Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />
heiratete Väter hatten in der Vergangenheit k<strong>eine</strong>n<br />
Anspruch auf ein gemeinsames Sorgerecht,<br />
wenn Mütter diesem Wunsch nicht zustimmten.<br />
Gesetze und Gerichtsurteile beruhten für Jahrzehnte<br />
auf dem Bild <strong>eine</strong>s Vaters, der nicht bereit<br />
ist, Verantwortung zu tragen; <strong>eine</strong>s „unzu verlässigen<br />
Filous“, der „gefallene Mädchen“ im<br />
Stich lässt und die Folgen <strong>eine</strong>r kurzen Affäre bequem<br />
an die Mutter delegiert.<br />
Von den jährlich rund 200.000 Scheidungen<br />
in Deutschland sind gut 150.000 Kinder betroffen.<br />
Die meisten getrennt lebenden Eltern fi nden<br />
ein halbwegs zufrieden stellendes Arrangement.<br />
Die Familienrechtsreform von 1998 hat erheblich<br />
zur Entschärfung der Konfl ikte um das Sorgerecht<br />
beigetragen. Im August 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht<br />
die fortbestehende Benachteiligung<br />
lediger Väter für gesetzeswidrig. Das Bundesjustizministerium<br />
soll das Urteil jetzt umsetzen.<br />
Künftig wird beiden Elternteilen Verantwortung<br />
für das „Kindeswohl“ zugeschrieben – ob sie<br />
verheiratet sind oder nicht. Väterrechtsorganisationen<br />
fordern, die gemeinsame Sorge auch ohne<br />
Ehe zum Regelfall zu erklären. In der parlamentarischen<br />
Beratung zeichnet sich indes ab, dass<br />
Union und SPD das Sorgerecht weiterhin zunächst<br />
der Mutter zusprechen wollen; ledige Väter<br />
können es beantragen und vor Gericht einfordern.<br />
Die FDP spricht diplomatisch von <strong>eine</strong>r<br />
„differenzierten Widerspruchslösung“: Zumindest<br />
müsste Vätern die Möglichkeit eingeräumt<br />
werden, schnell und mit guten Chancen <strong>eine</strong>n<br />
Entscheid zu ihren Gunsten herbeizuführen.<br />
3.6 Antifeministische Behauptung<br />
„Die Medien ignorieren unsere Anliegen.“<br />
3.6.1 Widerlegung und Erläuterung<br />
Männerrechtler prangern die öffentliche Nichtbeachtung<br />
ihrer Anliegen an. Angeblich unterwerfen<br />
sich die Medien <strong>eine</strong>r feministischen Deutungshoheit<br />
und berichten zu wenig über die Benachteiligung<br />
von Männern. Eine „Kaste der Feminismus-<br />
und Genderfunktionäre“ (Paulwitz<br />
2008: 1) habe die kulturelle Vorherrschaft erobert,<br />
Frauen seien allgegenwärtig, und bestimmen die<br />
Themen. So würde jede männliche Opposition<br />
unterdrückt.<br />
Faktisch wird das Thema alles andere als ignoriert:<br />
Angesichts von diversen Aufmachern in<br />
Die Zeit, Focus und Der Spiegel kann von Medienboykott<br />
überhaupt k<strong>eine</strong> Rede sein. Vor allem die<br />
Frankfurter Allgem<strong>eine</strong> Zeitung thematisiert immer<br />
wieder den angeblichen Bedeutungsverlust des<br />
Mannes. Schon 2003 behauptete Mitherausgeber<br />
Frank Schirrmacher, Frauen hätten die „Bewußtseinsindustrie“<br />
(Schirrmacher 2003: 33) übernommen.<br />
Als wichtigsten Beleg führte er an, dass<br />
weibliche Talkshow-Moderatorinnen den politischen<br />
Männerrunden die Stichworte liefern dürfen.<br />
Müttern hielt Schirrmacher unter Verweis<br />
auf neue Erkenntnisse der Verhaltensbiologie vor,<br />
ihre natürliche Aufgabe in den Familien zu vernachlässigen.<br />
Neokonservative Sichtweisen auf die Geschlechterfrage<br />
und antifeministische Argumente<br />
werden in den Medien seit Jahren ständig aufgegriffen<br />
und unterstützt (Roßhart 2008; Gesterkamp<br />
2010). Im Internet betreiben Männerrechtler<br />
regelrechte Kampagnen. Sie versuchen durch<br />
anonymes Posten und Vielschreiberei quantitativ<br />
zu dominieren und unverfängliche Foren (Piratenpartei,<br />
Aktion Mensch, Zeit online) zu „entern“.<br />
WISO<br />
Diskurs<br />
21