09.01.2013 Aufrufe

Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />

Bezug auf Geschlecht garantiert. Gerade deshalb<br />

verbirgt sich hinter der Ablehnung von Quoten<br />

häufi g <strong>eine</strong> generelle Ablehnung von Feminismus<br />

und <strong>Gleichstellungspolitik</strong>, die allerdings nicht<br />

ausgesprochen wird. Mit dem Argument, dass<br />

sich schlicht zu wenig qualifi zierte Frauen bewerben<br />

würden, wird über diskriminierende Auswahlverfahren<br />

hinweggetäuscht.<br />

Die Behauptung, Frauenquoten würden<br />

Männer diskriminieren, blendet die bestehenden<br />

diskriminierenden Strukturen hinsichtlich Geschlecht<br />

aus. Denn die geringe Anzahl von Frauen<br />

in Entscheidungspositionen in Politik, Wirtschaft<br />

und Wissenschaft (-> Kapitel 6.5) ist Ergebnis<br />

historisch gewachsener und verfestigter<br />

Diskriminierungen und Privilegierungen. Persönliche<br />

Wahlentscheidungen von Frauen und Männern<br />

greifen daher als Erklärung zu kurz. Stattdessen<br />

müssen die Normierungen und Hierarchisierungen<br />

in den Blick genommen und politisch<br />

bearbeitet werden, die den geschlechtsspezifi -<br />

schen Wahlentscheidungen zugrunde liegen: Damit<br />

m<strong>eine</strong> ich etwa die historisch gewachsenen<br />

geschlechtsspezifi schen Erwartungen an Männer<br />

und Frauen, die von diesen eingeschrieben – inkorporiert<br />

– werden, und die ihre Interessen, Fähigkeiten<br />

und Lebensentwürfe mitbestimmen.<br />

Gleichzeitig sind unterschiedliche Berufs- und<br />

Politikfelder geschlechtsspezifi sch aufgeladen,<br />

und mit dem Arbeitsplatz und den zugehörigen<br />

Tätigkeiten sind (implizite) Anforderungen verbunden,<br />

bestimmten Bildern von Weiblichkeit<br />

und Männlichkeit zu entsprechen. Hinzu kommt<br />

die ungleiche Verteilung von Reproduktionsarbeiten,<br />

wie Hausarbeit und die Erziehung und<br />

Pfl ege von Angehörigen, die es vor allem Männern<br />

erlaubt, Zeit und Energie mehr oder minder<br />

ausschließlich in bezahlte und der Karriere förderliche<br />

Tätigkeiten zu investieren; reproduktive<br />

Tätigkeiten werden von Frauen unbezahlt sowie<br />

zunehmend in Form gering bezahlter und prekär<br />

beschäftigter privater Dienstleistungsverhältnisse<br />

geleistet, womit <strong>eine</strong> zunehmende Umverteilung<br />

von Reproduktionsarbeiten zwischen Frauen verbunden<br />

ist. Schließlich sorgen Männernetzwerke<br />

dafür, dass Stellen häufi g nicht nur aufgrund von<br />

Qualifi kationen, sondern über persönliche Kontakte<br />

– an Männer – vergeben werden (Acker<br />

1990; OECD 2008; Wetterer 2002). Quoten stellen<br />

<strong>eine</strong>n Hebel dar, um bestehende Diskriminierungen<br />

(-> Glossar) auszugleichen, das Recht auf<br />

Gleichheit umzusetzen (Grundgesetz, Menschenrechte)<br />

und langfristige Transformationen der<br />

Geschlechterverhältnisse zu unterstützen.<br />

2.4 Antifeministische Behauptung<br />

„<strong>Gleichstellungspolitik</strong> basiert auf ideologischen Vorannahmen<br />

über Geschlecht – wahre wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse werden ignoriert.“<br />

Feministische Theorien, die <strong>Gleichstellungspolitik</strong>en<br />

mehr oder weniger stark prägen, werden als<br />

ideologisch dargestellt. Feministische Forschung<br />

sei nicht wertfrei und objektiv und deshalb k<strong>eine</strong><br />

richtige Wissenschaft. Auf dieser Grundlage werden<br />

<strong>Gleichstellungspolitik</strong>en abgewertet.<br />

2.4.1 Widerlegung<br />

– Der wahre Streitpunkt ist nicht die Qualität<br />

von Wissenschaften, sondern sind Geschlecht<br />

und Feminismus.<br />

– Wissenschaft ist nie neutral.<br />

– Mainstream-Wissenschaften stützen Geschlechterhierarchien<br />

und Geschlechternormierungen.<br />

– Feministische Wissenschaften helfen beim<br />

Abbau von Geschlechterhierarchien und Geschlechternormierungen.<br />

– Hinter dem Argument verbergen sich Vorbehalte<br />

gegenüber Wissenschaftlerinnen.<br />

2.4.2 Erläuterung<br />

Die Ablehnung von Feminismus und <strong>Gleichstellungspolitik</strong><br />

aufgrund des vorgeblich ideologischen<br />

Gehaltes feministischer Wissenschaften ist<br />

meistens ein Scheinargument. Tatsächlich geht es<br />

in erster Linie um Dominanzverhältnisse rund<br />

um Geschlecht.<br />

Frauen wurde einst der Zugang zu Universitäten<br />

und die Anerkennung als Wissenschaftlerinnen<br />

verwehrt. Dass heute vorrangig die Wissensproduktionen<br />

der Gender Studies/Geschlechterforschung,<br />

wo Männer nicht die Mehrheit der<br />

WISO<br />

Diskurs<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!