Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
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WISO<br />
Diskurs<br />
6<br />
Es gibt antifeministische Stimmen, die die<br />
Gleichstellung der Geschlechter als Bedrohung<br />
ansehen und regelrecht dagegen hetzen. Antifeministen<br />
und Antifeministinnen greifen Problemlagen<br />
auf, die von vielen Menschen als echte<br />
gesellschaftliche Probleme schmerzhaft erfahren<br />
werden – und ziehen dann als Ursache für die<br />
Probleme „den Feminismus“ heran. Feminismus,<br />
Frauenbewegung, Gender Mainstreaming und<br />
Geschlechterforschung werden in <strong>eine</strong>n Topf geworfen<br />
und verantwortlich gemacht für verschiedene<br />
Dinge wie die gefühlte Benachteiligung von<br />
Männern, für <strong>eine</strong> angeblich drohende demographische<br />
Katastrophe und vieles mehr.<br />
Dabei wird der Einfl uss der <strong>Gleichstellungspolitik</strong><br />
auf die Entwicklung Deutschlands maßlos<br />
übertrieben. Zumeist sind die Ursachen für soziale<br />
Probleme in gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen<br />
zu fi nden. Seit den 1980er Jahren bestimmen<br />
neoliberale Ideen die Politik: Der Staat baut<br />
soziale Sicherheit ab und öffentliche Aufgaben<br />
werden an private Unternehmen abgegeben. Die<br />
seit dieser Zeit durchgeführten Reformen der<br />
Weltwirtschaft und des Bankensystems haben zur<br />
aktuellen Krise geführt, in deren Folge noch weniger<br />
Mittel für öffentliche Leistungen zur Verfügung<br />
stehen werden. Die Arbeitslosigkeit steigt<br />
seit Mitte der 1970er Jahre, prekäre Arbeitsverhältnisse<br />
nehmen zu und werden auch für die<br />
Mittelschichten zur Normalität. Immer mehr Familien<br />
benötigen zwei Einkommen, und gleichzeitig<br />
wollen immer mehr Frauen ihre gute Ausbildung<br />
auch nutzen und damit wirtschaftlich<br />
selbstständig sein. Das ist individuell sinnvoll, es<br />
entlastet Partnerinnen und Partner von der alleinigen<br />
Verantwortung für die materielle Versorgung<br />
der Familie und schließlich ist es volkswirtschaftlich<br />
sinnvoll, dass die Bildungsinvestitionen<br />
von gut ausgebildeten Frauen nicht brachliegen,<br />
während diese jahrelange berufl iche Auszeiten<br />
in der Familienphase haben. Aber dadurch stellt<br />
sich zunehmend das Problem, wer in Zukunft die<br />
Arbeiten erbringt, die bisher unsichtbar und unbezahlt<br />
von (Ehe-)Frauen geleistet wurden, wie<br />
Kindererziehung, Altenpfl ege oder Hausarbeit.<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
Eine moderne <strong>Gleichstellungspolitik</strong> zielt auf<br />
<strong>eine</strong> neue Arbeitsteilung ab, in der sich Männer<br />
und Frauen diese Arbeiten gerechter teilen. Und<br />
davon können alle profi tieren. Zudem ist <strong>Gleichstellungspolitik</strong><br />
kein Nullsummenspiel, bei dem<br />
nur dann jemand gewinnen kann, wenn <strong>eine</strong>m<br />
anderen etwas weggenommen wird. Im Gegenteil<br />
gewinnen alle an Entscheidungsfreiheit, wenn<br />
die strukturellen Zwänge überwunden werden,<br />
die Menschen in Geschlechterrollen drängen.<br />
Sich von dem Druck zu befreien, Rollen erfüllen<br />
zu müssen und die Strukturen zu kritisieren, die<br />
diesen Druck erzeugen – das bedeutet für uns<br />
Emanzipation und das ist ein Ziel von Feminismus.<br />
Und dazu soll diese <strong>Argumentationshilfe</strong><br />
<strong>eine</strong>n Beitrag leisten.<br />
Die Autorinnen und Autoren dieser <strong>Argumentationshilfe</strong><br />
arbeiten alle in der Beratung, Bildung<br />
und Forschung zu Geschlechterfragen und<br />
diskutieren in ihrem Arbeitsalltag mit verschiedenen<br />
Menschen über Diskriminierung, <strong>Gleichstellungspolitik</strong><br />
und Feminismus. In ihrer Arbeit<br />
leisten sie Hilfestellung bei der Umsetzung von<br />
<strong>Gleichstellungspolitik</strong> – was auch das Ziel dieser<br />
Publikation ist.<br />
Die Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
hat es möglich gemacht, dass wir in <strong>eine</strong>m<br />
Team von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft<br />
und Praxis diese <strong>Argumentationshilfe</strong> entwickeln<br />
konnten. Wir haben uns in Redaktions-<br />
Workshops, die von Heike Gumpert moderiert<br />
wurden, darüber ausgetauscht, welche antifeministischen<br />
Behauptungen uns in unserer Arbeit<br />
begegnen und wie wir damit umgehen. Gemeinsam<br />
haben wir die Zusammenhänge diskutiert,<br />
die wir für die Widerlegungen und Erklärungen<br />
wichtig fanden.<br />
Julia Roßhart beginnt mit <strong>eine</strong>r Erklärung<br />
gleichstellungspolitischer Strategien und Begriffe.<br />
Unter dem Stichwort „Männerbenachteiligung“<br />
hat Thomas Gesterkamp verschiedene Behauptungen<br />
analysiert, mit denen Männer als Opfer<br />
und Verlierer von Feminismus dargestellt werden.<br />
Manfred Köhnen zeigt auf, wie Familie und Partnerschaft<br />
von der Politik beeinfl usst werden und