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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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Schule der Kinder<br />

Eine Schülerin aus der Erwachsenenabteilung:<br />

“Einmal war das Thema des Unterrichts die<br />

Französische Revolution. Was Gleichheit und<br />

Brüderlichkeit war, das konnten die Kinder sich<br />

noch vorstellen, was das aber mit der Freiheit<br />

ist, das wussten sie nicht. Sie wurden gefragt:<br />

,Habt ihr Freiheit?’ Da ist ihnen eingefallen:<br />

Einmal müssen sie in den Unterricht,<br />

morgens müssen sie sich waschen, und zum<br />

Essen müssen sie pünktlich kommen, aber unter<br />

,Freiheit’ in der Parole der Französischen<br />

Revolution konnten sie sich immer noch nichts<br />

Rechtes vorstellen, was dann die Leute machen,<br />

wenn sie Freiheit haben.<br />

,Wollen wir uns mal überlegen, wie wir es<br />

machen können, dass wir wissen, was Freiheit<br />

ist ?’ Und dann haben sie gefordert:<br />

,Wir wollen das Geld haben, das für uns angesetzt<br />

ist, für vierzehn Tage.’ Dann wollten sie<br />

noch die Freiheit haben, ihre Zimmer sauberzumachen<br />

oder nicht, sich zu waschen oder<br />

nicht usw. ... Das wurde<br />

alles genehmigt, doch<br />

sollten sie jetzt auch<br />

selber kochen. Das<br />

haben sie auch getan.<br />

In einem alten Ziegenstall<br />

stand ein alter Herd,<br />

da konnten sie jederzeit<br />

kochen und schwirrten<br />

so nicht immer in der<br />

Küche herum.<br />

Der eine wollte es nun<br />

besonders schlau machen,<br />

der ging zu einem<br />

Kaufmann und sagte:<br />

,Sagen Sie mal, wie<br />

mache ich das am besten,<br />

dass ich schnell mit<br />

der Kocherei fertig werde?’<br />

Da verkaufte er<br />

er ihm dann Brühwürfel. Nur war das Unangenehme,<br />

dass sie schließlich feststellen<br />

mussten, dass in den Brühwürfeln Fleisch drin<br />

war. Nun mussten sie sich entscheiden, ob sie<br />

weiterhin vegetarisch leben wollten, kein<br />

Erwachsener sagte was dazu. Sie entschieden<br />

sich dann, weiter vegetarisch zu leben, die<br />

Suppe fiel nun also aus. Na ja, allzu viel<br />

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kochten sie dann auch nicht mehr. Am Anfang<br />

wohl noch etwas Gemüse, das kauften sie<br />

vom Gärtner, aber dann lebten sie hauptsächlich<br />

von Brot und Obst, denn es war<br />

Sommer, und das Geld reichte auch nicht<br />

mehr richtig.<br />

Dann entschlossen sie sich, eine Wanderung<br />

mit Zelten zu machen. Sie wollten auch dafür<br />

Freiheit haben. Da ging dann eine Lehrerin und<br />

ein junger Mann mit, die hatten aber ein Zelt für<br />

sich und zelteten etwas entfernt von den<br />

Kindern; die waren ja erst sieben bis zwölf Jahre<br />

alt, und es war ja doch etwas gefährlich. Doch<br />

den Kindern wurde nicht gesagt, was sie zu tun<br />

oder zu lassen hatten. Sie sollten daraus ja<br />

lernen, was Freiheit ist, ob es etwas Schönes ist,<br />

etwas Begehrenswertes.<br />

Nach vierzehn Tagen wünschten die Kinder<br />

dann, wieder Unterricht zu haben, und sagten:<br />

Ja, nun wüssten sie, was Freiheit wäre, und<br />

wenn sie mal wieder richtige Freiheit hätten,<br />

dann wüssten sie besser, was sie damit anfangen<br />

könnten, was ihnen auch mehr Freude<br />

macht.<br />

So lernten sie die Freiheit kennen. Das machte<br />

mir damals sehr viel Freude, als ich das etwas<br />

später hörte.” (Grete Mayr-Eichenberg)

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