Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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Ich hatte ein natürlich angeborenes Klassenbewusstsein,<br />
das hatte mir keiner beigebracht,<br />
mein Vater war schon Sozialist. Ich habe immer<br />
gesagt: Das kann nicht sein. August Bebel, Karl<br />
Liebknecht und Karl Marx, die hätten das doch<br />
wohl sonst auch gemerkt haben müssen. ...<br />
Einmal sind wir furchtbar hereingefallen. Wir<br />
hatten Nationalökonomie unter Helmut von<br />
Rauschenplat, Agrarwirtschaft, und wir sprachen<br />
vom abnehmenden Bodenertragszuwachs.<br />
Wir wollten das dann sehen, ob das<br />
wirklich so ist, und es war ja das Prinzip der<br />
Schule, dass man alles nachprüft.<br />
Rauschenplat hatte uns nämlich klargemacht,<br />
dass es ein Optimum an Kunstdüngung gibt;<br />
und wenn man dann noch z.B. die dreifache<br />
Menge auf den Acker schmeißt, trotzdem die<br />
Ernte nicht mehr soviel Mehrertrag bringt, dass<br />
sich der Kunstdünger bezahlt macht.<br />
Wir wollten das sehen, sind zu Onkel Schwer,<br />
dem Gärtner, gegangen und haben gesagt:<br />
,Gib uns mal eine Ecke.’ Das Stück Land<br />
war aber leicht hängig, das sollte unser Verderben<br />
werden.<br />
Wir haben das prima umgegraben, haben uns<br />
Stallmist aus dem nächsten Dorf besorgt und<br />
haben dann die Beete angelegt. Dann haben<br />
wir den Spinat gesät und unterschiedliche<br />
Dosen von Kunstdünger daraufgeschmissen.<br />
Doch anschließend kam ein wolkenbruch-artiger<br />
Regen; der hat unsere Beete alle<br />
verwischt, so dass nichts mehr zu erkennen war.<br />
Ein sehr starker Regen, ein ungewöhnlich<br />
starker Regen.<br />
Aber dann ging der Spinat auf. Also so etwas<br />
von Spinat hat es noch nie gegeben. Dann<br />
haben wir den ganzen Sommer über Spinat<br />
gegessen. Wir haben nachher ,der grüne Terror’<br />
gesagt. Wir mochten ihn nicht mehr, wir haben<br />
also den Spinat in jeder Form gekriegt. Hedwig<br />
Urbann, unsere sehr tüchtige Köchin und<br />
Wirtschafterin, hat sich sehr große Mühe gegeben,<br />
aber es half dann auch nichts mehr.<br />
Und weggeschmissen werden durfte der Spinat<br />
in der <strong>Walkemühle</strong> auf gar keinen Fall, der<br />
musste aufgegessen werden.” (Helmut<br />
Schmalz)<br />
39<br />
Die Entwicklung des Volkswirtschaftsunterrichts<br />
wurde so dargestellt:<br />
“Im ersten Jahr studierten die Schüler Berichte,<br />
Statistiken und wissenschaftliche Werke. Im<br />
zweiten ergänzten sie diese Arbeit durch Studienfahrten<br />
zu schlesischen Grundbesitzern und<br />
dänischen Genossenschaften. Im dritten folgte<br />
solchen Studienreisen eine Woche praktischer<br />
Arbeit auf Bauernhöfen. Und jetzt werden die<br />
Schüler im Sommer je vier Wochen in einem<br />
großen und in einem kleinen Betrieb arbeiten.<br />
Ähnlich lernte man auch auf anderen Gebieten<br />
hinzu. In manchen Jahren arbeiteten die<br />
Schüler während der Ferien in einem Industrie-<br />
oder Gewerbebetrieb oder in einem Bergwerk.<br />
So lernten sie zu den Lebensbedingungen des<br />
eigenen Berufes, soweit sie bereits einen gelernt<br />
hatten, die eines anderen hinzu.” (41)<br />
Fahrten<br />
Auf den Unterricht bezogene Fahrten wurden<br />
häufig gemacht. Es gab z.B. Fahrten durch das<br />
Ruhrgebiet, um die Region der deutschen<br />
Schwerindustrie kennen zu lernen. (42) Eine<br />
Helferin erinnert sich daran: “Da brachten sie<br />
Getreideähren mit, die waren ganz schwarz<br />
von dem vielen Rauch und Dunst und Dreck,<br />
den es damals dort gegeben hat.” (Hedwig<br />
Urbann)<br />
Die Erwachsenenabteilung der <strong>Walkemühle</strong><br />
bekam für ihre Fahrten “zu wissenschaftlichen<br />
und belehrenden Zwecken” Fahrpreisermäßigung<br />
zugestanden. Einem Antrag für diese<br />
Ermäßigung ist zu entnehmen, dass 1925 zwei<br />
Fahrten mit der Eisenbahn unternommen<br />
worden sind: “Eine ... Fahrt nach Bayern<br />
(Bamberg, Würzburg) ... sowie eine Fahrt nach<br />
Cassel zur Besichtigung der Henschel’schen<br />
Betriebe.” (43)<br />
Auf der Fahrt nach Bamberg und Würzburg in<br />
das Maintal sollte die Mentalität der katholischen<br />
Bevölkerung dort kennen gelernt werden.<br />
(44)<br />
Ein Schüler erzählt von dieser Fahrt:<br />
“Neben den Reisen in die Umgebung alle<br />
vierzehn Tage, gab es im Jahr ein oder zweimal<br />
eine ,Große Fahrt’, so nannte man das damals.