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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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Was sonst noch auf der<br />

<strong>Walkemühle</strong> geschah .<br />

“Gelddinge”<br />

1929 erschien in der Zeitschrift “Volkslehrer”,<br />

Heft 18, ein Artikel über die Tagung der Gesellschaft<br />

der Freunde der Philosophisch-Politischen<br />

Akademie (GFA) in der<br />

<strong>Walkemühle</strong>. Die GFA organisierte, wie oben<br />

erwähnt, die Finanzierung des Schulversuchs<br />

dort. Die Beobachtung der <strong>Walkemühle</strong> durch<br />

die Schulaufsichtbehörden ließ den Artikel in<br />

die Akten der Kasseler Regierung kommen.<br />

Was der Behörde am wichtigsten war, hob sie<br />

durch Unterstreichungen hervor:<br />

Eine Tagung für Politik und Erziehung<br />

“Am Sonntag, den 4. August, tagte im Landerziehungsheim<br />

<strong>Walkemühle</strong> bei Melsungen die von Leonard<br />

Nelson im Dezember 1918 gegründete ,Gesellschaft der<br />

Freunde der Philosophisch-Politischen Akademie e.V.’.<br />

Die Tagung wurde durch zwei bedeutungsvolle Reden<br />

eingeleitet.<br />

Dr. Grete Hermann (Göttingen) stellte in ihrer Rede das<br />

Kapitel ,Erziehung und Unterricht’ aus dem zur Drucklegung<br />

kommenden zweiten Band von Nelsons<br />

,Vorlesungen über die Grundlagen der Ethik’ in<br />

kurzen Umrissen dar. Die Ethik fordert, dass die jungen<br />

Menschen zur Erfüllung ihrer Pflicht tauglich gemacht<br />

werden. Darüber hinaus sollen sie fähig sein, den Idealen<br />

der Wahrheit und Schönheit nachzustreben, deren Ve rwirklichung<br />

dem Leben erst einen Wert gibt. Dabei lässt<br />

Nelson nicht außer acht, dass jeder Gesellschaftszustand<br />

zu verwerfen ist, der nicht die Anforderungen der Gerechtigkeit<br />

erfüllt, und dass jede Erziehung ein Verbrechen<br />

ist, die nicht ihre erste Aufgabe darin sieht, das<br />

Rechtsbewusstsein im Kind zu entwickeln.<br />

Professor Dr. Franz Oppenheimer sprach über das<br />

Thema ,Aufgaben und Methoden der Siedlung.’ Die<br />

herrschende Klasse verhindert durch die von ihr ausgehende<br />

Ausbeutung, dass die Menschen vernünftig<br />

erzogen werden. Hier setzt die Aufgabe der Nationalökonomen<br />

ein: die Wege zur Lösung der sozialen Frage<br />

aufzuweisen und dadurch mitzuhelfen, die Menschen<br />

von dem auf ihnen lastenden Druck zu befreien. Die<br />

Beseitigung der sozialen Not, die durch gewaltsame<br />

Aneignung von Grund und Boden entstanden ist, ist<br />

letzten Endes eine ethische Aufgabe. Ethik und Volkswirtschaft<br />

greifen hier ineinander wie zwei Räder einer<br />

Maschine. Es ist daher kein Zufall, dass der Philosoph<br />

Nelson mit dem Ökonomen Oppenheimer zusammentraf,<br />

obgleich sie von ganz verschiedenen Punkten ausgegangen<br />

waren, dass sie die Probleme der Sozialpolitik<br />

57<br />

gemeinsam zu lösen suchten und Freunde wurden. Oppenheimer<br />

und Nels on blieben beide nicht bei der Theorie<br />

stehen. Der Nationalökonom gründete Siedlungen,<br />

der Philosoph schuf Einrichtungen zur Erziehung politischer<br />

Führer, unter anderem das Landerziehungsheim<br />

<strong>Walkemühle</strong>.<br />

Der Gesellschaftsbericht der Gesellschaft, den Dr. Helmut<br />

Rauschenplat gab, zeigte einen starken Anstieg der<br />

Mitgliederzahl. Auch die durch die Gesellschaft finanzierten<br />

Unternehmen haben erfreuliche Fortschritte gemacht.<br />

Das Landerziehungsheim <strong>Walkemühle</strong> hat sich -<br />

seiner Aufgabe entsprechend - zu einer internationalen<br />

Schule entwickelt. Schüler und Helfer gehören verschiedenen<br />

Ländern an: Deutschland, England, der<br />

Schweiz und der Tschechoslowakei. Die jungen Proletarier,<br />

die vom dritten Jahre an aufgenommen werden<br />

können und von denen ein großer Teil erst mit fünfzehn<br />

Jahren hinkommt, leben in einer engen Gemeinschaft mit<br />

Lehrern und Helfern. Die Verschiedenheit der Sprache<br />

und den nationalen Sitten erschwert anfangs die Arbeit.<br />

Aber wenn diese rein äußeren Schwierigkeiten einmal<br />

überwunden sind, ist ein gutes Stück Erziehung im internationalen<br />

Geist geleistet, von dem heute selbst in der<br />

klassenbewussten Arbeiterschaft so wenig zu finden ist.<br />

Durch den Ausbau der Gebäude im vergangenen Jahr ist<br />

eine Gelegenheit geschaffen worden, ehemalige Schüler<br />

der <strong>Walkemühle</strong> und andere im politischen Kampf stehende<br />

Menschen in Kursen zu gemeinsamer Arbeit zusammenzuführen<br />

zu dem Zweck, das Verständnis der<br />

philosophischen und politischen Grundsätze zu vertiefen<br />

und die Methoden ihrer Anwendung auf das öffentliche<br />

Leben zu verbessern.<br />

Der Verlag “Öffentliches Leben”, ein anderes Arbeitsgebiet<br />

der GFA, hat neben der Veröffentlichung von<br />

politischen und pädagogischen Schriften in deutscher,<br />

englischer, französischer, bulgarischer, italienischer und<br />

chinesischer Sprache jetzt damit begonnen,<br />

die ,Abhandlungen der Fries’schen Schule’ fortlaufend<br />

herauszugeben. Seine nächste größere Aufgabe wird<br />

sein, den Nachlass Leonhard Nelsons, des ersten Leiters<br />

der Philosophisch - Politischen Akademie, zu veröffentlichen,<br />

zunächst den im System der ,Ethik’ noch<br />

fehlenden zweiten ,Ethik und Pädagogik’. “ (63)<br />

Ein Helfer erinnert sich noch an diese Tagung:<br />

“Dort lernten wir dann einige der Menschen<br />

kennen, welche die <strong>Walkemühle</strong> finanziell<br />

unterstützten; so sprach auch Max Wolf dort,<br />

der Inhaber der Drei-Turm-Seifenfabrik bei<br />

Schlüchtern. Die Nazis sagten zu dem immer:<br />

,Der Seifenjude Wolf’.<br />

Max Wolf sprach dann dort: Er fühle sich verpflichtet,<br />

genauso, wie er jeden Monat seine<br />

Steuern zahle, einen Teil seines Einkommens an<br />

die GFA zu zahlen. Neben Wolf tat noch der<br />

Schweizer Textilienhändler Roos ziemlich viel für

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