Karl Plagge - Darmstädter Geschichtswerkstatt
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Gaon<br />
Der „Weise”, aus dem Hebräischen kommende Bezeichnung für<br />
Talmudgelehrten. Bis heute berühmt ist der Gaon von Wilna,<br />
Elijah Ben Salman (1720–1797). Er lehnte den mystischen<br />
Chassidismus ebenso scharf ab wie die westliche, von Moses<br />
Mendelssohn vertretene Emanzipationsbewegung und vertrat ein<br />
eigenständiges, auf der Thora basierendes jüdisches Selbstverständnis.<br />
Gestapo<br />
Geheime Staatspolizei, 1933 zur Bekämpfung aller gegen den<br />
NS-Staat gerichteten Bestrebungen gegründet, wurde unter dem<br />
„Reichsführer SS” Heinrich Himmler mit der Kriminalpolizei zur<br />
Sicherheitspolizei (Sipo) vereinigt. Zentrale war ab 1939 das<br />
Reichssicherheitshauptamt unter Reinhard Heydrich, der auch<br />
Chef des SS-Sicherheitsdienstes (SD) war.<br />
„Häscher”<br />
Neben den bewaffneten litauischen Hilfstruppen gehörten die<br />
„Häscher” (litauisch: „Ypatingas burys”, jiddisch: „hapunes”)<br />
einem gefürchteten Sonderkommando des SS-Sicherheitsdienstes<br />
(SD) an, das versteckte Juden aufspürte und der Gestapo übergab.<br />
Für Auslieferungen erhielten die Häscher Kopfgeld.<br />
Hilfstruppen<br />
s. Schutzmannschaften<br />
Hitler-Stalin-Pakt<br />
Im August 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion<br />
geschlossener Nichtangriffspakt, der in einem zusätzlichen<br />
Abkommen Polen und die baltischen Staaten in eine deutsche<br />
und sowjetische Interessensphäre aufteilte. Nach dem deutschen<br />
Einmarsch in Polen wurde der östliche Teil Polens von Deutschland,<br />
der westliche Teil und die baltischen Staaten von der Sowjetunion<br />
besetzt. Hitlerdeutschland überfiel im Juni 1941 die<br />
Sowjetunion unter Bruch dieses Nichtangriffsvertrags.<br />
Holocaust<br />
Aus der englischen Bibelübersetzung stammende Bezeichnung für<br />
„Zerstörung durch Feuer”, die sich international und seit dem<br />
Fernsehfilm „Holocaust” (1979) auch in Deutschland für die<br />
Verfolgung und Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten<br />
durchgesetzt hat. In Israel und in zahlreichen Veröffentlichungen<br />
ist die hebräische Bezeichnung Shoa (Katastrophe)<br />
üblich.<br />
Jiddisch<br />
Das von den nach Osteuropa im 13. und 14. Jahrhundert eingewanderten<br />
Juden gesprochene Mittelhochdeutsch, das mit hebräischen<br />
Schriftzeichen geschrieben wird. Hebräische und slawische<br />
Wörter fanden im Lauf der Zeit Eingang ins Jiddische, das<br />
vor allem durch die jeder Synagoge angeschlossenen Lernhäuser<br />
und durch Talmudschulen im Wilna des 18. und 19. Jahrhundert<br />
zu einer hoch entwickelten Literatur- und Wissenschaftssprache<br />
wurde. Mit dem Holocaust verlor sie, von der Ausnahme einer<br />
Minderheit abgesehen, ihre lebendigen kulturellen Träger.<br />
Judenrat<br />
In den meisten Ghettos des NS-besetzten Osteuropa befohlenes<br />
Vertretungsorgan, meist mit „Honoratioren” besetzt, das die<br />
Verwaltung der Ghettos zu organisieren und die Anordnungen der<br />
Besatzung bis hin zur Vorbereitung von Deportationen auszuführen<br />
hatte. Die Judenräte wurden zwischen erzwungener Befehlsausführung<br />
und dem Versuch, die Ghettogefangenen zu schützen,<br />
zerrieben, da sie letztlich als Instrument der Unterdrückung<br />
und Vernichtung benutzt wurden.<br />
Glossar<br />
– 66 –<br />
