Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
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WISO<br />
Diskurs<br />
34<br />
5.3.2 Erläuterung<br />
Ziel von Kinderkrippen, Kindergärten und Kindertagesstätten<br />
ist die frühkindliche Bildung. Es<br />
geht nicht darum, Kinder zu „verwahren“. Ausgebildete<br />
Erzieher_innen fördern und fordern<br />
Kinder, um ihnen zu <strong>eine</strong>r bestmöglichen Entwicklung<br />
zu verhelfen.<br />
Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse darüber,<br />
dass Kinder am besten in Interaktion mit anderen<br />
Kindern und in <strong>eine</strong>r anregenden Umgebung<br />
lernen (König 2010). Kinder profi tieren davon,<br />
wenn sie <strong>eine</strong> Vielfalt von Lebensentwürfen<br />
kennenlernen. Grundsätzlich geht es darum, Kinder<br />
in Interaktion mit Anderen, in <strong>eine</strong>r anregenden,<br />
speziell ausgestatteten Umgebung und mit<br />
durchdachten Konzepten zu bilden und zu erziehen<br />
(Fthenakis 2008).<br />
Der Staat will Eltern ihre Kinder nicht „wegnehmen“.<br />
Eltern können entscheiden, wie und<br />
wo sie ihre Kinder erziehen, da es k<strong>eine</strong> KiTa-<br />
Pfl icht gibt. Aber Menschen können nur dann<br />
frei entscheiden, wenn ihnen vielfältige Möglichkeiten<br />
zur Verfügung stehen. Eine Vielfalt von<br />
bezahlbaren Betreuungsangeboten ermöglicht<br />
Eltern zu entscheiden, welche Rolle sie einnehmen<br />
wollen: die der berufstätigen Mutter, des<br />
berufstätigen Vaters, des Karrieremanns, der Karrierefrau,<br />
des Hausmanns, der Hausfrau oder <strong>eine</strong><br />
ganz andere, selbst gestaltete.<br />
Wenn Frauen <strong>eine</strong> Mutterrolle zugeschrieben<br />
wird, in der ihr einziger Lebensinhalt die Betreuung<br />
und Pfl ege von Familienangehörigen sein<br />
soll, dann beschränkt das Frauen in ihrer persönlichen<br />
Freiheit – und auch Männer, denen erzieherische<br />
Aufgaben somit gar nicht zustehen.<br />
Nicht jede Frau ist <strong>eine</strong> Mutter und nicht jede<br />
Frau, die ein Kind hat, ist immer nur Mutter. Die<br />
Gleichsetzung von Frau = Mutter dient dazu,<br />
Frauen in <strong>eine</strong> bestimmte Rolle zu drängen.<br />
Badinter spricht von <strong>eine</strong>m regelrechten Stillzwang,<br />
der Müttern auferlegt wird und durch den<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
nicht-stillenden Müttern ein schlechtes Gewissen<br />
eingeredet wird (2010: 80ff.). In Deutschland<br />
wird das Bild <strong>eine</strong>r „Rabenmutter“ hochgehalten,<br />
die ihr Kind vernachlässigt und ihm schadet,<br />
wenn sie es nicht selber betreut. Wenn das tatsächlich<br />
der Fall wäre, würde allerdings in Frankreich,<br />
Dänemark, Belgien und vielen anderen<br />
Staaten die Mehrheit der Menschen <strong>eine</strong>n Schaden<br />
haben.<br />
Interessant ist, dass in Staaten, in denen<br />
Kinderbetreuung besser ausgebaut ist als in<br />
Deutschland und wo es üblich ist, dass Frauen<br />
erwerbstätig sind und Kinder haben, der Gender<br />
Pay Gap19 geringer und die Geburtenrate höher<br />
ist (Vinken 2007). Die Wissenschaftlerin Barbara<br />
Vinken, die das Bild der deutschen Mutter <strong>eine</strong>r<br />
aufschlussreichen Analyse unterzogen und Vergleiche<br />
mit anderen europäischen Staaten gezogen<br />
hat, stellt fest: „Der deutsche Sonderweg<br />
schadet Kindern und Müttern gleichermaßen.<br />
Die fehlende Kinderbetreuung hat Deutschland<br />
im europäischen Vergleich in Sachen Karriere<br />
von Frauen, Verdienstmöglichkeiten und Geburtenrate<br />
ganz nach hinten katapultiert“ (Vinken<br />
2007: 36).<br />
Eine qualitativ hochwertige und fl exible Kinderbetreuung<br />
ist notwendig, damit Eltern die<br />
Chance haben, Beruf und Familie zu vereinbaren<br />
und die Zeit mit ihren Kindern nutzen zu können.<br />
Es kommt nicht nur darauf an, wie viel Zeit<br />
Eltern mit ihren Kindern verbringen, sondern wie<br />
diese Zeit genutzt wird. Im Idealfall können sich<br />
Eltern die Erwerbs- und Betreuungsarbeit nach<br />
ihren Bedürfnissen und Wünschen teilen und so<br />
Zeit als Familie verbringen. Der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten,<br />
die Aus- und Weiterbildung<br />
von pädagogischen Fachkräften und die<br />
Weiterentwicklung von pädagogischen Konzepten<br />
ist <strong>eine</strong> notwendige Investition in frühkindliche<br />
Bildung. Solche Maßnahmen führen dazu,<br />
dass Eltern mehr Freiheit in der Gestaltung ihrer<br />
Elternrollen haben.<br />
19 Der Gender Pay Gap bezeichnet den durchschnittlichen Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern, der in Deutschland zur Zeit bei<br />
23 Prozent liegt (-> Glossar).