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Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

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WISO<br />

Diskurs<br />

54<br />

Die antifeministischen Stellungnahmen der letzten<br />

Jahre unterscheiden sich in einigem: Manche<br />

gehen eher von <strong>eine</strong>m religiösen Standpunkt aus,<br />

manche von <strong>eine</strong>r Betroffenenperspektive beispielsweise<br />

von Männern, manche von nationalistischen<br />

Erwägungen o. ä. In vielem ähneln sie<br />

sich jedoch: Es gibt einige Grundstrukturen, die<br />

den unterschiedlichen Argumentationen gemeinsam<br />

sind. Um zu zeigen, auf welche Art der Antifeminismus<br />

rückwärts gewandte Antworten auf gegenwärtige<br />

politische Fragen formuliert, werden<br />

hier zwei grundlegende Denkmuster vorgestellt.<br />

8.1 Strukturelle Fragen liegen außerhalb<br />

des Horizonts: Privatismus<br />

Angenommen in ihren Sitzungen sprächen beispielsweise<br />

UmweltpolitikerInnen ausschließlich<br />

darüber, wer zu Hause wie den Müll trenne, Energiespargeräte<br />

verwende und beim Zähneputzen<br />

das Wasser an- oder abdrehe. Dass dabei Fragen<br />

wie die Infrastruktur der Abfallentsorgung, die<br />

Restlaufzeit von Atomkraftwerken oder Schadstoffgrenzwerte<br />

im Trinkwasser hintenüberfallen<br />

würden, würde uns misstrauisch machen und<br />

kritische Stimmen in Medien und Verbänden auf<br />

den Plan rufen. In der Geschlechterpolitik scheint<br />

es aber gerade so, dass Teile dieser Stimmen <strong>eine</strong>n<br />

solchen „Privatismus“ politischer Fragen selbst<br />

betreiben: <strong>eine</strong> Verkürzung von Geschlechterpolitik<br />

auf Aspekte des Privatlebens, individuellen<br />

Verhaltens und persönlicher Beziehungen.<br />

Geschlecht kommt dann weder als Strukturkategorie<br />

in den Blick, noch als Norm, sondern ausschließlich<br />

als Eigenschaft und Identität von Individuen.<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

8. Themenübergreifende Denkmuster des aktuellen Antifeminismus<br />

Sebastian Scheele<br />

Damit soll nicht gesagt werden, dass Mülltrennung<br />

oder Beziehungsgestaltung unwichtig<br />

wären, oder auch nur dass sie von strukturellen<br />

Phänomenen unbeeinfl usst wären – im Gegenteil.<br />

Vielmehr geht es darum, mit analytischem<br />

Blick individuelle, institutionelle und strukturelle<br />

Ebenen erkennen zu können, um danach auch<br />

ihre Wechselbeziehungen zu sehen. Um im Beispiel<br />

zu bleiben: Biomüll zu trennen ist sinnvoll,<br />

wenn er auch abgeholt und angemessen verwertet<br />

wird; Beziehungen sind egalitärer, wenn sie<br />

nicht auf wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen<br />

aufbauen etc. Die Zeiten, in denen Umweltpolitik<br />

als Privatmarotte von „Ökospinnern“<br />

verunglimpft wurde, liegen glücklicherweise <strong>eine</strong><br />

Weile zurück. Es wäre doch erfreulich, wenn auch<br />

der geschlechterpolitische Diskurs die privatistische<br />

Phase hinter sich lassen würde.<br />

8.1.1 Geschlecht ist mehr als <strong>eine</strong><br />

Identitätsfrage – und Geschlechterpolitik<br />

ist mehr als Persönlichkeitswachstum<br />

und Partnerschaftsberatung<br />

Geschlecht strukturiert Gesellschaft: Es ist <strong>eine</strong><br />

Strukturkategorie, die insbesondere die Arbeitsteilung<br />

reguliert (Lorber 1999). Die Zuweisungen<br />

zu bestimmten Tätigkeiten sowie die Verhaltenserwartungen,<br />

die sich an das Geschlecht knüpfen,<br />

können als Geschlechternormen bezeichnet<br />

werden. Auf dieser Ebene setzt Geschlechterpolitik<br />

an, nicht auf der Ebene der Identitäten, die<br />

Menschen in Anlehnung an und in Abgrenzung<br />

(auch) zu Geschlechternormen aufbauen. Dennoch<br />

verstehen antifeministische Positionen Geschlechterpolitik<br />

häufi g ausschließlich auf <strong>eine</strong>r<br />

solchen individualisierten Ebene – sie wird ent-

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