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Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

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Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />

Darüber hinaus hält prekarisierte – d.h. nichtexistenzsichernde,<br />

gering entlohnte, befristete,<br />

nicht sozialversicherungspfl ichtige – Teilzeitbeschäftigung<br />

Frauen in fi nanziellen Abhängigkeitsverhältnissen<br />

zu beispielsweise Partner_innen<br />

(BMFSFJ 2005; Kurz-Scherf et al. 2006).<br />

Feminismus ist vielfältig, und feministische<br />

und gleichstellungspolitische Ziele gehen weit<br />

über <strong>eine</strong> Erhöhung von Frauenanteilen hinaus:<br />

Es geht um die Ermöglichung geschlechtlicher<br />

und sexueller Selbstbestimmung, losgelöst von<br />

<strong>eine</strong>m Denken, das nur zwei – hierarchisch aufeinander<br />

bezogene und heterosexuelle – Geschlechter<br />

kennt. Mit diesem Ziel verbunden ist<br />

der Abbau gesellschaftlicher (inklusive rechtlicher)<br />

Zwänge und Normierungen hinsichtlich<br />

der Frage, welche geschlechtlichen Selbstverständnisse,<br />

Identitäten und Ausdrucksweisen als<br />

„richtige“ anerkannt und „erlaubt“ werden. Feministische<br />

Politiken und Perspektiven zielen auf<br />

den Abbau von Geschlechterhierarchien und<br />

Geschlechterdiskriminierungen auf allen gesellschaftlichen<br />

Ebenen und auf die Beendigung von<br />

Sexismus (-> Glossar), Rassismus, Klassenhierarchien<br />

und -ausbeutung und Heteronormativität5 ab (hooks 2000b; Gržinić/Reitsamer 2008; Kurz-<br />

Scherf et al. 2009).<br />

Aber auch hinsichtlich der behaupteten<br />

Gleichstellung, was Entscheidungspositionen in<br />

Politik, Medien, Wissenschaft und Wirtschaft<br />

anbelangt, zeigt sich: Frauen sind nach wie vor<br />

unterrepräsentiert (BMFSFJ 2005, 2009, 2010a;<br />

GenderKompetenzZentrum 2010). Wenn einzelne<br />

Frauen, die Entscheidungspositionen innehaben<br />

und/oder fi nanziell sehr erfolgreich sind, als<br />

Beleg für die erreichte Gleichstellung hervorgehoben<br />

werden, werden die bestehenden sexistischen<br />

Geschlechterverhältnisse unsichtbar gemacht.<br />

So beträgt der Männeranteil in den Länderparlamenten,<br />

im Bundestag und bei den deutschen<br />

Abgeordneten des Europäischen Parlaments<br />

jeweils etwas über 70 Prozent (BMFSFJ 2005); der<br />

Anteil von Lehrstuhlinhabern an Universitäten<br />

in Deutschland beträgt rund 83 Prozent (BMFSJ<br />

2010b); in der Privatwirtschaft waren im Jahr<br />

2007 73 Prozent der höchsten Führungspositionen<br />

mit Männern besetzt; bei den Vorstandsposten<br />

der 200 umsatzstärksten Unternehmen (ohne<br />

Finanzsektor) liegt der Männeranteil bei über<br />

98 Prozent (BMFSFJ 2009, 2010a). Die Repräsentation<br />

von Männern in den Medien – als Berichterstatter/Journalisten<br />

oder als Gegenstand<br />

der Nachricht – beträgt gegenwärtig 77 Prozent<br />

(Deutscher Journalistinnenbund 2010).<br />

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren<br />

nimmt die Existenz und Sichtbarkeit von Frauen<br />

in Entscheidungspositionen – teilweise deutlich,<br />

teilweise kaum merklich – zu. Der berufl iche Erfolg<br />

einzelner Frauen ist unter gegenwärtigen Bedingungen<br />

allerdings stark mit <strong>eine</strong>r Umverteilung<br />

von Geld, Ansehen und Arbeit zwischen<br />

Frauen verbunden. Die Delegierung unbezahlter/<br />

schlecht bezahlter und abgewerteter Tätigkeiten<br />

wie beispielsweise Putzen, Kochen oder die Betreuung<br />

von Kindern an andere Frauen ist häufi g<br />

<strong>eine</strong> notwendige Voraussetzung für den berufl ichen<br />

Erfolg privilegierter Frauen – und Männer<br />

(Gather et al. 2008). Auch deshalb lässt sich der<br />

Erfolg feministischer Politik nicht ablesen an<br />

weiblichen Erfolgsgeschichten, die in den Medien<br />

präsentiert werden.<br />

2.2 Antifeministische Behauptung<br />

„Geschlechtergerechte Sprache macht viel Arbeit, ist<br />

unästhetisch und bringt nichts – Frauen sind doch sowieso<br />

immer mitgemeint!“<br />

RichterInnen, Bürger und Bürgerinnen, Lehrende,<br />

Politiker_innen, Expert*innen – es gibt vielfältige<br />

Vorschläge für <strong>eine</strong> andere, <strong>eine</strong> geschlechtergerechte<br />

Sprache. Über solche Vorschläge und<br />

Beschlüsse werden häufi g Witze gemacht, sie wer-<br />

5 Heteronormativität bedeutet, dass Heterosexualität (als Identität, als Lebensweise, als Begehren) und die damit verbundene exklusive<br />

Existenz von genau zwei aufeinander bezogenen Geschlechtern als Norm hergestellt und abgesichert wird – durch rechtliche Maßnahmen,<br />

durch Politik, durch Sprache, durch Filme, durch Bücher, durch Bildungsinstitutionen u.v.m.<br />

WISO<br />

Diskurs<br />

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