Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
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WISO<br />
Diskurs<br />
14<br />
sind, statt ausgeschlossen zu werden. Dabei gilt<br />
es m<strong>eine</strong>s Erachtens anzuerkennen, dass auch<br />
heterosexuelle Frauen von einigen Interventionen<br />
von Lesben in der und in die Frauenbewegung<br />
und von lesbischen Strategien der Bekämpfung<br />
sexistischer Strukturen, Denk- und Handlungsweisen<br />
profi tiert haben und profi tieren können.<br />
Last, but not least, muss der Behauptung<br />
<strong>eine</strong>r lesbischen Ausrichtung von <strong>Gleichstellungspolitik</strong><br />
widersprochen werden: Lesbische<br />
und queere (-> Glossar) Perspektiven sind gegenwärtig<br />
k<strong>eine</strong>swegs richtungsweisend für <strong>Gleichstellungspolitik</strong>en<br />
als solche. Staat und Recht<br />
sind durch heteronormative Denkweisen geprägt,<br />
die sich in den dominierenden Strategien zur<br />
Gleichstellung niederschlagen (quaestio 2000;<br />
femina politica 2005).<br />
2.6 Antifeministische Behauptung<br />
„Feminismus verletzt die Freiheit geschlechtlicher<br />
Selbstbestimmung: <strong>Gleichstellungspolitik</strong> ist staatliche<br />
Umerziehung!“<br />
Feminismus sei heute Staatsdoktrin geworden;<br />
durch gleichstellungspolitische Strategien und<br />
Maßnahmen wie Gender Mainstreaming, geschlechtersensible<br />
Pädagogik (-> Kapitel 5.2),<br />
Gender Trainings u. a. griffe der „Staatsfeminismus“<br />
in die freie Geschlechtsentwicklung des<br />
Menschen, insbesondere von Jungen und Männern,<br />
ein.<br />
2.6.1 Widerlegung<br />
– Feminismus ist meilenweit davon entfernt,<br />
„Staatsdoktrin“ zu sein.<br />
– Die „natürliche“ Geschlechtsentwicklung ist<br />
weder natürlich noch frei von gesellschaftlichen<br />
Einfl üssen.<br />
– Die Entwicklung „natürlicher“ männlicher<br />
und weiblicher Geschlechtsidentitäten führt<br />
zu Hierarchien und Ausschlüssen.<br />
2.6.2 Erläuterung<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
Die Behauptung zielt darauf ab, ein Bedrohungsszenario<br />
entstehen zu lassen, mit dem feministische<br />
und <strong>Gleichstellungspolitik</strong>en abgewehrt<br />
werden können (Roßhart 2008). Dabei ist Feminismus<br />
denkbar weit davon entfernt, „Staatsdoktrin“<br />
zu sein: Die Einteilung der Menschen in<br />
zwei Geschlechter, Männlichkeit und Hierar chien<br />
zwischen Männern und Frauen sind verwoben<br />
mit der Entstehung moderner Staatlichkeit und<br />
defi nieren auch heutige staatliche Strukturen und<br />
Politiken maßgeblich mit (Kreisky 1995; Ludwig<br />
et al. 2009). Das zeigt sich beispielsweise an <strong>eine</strong>r<br />
politischen Organisation von Erwerbsarbeit und<br />
Reproduktionsarbeit, die zu fi nanzieller Abhängigkeit<br />
und Armut von mehrheitlich Frauen<br />
führt. Es schlägt sich aber auch nieder in der<br />
ungleichen Anzahl von Männern und Frauen in<br />
politischen Entscheidungspositionen (-> Kapitel<br />
6.5) oder in der Rechtssprechung: Nur vier von<br />
sechzehn Verfassungsrichter_innen sind heute<br />
Frauen.<br />
Die Behauptung <strong>eine</strong>r illegitimen feministischen<br />
Einfl ussnahme auf die ansonsten „freie“<br />
Geschlechtsentwicklung blendet aus, dass die<br />
Geschlechtsentwicklung von Menschen immer<br />
Produkt „äußerer“ – auch staatlicher – Einfl üsse ist:<br />
Filme und Werbung prägen unsere Geschlechtsidentitäten<br />
ebenso wie Wissenschaften, Fami lienund<br />
Arbeitspolitik oder Schulbücher. Das heißt:<br />
Geschlechtsidentitäten werden gesellschaft lich<br />
hervorgebracht, und das gilt auch für jene Geschlechtsidentitäten,<br />
die als „natürlich“, „normal“<br />
und „frei“ gelten. Sie sind also veränderbar,<br />
und daher macht es Sinn, diese Geschlechterordnung<br />
genauer unter die Lupe zu nehmen. Zunächst<br />
lässt sich festhalten, dass dominante<br />
Vorstellungen von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“<br />
die Hierarchien zwischen Männern und<br />
Frauen eher herstellen und absichern. „Typische“<br />
männliche und weibliche Geschlechtsidentitäten<br />
spiegeln Geschlechterhierarchien wider und lassen<br />
sie zugleich als „natürlich“ und unveränderlich<br />
ersch<strong>eine</strong>n (Butler 1991). Dabei spiegeln sich<br />
in den Normen und Bewertungen von Männlich-