Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
WISO<br />
Diskurs<br />
44<br />
dotierten Positionen, ob in der Wissenschaft oder<br />
Wirtschaft, männlich besetzt (geschlechtsspezifi -<br />
sche vertikale Segregation). Der Anteil der Frauen<br />
in den höchst dotierten Professorenstellen beläuft<br />
sich gegenwärtig auf 13,3 Prozent und der<br />
Frauenanteil in den Vorständen bei den 200 größten<br />
Unternehmen in Deutschland beträgt 2,5 Prozent.<br />
In den Vorständen der 100 größten Unternehmen<br />
unterschreitet der Frauenanteil ein Prozent<br />
(gesis/Leipniz-Institut für Sozialwissenschaften<br />
2008; DIW 2010). Ausschlüsse aufgrund des<br />
Geschlechtes haben hier unterschiedliche Gründe,<br />
sie reichen von Rekrutierungsmechanismen<br />
über Unternehmenskulturen bis zu Benachtei ligungen<br />
durch Erwerbsunterbrechungen wegen<br />
Erziehungszeiten. Darüber hinaus werden bestimmte<br />
Verhaltensweisen, wie beispielsweise<br />
„Ellenbogenmentalität“ oder stetige Verfügbarkeit,<br />
mit Leistung gleichgesetzt, ohne zu sehen,<br />
dass diese mit Geschlechterstereotypen verbunden<br />
sind.<br />
Des Weiteren ist die geschlechtsspezifi sche,<br />
horizontale Segregation (Geschlechterverteilung<br />
in Branchen) noch immer nicht überwunden.<br />
Oftmals werden hier die Berufsfi ndungsprozesse<br />
von hauptsächlich Mädchen herausgehoben, dabei<br />
lohnt auch hier <strong>eine</strong> Differenzierung. So entscheiden<br />
sich Jungen eher für so genannte Männerberufe<br />
als Mädchen für so genannte Frauenberufe,<br />
das liegt unter anderem auch daran, dass<br />
die Auswahl hier größer ist. (Als Männer- oder<br />
Frauenberuf werden Berufe gekennzeichnet, in<br />
denen der jeweilige geschlechterspezifi sche Anteil<br />
höher als 80 Prozent liegt.) Gar nicht gesehen<br />
wird häufi g, dass individuelles Verhalten, also<br />
hier das Berufswahlverhalten, letztlich Folge <strong>eine</strong>s<br />
gesellschaftlichen Gesamtsystems von Verhältnissen,<br />
Normen und Werten, Möglichkeiten,<br />
Ressourcen u.a. ist. Gesellschaftliche Geschlechtsrollenstereotype,<br />
in oben genannten Argumentationen<br />
vielfach bereits beschrieben, sind nicht<br />
überwunden und prägen politisches, unternehmerisches<br />
und individuelles Handeln.<br />
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen,<br />
ihre Wirkungen auf Geschlechterverhältnisse<br />
und realen Lebenswirklichkeiten<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
von Frauen und Männern werden häufi g negiert,<br />
was auch den Blick auf die Lösung gesamtgesellschaftlicher<br />
Probleme verstellt (z.B. Entwicklung<br />
von Bevölkerung, Fachkräftebedarf, Globalisierung<br />
und ihre Folgen).<br />
6.7 Antifeministische Behauptung<br />
„Männer sind die Verlierer der Wirtschafts- und<br />
Finanzkrise.“<br />
6.7.1 Widerlegung<br />
– Auf den ersten Blick sind in den Industrieländern,<br />
besonders in den Exportnationen (z. B.<br />
Deutschland, Japan) Arbeitsplätze in männerdominierten<br />
Bereichen von der Krise betroffen<br />
gewesen (Erstrundeneffekt). Von den anschließenden<br />
Sparmaßnahmen, wie den Kürzungen<br />
öffentlicher Versorgungsangebote und der sozialen<br />
Infrastruktur, sind jedoch vor allem<br />
Frauen betroffen (Zweitrundeneffekt).<br />
– Rettungsmaßnahmen haben gleichzeitig zu<br />
72 Prozent Arbeitsplätze in männerdominierten<br />
Branchen unterstützt.<br />
6.7.2 Erläuterung<br />
Zunächst muss bei <strong>eine</strong>r ersten „Momentaufnahme“<br />
festgestellt werden, dass sich die Krise in<br />
den westlichen Ländern stärker auf Männer auswirkte<br />
als auf Frauen, da sie in den besonders<br />
konjunkturanfälligen Branchen (Automobilindustrie,<br />
Bauwirtschaft, Kommunikations- und<br />
Informationstechnologie) dominieren. Dennoch<br />
ist diese Aussage nicht ausreichend, um die Geschlechterverhältnisse<br />
in diesen Krisenzeiten genauer<br />
zu beschreiben. Bei <strong>eine</strong>r differenzierten<br />
Betrachtung wird mit dieser Aussage nur ein Teil<br />
der Krisenfolgen abgebildet, die sich zum <strong>eine</strong>n<br />
auf die westliche Welt beziehen und zum anderen<br />
nur die Erstrundeneffekte abzeichnen. Genau<br />
diesen ersten Auswirkungen der Krise wurde auch<br />
mit umfangreichen Rettungspaketen von staatlicher<br />
Seite begegnet. Es ist mittlerweile auch