Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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dann doch weitergeredet, bis ihm schließlich<br />
seine Frau den Hörer aus der Hand nahm:<br />
“Meinen Mann regt das zu sehr auf, wir wollen<br />
das nicht alles wieder aufwühlen.”<br />
Seine Frau war Jüdin, aber sie waren doch<br />
angesehene Bürger und gingen nur einfach<br />
ihren Geschäften nach. Für seine Haft in der<br />
<strong>Walkemühle</strong> entschuldigte sich dann ja auch<br />
noch der Sturmführer der SA bei ihm. Doch in<br />
der ,Kristallnacht’, bei der großen Judenhatz,<br />
musste er dann mit der Pistole vor dem Haus<br />
stehen, damit sie seine Frau nicht auch abholten.(Heerdt)<br />
Der knappe Satz, der ganz zu Anfang meiner<br />
Erkundung stand: “Dann war ein ,kleines KZ’<br />
der Nazis da drin” wird jetzt vervollständigt:<br />
Ein Melsunger SPD-Mitglied war erschrocken,<br />
als da die SA in der Mühle hereinkam, “doch<br />
was da dann genau war, darüber kann ich<br />
sehr wenig sagen, ich weiß nur, dass dort Leute,<br />
die der SA nicht passten, in dunklen Kellern<br />
geschlagen wurden. Das ist alles sehr verschwommen<br />
und auch sehr schwierig, darum<br />
will ich Ihnen keine weiteren Namen nennen.”<br />
(Alfred Stöckl)<br />
Und ein ehemaliger Helfer der <strong>Walkemühle</strong><br />
erzählte mir, dass der alte Gärtner, der Mathias<br />
Schwer, als die SA kam, die <strong>Walkemühle</strong> nicht<br />
verlassen hatte und sich bald darauf dort erhängte.<br />
Dann hatte er noch gehört, dass auf<br />
der <strong>Walkemühle</strong> viele Inhaftierte geprügelt<br />
und misshandelt worden waren. (Willi Warnke )<br />
Und der Sohn des Herrn Pfeiffer wusste zu berichten:<br />
“Die haben dort alle Linken, Sozialdemokraten<br />
und Kommunisten aus Melsungen<br />
und Umgebung festgesetzt, die wollten sie da<br />
umdrehen, sie sollten abschwören. Jeden<br />
Morgen gab es Prügel. Ich weiß noch, mein<br />
Vater hatte hinterher noch lange einen offenen<br />
Rücken.”<br />
Und in der “Kasseler Post, einst bürgerlich- national,<br />
nach ‘33 gleichgeschaltet, standen<br />
dann am 1.7.33 die folgenden Sätze dazu: “Zur<br />
Zeit sind in der <strong>Walkemühle</strong> noch einige Melsunger<br />
Schutzhäftlinge untergebracht. Nach<br />
ihrer Aussage haben sie über Unterbringung<br />
und Verpflegung nicht zu klagen.” (99)<br />
Im selben Artikel wurde die neue Bestimmung<br />
der <strong>Walkemühle</strong> als Schule der NSDAP gefeiert.<br />
100<br />
Einer der neuen Lehrer, der dort genannt wurde,<br />
war der Melsunger Industrielle und Kasseler<br />
Handelskammerpräsident, Dr. <strong>Rudolf</strong> Braun<br />
(Uzara-Braun), der maßgeblich an der schnellen<br />
Enteignung der <strong>Walkemühle</strong> beteiligt gewesen<br />
war:<br />
g. Melsungen, 30. Juni. Bereits gestern teilten wir mit,<br />
dass die <strong>Walkemühle</strong> in der Nähe Melsungens am<br />
Sonntag ihrer neuen Bestimmung als Amtswalter- und<br />
SA-Führerschule übergeben wird. Wir gaben auch bereits<br />
einige Daten über das Schicksal der <strong>Walkemühle</strong>.<br />
Wie die Besichtigung ergab, ist die <strong>Walkemühle</strong> für die<br />
Schulung der Amtswalter und SA-Führer sehr geeignet.<br />
Alle notwendigen Einrichtungen sind vorhanden. Die<br />
hier untergebrachten Kinder der Philosophisch-Politischen<br />
Akademie wurden in allen Fächern,<br />
sogar im Handwerk unterrichtet.<br />
Da finden sich neben den üblichen auf das beste eingerichteten<br />
und mit Warmwasser und elektrischer Kraft<br />
versehenen Wirtschaftsräumen eine Schlosser- und<br />
Schreinerwerkstatt, ausgerüstet mit den besten Geräten<br />
und Maschinen, eine Turnhalle und ein chemisches<br />
Laboratorium. Im Unterrichtszimmer befanden sich neben<br />
jedem Schülertisch Wasser-, Licht- und Gasleitung.<br />
Außerdem hatte man eine Lichtanlage mit mehreren<br />
Turbinen angelegt, die von der vorbeifließenden Pfieffe<br />
gespeist wurde. Fünfzehn Elektromotoren und ein Dieselmotor<br />
sorgten für die nötige Kraft. Ein vier Morgen<br />
großer Garten schloss sich den Gebäuden an. In dem<br />
eigentlich, erst 1931 von der Akademie errichteten<br />
Wohngebäude, befindet sich neben vielen Einzelzimmern<br />
ein großer Musiksaal und eine Bibliothek, die mit 5000<br />
Bänden ausgestattet ist. Viel zersetzendes Material, aber<br />
auch wertvolle Bände sind da zu finden.<br />
Zur Zeit sind in der <strong>Walkemühle</strong> noch einige Melsunger<br />
Schutzhäftlinge untergebracht. Nach ihrer Aussage<br />
haben sie über die Unterbringung und Verpflegung nicht<br />
zu klagen. Welcher Geist in dieser kommunistischen<br />
Schule herrschte, beweist die Aussage eines neunjährigen<br />
Jungen, der Standartenführer Wagner auf eine religiöse<br />
Frage antwortete, dass Gottesglaube ein Märchen<br />
und Irrwahn der Menschheit sei.<br />
Für die Amtswalter beginnt der erste Kursus am 2. Juli.<br />
Alle bisherigen Amtswalter sind vorläufig noch kommissarisch<br />
eingesetzt. Ihre endgültige Bestätigung erfolgt<br />
erst, wenn sie die Führerschule durchgemacht haben.<br />
Durchschnittlich werden vier bis sechs Stunden<br />
Unterricht täglich erteilt.<br />
Als Lehrer sind gewonnen worden: Rektor Blume -<br />
Melsungen Geschichte, Baubetriebszellenleiter Stock -