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Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

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WISO<br />

Diskurs<br />

62<br />

Einblick in die Geschichte der deutschen Frauenbewegung<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

Die deutsche Frauenbewegung hat <strong>eine</strong> lange Geschichte. Zurückverfolgen lässt sie sich bis zur Märzrevolution<br />

1848, als Frauen auf sehr verschiedene Weise um wirtschaftliche, politische und kulturelle<br />

Rechte zu kämpfen begannen. Die Frauenbewegung differenzierte sich schon damals ständig<br />

aus. Es gab z.B. die bürgerliche Frauenbewegung und die sozialistische Frauenbewegung, die mit der<br />

Erstarkung der Arbeiterbewegung einherging. Frauen agierten autonom in eigenen Ver<strong>eine</strong>n, sie<br />

engagierten sich in Verbänden, in sozialen Projekten oder in Gewerkschaften und Parteien. Gemeinsames<br />

Anliegen war die Befreiung der Frauen aus ihrer nahezu vollständigen Abhängigkeit<br />

vom Mann – persönlich (Vater, Ehemann) wie gesellschaftlich (Gesetze, Institutionen, gesellschaftliche<br />

Normen). Gleichberechtigung durch Gesetze war ein zentrales Ziel. Ein für Deutschland<br />

entscheidendes Ergebnis der so genannten 1. Frauenbewegung war z. B. die Erkämpfung des<br />

Wahlrechts für Frauen im Zuge der Novemberrevolution 1918. Die 2. Frauenbewegung entwickelte<br />

sich in Ost- und West-Deutschland sehr unterschiedlich. In der Deutschen Demokratischen Republik<br />

(DDR) wurde die berufl iche Gleichstellung der Frauen Teil staatlicher Politik. Allerdings<br />

blieb die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Aufgabe der Frauen. Zu Beginn der 1980er Jahre<br />

entwickelte sich in der DDR <strong>eine</strong> vielfältige und gut vernetzte nichtstaatliche Frauenbewegung,<br />

die aus vielen verschiedenen Gruppen bestand. Diese organisierten sich im Rahmen der evangelischen<br />

Kirche und der Friedensbewegung, sie waren informell und zahlenmäßig kl<strong>eine</strong>r als die<br />

Frauenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland (BRD). In der BRD entstand die 2. Frauenbewegung<br />

in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie war politisch verbunden mit<br />

der Jugend- und Studentenbewegung. Auch sie war sehr facettenreich. Sie ging in ihren Programmatiken<br />

und politischen Praxis weit über die Forderung nach juristischer Gleichberechtigung<br />

hinaus. In der autonomen Frauenbewegung dieser Zeit wurden radikale Kritiken an Herrschaftsund<br />

Machtstrukturen, an der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen sowie an normierenden<br />

Geschlechterrollen formuliert. Frauen forderten Selbstbestimmung über den eigenen Körper,<br />

das Recht auf Abtreibung, <strong>eine</strong>n wirksamen Schutz der Frauen vor männlicher, häuslicher Gewalt.<br />

Als Akteurinnen der autonomen Frauenbewegung wurden erstmalig auch lesbische Frauen kollektiv<br />

öffentlich sichtbar und politisch aktiv. In dieser Zeit entstanden in vielen Städten Frauen zentren,<br />

Frauenbuchläden, Frauenhäuser, Müttergruppen, wissenschaftliche Frauenprojekte und die<br />

Anfänge <strong>eine</strong>r kritischen Frauen- und Geschlechterforschung. Lesben, Women of Color und<br />

Schwarze Feministinnen sowie Frauen mit Arbeiterklasse-Hintergrund gründeten teilweise eigene<br />

feministische Gruppen und forderten ihren Platz in der Frauenbewegung ein. Ein Teil dieser<br />

Frauenbewegung ging in den 80er Jahren verstärkt den Weg in die Institutionen: Parteien, Gewerkschaften,<br />

Verwaltungen und Universitäten. Ab dem Jahr 1989 wurden in allen Bundes ländern<br />

und auf der Bundesebene Gleichstellungsgesetze verabschiedet. Mit Beginn der Bundesrepublik<br />

Deutschland existiert § 3 des Grundgesetzes, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum<br />

Grundrecht erklärt. Dieser Paragraph wurde 1994 um die Verpfl ichtung des Staates zur aktiven<br />

Umsetzung dieses Grundrechtes erweitert, ein Tatbestand, der sich aus den politischen Aktivitäten<br />

der 2. Frauenbewegung erklärt. Ein politischer Erfolg der Frauenbewegung war au ßerdem die<br />

Verabschiedung <strong>eine</strong>s Gewaltschutzgesetzes im Jahr 2002.<br />

Heute existieren vielfältige feministische autonome bzw. bewegungspolitische Aktivitäten: politische<br />

Gruppen, Diskussionsveranstaltungen, Demos, Veröffentlichungen, Ladyfeste u.a.m. Mit den<br />

1990er Jahren rückten hier insbesondere die einschränkenden und ausschließenden Normen zu<br />

Geschlecht und Sexualität in den Fokus der Kritik, und es entstanden vielfältige queer-feministische<br />

Aktivitäten, Räume und Netzwerke.

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