Jung Wilna (Jung Wilne)<br />
Eine in den 1930er Jahren entstandene Vereinigung junger Künstler,<br />
der Schriftsteller, Maler und Musiker angehörten. Viele ihrer<br />
Mitglieder bauten das kulturelle Leben im Wilnaer Ghetto auf<br />
und waren gleichzeitig im Widerstand aktiv, etliche von ihnen<br />
wurden Opfer der Vernichtung. Zu den überlebenden Zeitzeugen<br />
gehören die Schriftsteller Shmerke Kaczerginski, Abraham<br />
Sutzkever und Abba Kovner.<br />
Litwaken<br />
Bezeichnung für die aus dem früheren jiddischen Sprach- und<br />
Kulturraum Osteuropas (insbesondere Litauen und Weißrussland)<br />
stammenden, heute zerstreut auf der ganzen Welt lebenden<br />
Juden. Sie treffen sich in mehrjährigem Abstand zu einem<br />
Weltkongress in Wilna.<br />
Memelgebiet<br />
Der nördlich und südlich der Njemas-(Memel-)Mündung liegende<br />
Landstreifen bei Kleipeda (früher: Memel) gehörte ursprünglich<br />
zu Ostpreußen, wurde nach dem Ersten Weltkrieg international<br />
verwaltet und 1923 von Litauen annektiert. In der deutschen<br />
Bevölkerung organisierte sich früh eine starke NS-Bewegung. Im<br />
März 1939 erpresste die Reichsregierung die Rückgabe des<br />
Memelgebiets an Deutschland. Seit Kriegsende gehört es zu<br />
Litauen.<br />
Nationalistische Verbände in Litauen<br />
Im Verlauf der 1920er und 1930er Jahre entstandene rechtsextreme<br />
und antisemitische Organisationen, unter ihnen der<br />
„Eiserne Wolf“ (ab 1927), die „Vereinigung Litauischer Geschäftsleute“<br />
(ab 1930) und die „Gesellschaft des Wiederauflebens<br />
Litauens“ (ab 1933). Während der sowjetischen Besatzung (1939–<br />
1941) gründeten nach Deutschland geflohene litauische Exilpolitiker<br />
in Berlin die antisemitische „Litauische Aktionsfront“<br />
(LAF), die mit deutscher Unterstützung in Litauen Flugblätter<br />
gegen das „jüdisch-sowjetische Regime“ verbreitete und Untergrundzellen<br />
organisierte. Ihr Feindbild vom „jüdischen Bolschewismus“<br />
stimmte mit der Nazipropaganda überein, weshalb sie<br />
sich „Partisanen“ nannten und nach dem deutschen Einmarsch<br />
von der Wehrmacht geduldete und von den SS-Einsatzgruppen<br />
begünstigte Pogrome an der jüdischen Bevölkerung verübten.<br />
Schon im Juni/Juli 1941 wurden die „Partisanen“ zu Polizeibataillonen<br />
zusammengefasst, die unter dem Kommando der SS<br />
maßgeblich an der Verfolgung und Vernichtung der litauischen<br />
Juden beteiligt waren.<br />
Novemberpogrom<br />
Der nach einem Anschlag eines jüdischen Flüchtlings auf einen<br />
deutschen Botschaftsangehörigen in Paris am 9./10. November<br />
1938 von den Nationalsozialisten inszenierte reichsweite Pogrom,<br />
dem über 1000 Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen<br />
sowie nahezu 100 Juden zum Opfer fielen. Den Gewalttaten<br />
folgte die völlige Entrechtung der Juden im deutschen<br />
Machtbereich, sie waren Vorboten der mit Kriegsbeginn einsetzenden<br />
Vernichtungspolitik.<br />
Novemberrevolution<br />
Die von Arbeiter- und Soldatenräten getragene, revolutionäre<br />
Bewegung, die im November 1918 zum Sturz der Monarchien in<br />
Deutschland und Österreich-Ungarn und zur Errichtung parlamentarischer<br />
Republiken führte.<br />
Nürnberger Gesetze<br />
Die auf dem Nürnberger Reichsparteitag im September 1935<br />
beschlossenen Gesetze, die Juden zu Bürgern zweiter Klasse<br />
machten, Ehe und sexuelle Beziehungen zwischen „Ariern” und