Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
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WISO<br />
Diskurs<br />
48<br />
7. Argumente zum Thema „Was ist Geschlecht?“<br />
Natur, Biologie, Gender Studies und <strong>Gleichstellungspolitik</strong><br />
Sebastian Scheele<br />
Hinter den verschiedenen Positionen in geschlechterpolitischen<br />
Diskussionen stehen un terschiedliche<br />
Vorstellungen darüber, was Geschlecht<br />
eigentlich ist, und was „gender“ bedeutet: Eine<br />
Norm? Eine unsere Gesellschaft strukturierende<br />
Kategorie? Eine natürliche Tatsache? Die Antwort<br />
auf diese Fragen hat Auswirkungen darauf, was<br />
<strong>Gleichstellungspolitik</strong> ist und (nicht) sein soll.<br />
Aus diesem Grund lohnt es sich, verschiedene<br />
antifeministische Positionen und Argumente<br />
etwas genauer zu betrachten.<br />
7.1 Antifeministische Behauptung<br />
„Frauen (Männer/Jungen/Mädchen…) sind von Natur<br />
aus so!“<br />
7.1.1 Widerlegung<br />
Frauen (Männer/Mädchen/Jungen...) sind so<br />
einiges – vor allem enorm vielfältig. Wer behauptet,<br />
über „Frauen an sich“ („die Männer“...) ganz<br />
genau Bescheid zu wissen, vereinheitlicht <strong>eine</strong><br />
große Anzahl von Menschen mit sehr unterschiedlichen<br />
Lebensweisen, Vorstellungen und<br />
Bedürfnissen.<br />
Durch solche Vereinheitlichungen werden<br />
all diejenigen abgewertet, die nicht in diese groben<br />
Klischees passen, sie gelten dann als „Ausnahme“,<br />
„anormal“, gar „unnatürlich“ oder werden<br />
einfach überhaupt nicht wahrgenommen.<br />
Auf jeden und jede Einzelne passen diese<br />
Stereotypen irgendwo nicht. Menschenfreundlich<br />
ist es, diesen Druck aufzuheben und darüber<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
nachzudenken, wie alle Menschen ihre Vielfalt<br />
leben können, statt die Welt in zwei Schubladen<br />
zu stecken.<br />
7.1.2 Erläuterung<br />
Die Gehirnforschung, die Gene, die Evolutionsbiologie<br />
– in den Medien ist derartige „Geschlechterforschung“<br />
beliebt, die Einparken, Schuhe<br />
kaufen etc. zu natürlichen geschlechtsspezifi -<br />
schen Fähigkeiten erklärt. Das ist biologistisch –<br />
das heißt, menschliche Verhaltensweisen und<br />
gesellschaftliche Zusammenhänge werden durch<br />
biologische Gesetzmäßigkeiten zu erklären versucht.<br />
Offenbar wird den Naturwissenschaften<br />
am meisten „objektive“ Erklärungskraft zugetraut,<br />
und die Forschung mit Laborexperiment<br />
oder Mikroskop scheint besonders anschaulich.<br />
Verloren geht dabei nicht nur, dass die tatsächliche<br />
naturwissenschaftliche Forschung wesentlich<br />
komplexer ist als das, was in populären Medien<br />
daraus zuspitzend gemacht wird, sondern auch<br />
grundsätzlichere Einsichten. So gibt es <strong>eine</strong> lange<br />
Tradition der (auch) feministischen Naturwissenschaftskritik,<br />
die sich mit der Frage der Objektivität<br />
von Forschung auseinandersetzt (Forum<br />
Wissenschaft 2004). Ist es nicht verwunderlich,<br />
dass in der Geschichte immer wieder diejenigen<br />
wissenschaftlichen Erkenntnisse für besonders<br />
objektiv gehalten wurden, die die jeweilige Gesellschaftsordnung<br />
legitimieren? In der Vergangenheit<br />
wurden beispielsweise unterschiedlichste<br />
Formen von Rassismus wissenschaftlich begründet<br />
(vgl. AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften<br />
2009) und Frauen wurden mit wis-