Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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“Es gab nette Sachen, zum Beispiel gab es<br />
sonntags prinzipiell etwas dem russischen Gericht<br />
,Piroggen’ Nach-gemachtes. Heute<br />
würde man sagen : ,Eine Pizza mit Pflaumen<br />
drauf und mit Käse<br />
überbacken’, es war schon nett. Satt wurden<br />
wir, nur kriegten wir alle dicke Bäuche. Die<br />
vegetarische Kost war ja auch nicht so, wie sie<br />
ein wohlhabender Mensch machen würde,<br />
zum Beispiel mit Paranüssen, Erdnüssen oder<br />
Walnüssen, das gab es bei uns nicht, dafür<br />
hatten wir kein Geld. Meist gab es Kartoffeln,<br />
immer wenig Fett, selten Reis.” (Helmut<br />
Schmalz)<br />
Und mit leichtem Grauen erinnert er sich an die<br />
internationale Komponente beim Essen:<br />
“Von irgendwoher schickte uns jemand große<br />
Pakete mit einem ganz furchtbaren Käse. Der<br />
war knüppelhart. Einmal in der Woche gab es<br />
also solchen Käse anstelle eines normalen<br />
Mittagessens. Das war schrecklich, aber es<br />
musste ja sehr gespart werden.” (Helmut<br />
Schmalz)<br />
71<br />
Eine Helferin:<br />
“Wir machten von Zeit zu Zeit im Haushalt<br />
Abrechnungen und schickten sie einem Professor<br />
Hinthede nach Dänemark. Der war Reformer<br />
auf dem Gebiet der vegetarischen Ernährung,<br />
und wir lebten eine Zeitlang nach<br />
ihm. Der kontrollierte anhand der Rechnungen,<br />
ob wir zuviel oder zuwenig gegessen hatten,<br />
ob der richtige Anteil Fett dabei gewesen war<br />
usw.. Der Hinthede vertrat ja die Ansicht, dass<br />
in Pflanzen all die Stoffe enthalten sind, die<br />
andere Menschen durch tierische Ernährung zu<br />
sich nehmen; dazu hatte er eine bestimmte<br />
Diät entwickelt. Wir probierten das eine Zeitlang<br />
aus, denn wir waren ja alle strenge Vegetarier<br />
auf der <strong>Walkemühle</strong>.” (Hedwig Urbann)<br />
Ein Helfer berichtet über den Vegetarismus im<br />
ISK:<br />
“Wir hatten alle die Pflicht, Vegetarier zu sein.<br />
Derjenige, von dem man wusste, der wird jetzt<br />
bald den Antrag stellen, um Mitglied im ISK zu<br />
werden, der bekam vorher zur Auflage, vier<br />
Mal in den Schlachthof zu gehen und zuzusehen,<br />
wie das Vieh geschlachtet wurde. Da<br />
mussten dann noch zwei Mitglieder mitgehen<br />
und durften sich das dann auch noch mal<br />
wieder mit ansehen.<br />
Vegetarismus war damals etwas sehr von der<br />
Norm Abweichendes, und ein Freund hat das<br />
zu spüren bekommen: Er war Jahrgang ‘14,<br />
der erste aktive Jahrgang, den der Hitler da<br />
einzog. Mein Freund wurde in die Jägerkaserne<br />
in Kassel eingezogen und sagte<br />
dort: ,Ich bin Vegetarier und ich will hier als<br />
Vegetarier leben!’ Was machten sie mit dem ?<br />
Den steckten sie in die Zwangsjacke und fütterten<br />
ihn mit Fleisch. Zuerst hatten sie noch<br />
versucht, auf ihn einzureden: ,Stellen sie sich<br />
mal vor; Kriegsfall !’<br />
Und der sagte dann: ,Kriegsfall ! Wie können<br />
sie denn, wenn der Führer von Frieden redet,<br />
von Krieg reden?’ Solche Töne redeten wir<br />
nämlich da noch.” (Willi Warnke)<br />
Der Nachmittag<br />
Eine Helferin: