicht in das Territorium der Wale ein. Der sogenannte Whale-Trail ist ein Netz verschiedener Pfade und Aussichtsspots entlang der Pazifikküste und der Salish Sea, des Meeresgebiets zwischen Vancouver Island und dem amerikanischen Bundesstaat Washington. iner dieser Spots befindet sich in Sidney, im Südosten von Vancouver Island. Der kleine Küstenort an der Spitze der Saanich-Halbinsel ist ein gemütliches Städtchen. Nur wenige Schritte vom nächsten Café entfernt, kann man gemütlich am Ufer sitzen und auf das Meer hinausblicken. Meist dauert es nicht lange, bis die ersten Meeresbewohner auftauchen. Nach nicht mal einer halben Stunde entdecke ich zwei Seelöwen, die neugierig die Küste inspizieren. Zögerlich schwimmen sie hin und her und kommen dabei immer näher, als könnten sie sich nicht entscheiden, wo genau sie an Land gehen wollen, um sich in der Sonne aufzuwärmen. Seelöwen stehen auf der Speiseliste von wandernden Orcas, die es in die Gewässer der Salish Sea zieht, um Jagd auf andere Meeressäuger zu machen. Beinahe ganzjährig kann man entlang von Vancouver Island und den Golfinseln auf die Killerwale treffen. Seit eher sind die schwarz-weißen Räuber wahre Publikumsmagnete und das Aushängeschild von Vancouver Island. Überall in Sidney prangt das Antlitz der eleganten Schwertwale an der Hafenmauer, an Cafs und sogar an Mülleimern. Sidney ist auch ein guter Ausgangspunkt, um die vorgelagerten Golfinseln zu erkunden. Auch die S-Küste ist nur einen Katzensprung entfernt. In der Ferne blitzt der schneebedeckte Gipfel von Mount Baker auf. Der ulkan befindet sich auf amerikanischem erritorium, gut 200 Kilometer entfernt. Während ich den Küstenweg entlangspaziere, erblicke ich noch immer keine Orcas, dafür aber ein paar Schweinswale. Ihre Rückenflossen durchschneiden immer mal wieder die spiegelglatte Oberfläche der Bucht. Auch die kleinen ahnwale stehen auf dem Speiseplan der wandernden Orcas. Doch nicht alle Schwertwale machen Jagd auf Meeressäuger. Die in der Salish Sea permanent beheimateten Orcas sind reine Fischfresser. Sie sind etwas kleiner als ihre wandernden Artgenossen. Diese sogenannten ›Residents‹ sind so stark gefährdet, dass es Whale-Watching-Booten nicht erlaubt 64 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2023</strong>
Ich flieg’ auf dich! Mit dem Wasserflugzeug erreicht man Vancouver Island in knapp 15 Minuten von Vancouver aus. Die grüne Insel geizt nicht mit Naturschönheiten. Stellersche Seelöwen sonnen sich vor der Küste auf einer Felseninsel. <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> 65