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Gleichstellungspolitik kontrovers - eine Argumentationshilfe

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WISO<br />

Diskurs<br />

38<br />

23 Prozent liegt. Der Grund hierfür liegt beispielsweise<br />

in den unterschiedlichen Erwerbsbiographien<br />

(aufgrund von Mutterschutz und Elternzeit),<br />

der Wertigkeit von typischerweise von Frauen<br />

und Männern ausgeführten Berufen und der<br />

damit einhergehenden Einordnung in Tarifverträge<br />

und deren Bezahlung. Auch die geringeren<br />

Aufstiegschancen von Frauen können hier genannt<br />

werden. Dabei sind zwei Drittel des Gender<br />

Pay Gap auf strukturell unterschiedliche<br />

arbeitsplatzrelevante Merkmale zurückzuführen,<br />

wie z. B. Minderbewertung von ehemals so genannten<br />

familienbezogenen oder hauswirtschaftlichen<br />

Dienstleistungen im Vergleich zu wertintensiven<br />

Industriearbeitsplätzen. Bei gleicher<br />

Qualifi kation und Tätigkeit bleibt immer noch<br />

ein Drittel des Gender Pay Gap: Der Verdienstabstand<br />

beträgt nach statistischer Bereinigung rund<br />

acht Prozent (Statistisches Bundesamt 2010).<br />

In den Medien werden häufi g nur einige dieser<br />

Faktoren herausgegriffen und in den Kontext<br />

individueller Entscheidungen gestellt, sodass in<br />

der öffentlichen Debatte strukturelle Ursachen<br />

und Wirkungen nicht mehr hinterfragt werden.<br />

Damit wird dann, ob bewusst oder nicht, den<br />

Frauen <strong>eine</strong> eigene „Schuld“ für niedrigere Einkünfte<br />

zugewiesen oder die Diskussion aufgemacht,<br />

dass Frauen den Männern Schuld für ihre<br />

geringere Einkommen zuweisen würden.<br />

Dabei gibt es deutliche strukturelle Gründe,<br />

die <strong>eine</strong> ungleiche Bezahlung von Männern und<br />

Frauen erklären. Mit strukturellen Gründen ist<br />

gemeint, dass sich Gründe für die geringere Bezahlung<br />

von Frauen in der Arbeitsmarktstruktur<br />

fi nden lassen. Dazu gehören die vertikale und die<br />

horizontale geschlechtsspezifi sche Arbeitsmarktsegregation.<br />

Die vertikale Arbeitsmarktsegregation<br />

beschreibt die unterschiedliche Besetzung von<br />

besser bezahlten Führungs- und Leitungspositionen.<br />

Mit der horizontalen Segregation ist die<br />

Posi tion in den Branchen und Berufen gemeint.<br />

Hier arbeiten Frauen öfter in schlechter bezahlten<br />

Branchen, es besteht zwischen frauen- und männerdominierten<br />

Branchen <strong>eine</strong> starke Lohnungleichheit.<br />

Darüber hinaus sind auch Entgeltdis-<br />

20 Zu den Begriffen mittelbare und unmittelbare Diskriminierung siehe Glossar.<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

kriminierungen zu benennen, diese gibt es unmittelbar<br />

und mittelbar20 (Tondorf/Jochmann-<br />

Döll 2010).<br />

Astrid Ziegler hebt die mittelbare Entgeltdiskriminierung<br />

hervor: Dabei wirken versteckte Ursachen<br />

lohnsenkend, z. B. die vorab genannte „geschlechtsspezifi<br />

sche Benachteiligung bei Arbeitsplatzbewertungsmethoden“<br />

oder „geschlechtsspezifi<br />

sche Benachteiligung bei Systemen der<br />

Stelleneinstufung“ (Ziegler 2009: 122). Letzteres<br />

Beispiel meint, dass Fähigkeiten unterschiedlich<br />

bewertet werden (soziale Kompetenz ist weniger<br />

wert als Körperkraft) und daraus auch <strong>eine</strong> entsprechende<br />

Entlohnung folgt. In der Arbeitsplatzbeschreibung<br />

von vielen Arbeitsplätzen in<br />

frauendominierten Branchen werden weniger<br />

Fähigkeiten genannt, und diese damit niedriger<br />

eingestuft. Es gibt Wirtschaftszweige, in denen<br />

der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern<br />

besonders hoch ist. Als Beispiele sind hier<br />

das Verarbeitende Gewerbe (29 Prozent, Tendenz<br />

steigend), das Kredit- und Versicherungsgewerbe<br />

zu nennen (29 Prozent, Tendenz unverändert)<br />

und die in Abbildung 2 dargestellten Berufe<br />

(Deutscher Juristinnenbund 2009).<br />

Als weitere strukturelle Gründe lassen sich<br />

unterschiedliche Arbeitsvolumen (87 Prozent der<br />

in Teilzeit Beschäftigten sind Frauen), unterschiedliche<br />

Erwerbsbiografi en (Mutterschutz und Elternzeit)<br />

und unterschiedliche Karrierestufen ausmachen<br />

(s. u. Berufstätigkeit von Frauen).<br />

Einen niedrigen Lohn als Möglichkeit für<br />

den Berufswiedereinstieg nach Familienphasen<br />

zu akzeptieren, ist ebenfalls frauenspezifi sch.<br />

Ein weiterer Faktor ist die zunehmende Veränderung<br />

auf den Arbeitsmärkten. Vollzeitstellen<br />

und unbefristete Verträge nehmen ab, Mindestlohn<br />

sowie unsichere und zeitlich befristete Arbeitsstellen<br />

nehmen zu. Das trifft besonders auf<br />

die Erwerbstätigkeit von Frauen zu. Beispielsweise<br />

sind die Erwerbsquoten von Frauen gestiegen,<br />

dabei nimmt jedoch der Anteil von vollzeit beschäftigten<br />

Frauen ab. 2010 arbeiten 640.000<br />

Frauen weniger in Vollzeitbeschäftigung als vor<br />

zehn Jahren, während die Zahl der Teilzeit- und

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