Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
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Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />
weise nur die „Rosinen“ in besonderen Positionen<br />
herauspicken wollen.<br />
Faktisch gibt es <strong>eine</strong>n größeren Männeranteil<br />
in bestimmten Berufszweigen, genauso wie es<br />
<strong>eine</strong>n größeren Frauenanteil in anderen Branchen<br />
gibt. Diese Geschlechtsspezifi k ist historisch<br />
begründet und hat ihre entscheidende Ausprägung<br />
in der Industriegesellschaft erfahren: Hier<br />
wurde schwere körperliche Arbeit von Männern<br />
geleistet, während die häusliche Arbeit, einschließlich<br />
der Betreuungs- und Pfl egearbeit, unentgeltlich<br />
im privaten Familienkontext durch<br />
Frauen geleistet wurde. Mit der zunehmenden<br />
Herauslösung dieser unbezahlten Familienarbeit<br />
in die bezahlte Dienstleistung wurden diese Berufe<br />
dann auch weiter von Frauen ausgeübt. Mit<br />
dem Wandel hin zur Wissensgesellschaft überholen<br />
sich diese strikten Geschlechterrollen immer<br />
mehr oder werden gar bei Festhalten an ihnen<br />
zum Hemmnis neuer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher<br />
Entwicklungen, da insbesondere Bildung<br />
als entscheidende Voraussetzung in allen<br />
Berufsbranchen gelten muss.<br />
Dieses o.g. Argument führt sich daher im<br />
Zuge der Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft<br />
zunehmend selbst ad absurdem.<br />
„Drecks- und körperlich schwere“ Industriearbeit<br />
ist auch für Männer unwürdig, ist/war aber noch<br />
immer gesellschaftlich hoch anerkannt (Bezahlung).<br />
„Drecks- und körperlich schwere“ Pfl egearbeit,<br />
<strong>eine</strong> Domäne des ursprünglich nicht bezahlten<br />
häuslichen Bereichs und noch immer<br />
„typische“ Frauenarbeit, erfährt durch dieses o. g.<br />
Argument neben s<strong>eine</strong>r gesellschaftlichen Geringerschätzung<br />
(Bezahlung) <strong>eine</strong> weitere Diskriminierung.<br />
6.4 Antifeministische Behauptung<br />
„Frauen wollen nur Teilzeit arbeiten, was auch die geringere<br />
Bezahlung nach sich zieht. Die Frauen werden<br />
nicht dazu gezwungen, das basiert auf Freiwilligkeit.“<br />
6.4.1 Widerlegung<br />
– Mehr als die Hälfte aller Teilzeitbeschäftigten<br />
arbeitet aus familiären Gründen im reduzierten<br />
Umfang.<br />
– Frauen arbeiten häufi g unfreiwillig Teilzeit<br />
wegen z. B. mangelnder Ganztagsbetreuungsoder<br />
Beschäftigungsangebote.<br />
– Staatliche Rahmenbedingungen, wie beispielsweise<br />
das durch Steuern abgesicherte Ernährermodell,<br />
fördern die Berufstätigkeit von Frauen<br />
als „Zuverdienst“.<br />
6.4.2 Erläuterung<br />
Auch hier werden individuelle Entscheidungen<br />
als allgemeingültig hingestellt, ohne die Gründe<br />
für die hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen zu<br />
hinterfragen, die in vielfältigen Untersuchungen<br />
offen gelegt sind. Eine Studie der Hans-Böckler-<br />
Stiftung z. B. sagt aus, dass der Niedriglohnsektor<br />
seit 1995 um ca. 43 Prozent angestiegen ist und<br />
in diesem sind 68,8 Prozent weiblich (Böckler<br />
2009). Eine weitere Untersuchung der Hans-<br />
Böckler-Stiftung weist darauf hin, dass Teilzeitbeschäftigungen<br />
im Westen wie im Osten zunehmen.<br />
„In Westdeutschland ist die zunehmende<br />
Erwerbsbeteiligung von Frauen auf mehr Teilzeitarbeit<br />
zurückzuführen. Im Osten wechseln<br />
Frauen von <strong>eine</strong>r Vollzeit- auf <strong>eine</strong> Teilzeitstelle –<br />
dies jedoch oft unfreiwillig“ (Böckler 2010: o.A.).<br />
Dass dies nicht freiwillig geschieht, wird von<br />
<strong>eine</strong>r aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung<br />
belegt: „36 Prozent der Mütter, so die Studie der<br />
Bertelsmann Stiftung, würden ihre Erwerbstätigkeit<br />
gerne ausdehnen, wenn ihnen <strong>eine</strong> entsprechende<br />
Kinderbetreuung zugänglich wäre“<br />
(Stachelhaus 2010: o.A.).<br />
An dieser Stelle werden genauso wie bei einigen<br />
vorherigen Beispielen strukturelle/gesellschaftliche<br />
Rahmenbedingungen und Gründe<br />
individualisiert und damit notwendige Veränderungsprozesse<br />
negiert.<br />
WISO<br />
Diskurs<br />
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