Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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Das Ende<br />
Zu jener Zeit, in der dieser Unterricht stattfand,<br />
rangelten Reichspräsident Generalfeldmarschall<br />
von Hindenburg, Reichskanzler General<br />
v. Schleicher und der Gefreite Adolf Hitler um<br />
die Macht im Staat, Großindustrie und<br />
Reichswehr mischten kräftig mit, der SPD<br />
schien es das Wichtigste, sich von den Kommunisten<br />
abzugrenzen, die KPD sah in den Sozialdemokraten<br />
vor allem “Sozialfaschisten”.<br />
Von Schleicher unterlag, Hitler wurde am 30.<br />
Januar 1933 von Hindenburg per Notverordnung<br />
zum Reichskanzler ernannt. Die Reichswehr,<br />
einst von den Sozialdemokraten Ebert<br />
und Noske zu ihrem Schutz vor den Linken<br />
genutzt, unterstützte bald Hitler. Die SPD forderte<br />
Besonnenheit von ihren Mitgliedern.<br />
Dazu wurden in Deutschland alle republikanisch<br />
gesonnenen höheren Beamten ihres<br />
Dienstes enthoben, Zeitungen verboten oder<br />
gleichgeschaltet, der Rundfunk kontrolliert, der<br />
Terror gegen Linke legalisiert, indem zehntausende<br />
SA-, SS- und Stahlhelm-Männer zu Hilfspolizisten<br />
ernannt wurden. Der Reichstag<br />
brannte am 27. Februar zu einem für die Nazis<br />
günstigen Zeitpunkt, und um die bedrohte<br />
Ordnung wieder herzustellen, wurden tausende<br />
Kommunisten, Sozialdemokraten, Liberale<br />
und auch einige rechte Zentrumsleute<br />
wegen ihrer Gesinnung vor-sorglich verhaftet.<br />
Für den 5. März setzte Hitler Neuwahlen an. (79)<br />
Schon am 3. März fand dann auch in der<br />
<strong>Walkemühle</strong> die erste Haussuchung statt.<br />
Bereits wenige Tage später wurden die Kinder<br />
zu ihren Eltern zurückgeschickt oder, wenn das<br />
nicht so schnell möglich war, provisorisch<br />
außerhalb der <strong>Walkemühle</strong> untergebracht. (80)<br />
14. März 1933, die erwartete zweite Haussuchung.<br />
Die <strong>Walkemühle</strong> wurde “von Polizei<br />
und Hilfspolizeiorganen besetzt und auf illegale<br />
Literatur und Waffenbesitz durchsucht...” (81)<br />
“Der angebliche Unterstand entpuppte sich<br />
vor den Augen der etwas betretenen Polizeibeamten<br />
als harmloses Kinderbauwerk, das<br />
sich Kinder zwischen zwei Wasserläufen gebaut<br />
hatten. (82)<br />
Der “amtierende Beamte, Kriminalsekretär<br />
Seufert”, beschlagnahmte die folgenden<br />
Schriften, die auch “im Buchhandel allenthalben<br />
zu haben” gewesen wären: (83)<br />
1. “Die Forderung der Stunde” von Josef<br />
Weisbart<br />
2. “Hilft die Arbeitsdienstpflicht gegen<br />
Arbeitslosigkeit?” (Herausgeber: SPD)<br />
3. “Judas” , Drama von Erich Mühsam<br />
4. “Der Drache Marxismus”, Flugschrift der<br />
SPD<br />
5. “Erinnerungen an Lenin” von Clara<br />
Zetkin, Verlag für Literatur und Politik.<br />
6. “Die permanente Revolution” von Leo<br />
Trotzki, Verlag “Die Aktion”<br />
7. “Brechen die Nazis die Zinsknechtschaft?”<br />
Flugschrift der SPD vom Januar<br />
1931<br />
8. Vier Schreiben der Kommunistischen<br />
Jugend - Internationale betr. Rassenfrage,<br />
Religion, Moral und Krieg. (84)<br />
Ebenfalls am 14. März erschien der Landrat<br />
Noelle aus Melsungen “ohne Vorladung” bei<br />
der Regierung in Kassel und beantragte “bei<br />
dem Herrn Regierungsvizepräsidenten persönlich...,<br />
die von der Regierung erteilte Genehmigung<br />
zur Aufnahme von schulpflichtigen<br />
Kindern (Erlass vom 13.8.1924 U III D Nr. 1989.1<br />
usw.) wieder sofort zurückzuziehen.<br />
Herr Regs.Vizepräsident hat angeordnet, dem<br />
Antrage sofort stattzugeben.” (85)<br />
Der Herr Regierungspräsident war zu seinem<br />
Bedauern zu dieser Unterredung nicht hinzugezogen<br />
worden und fügte bei der oben<br />
angeführten Gesprächsnotiz u.a. den folgenden<br />
handschriftlichen Kommentar bei: “Auch<br />
ist mir nicht bekannt, in welcher Weise die<br />
Maßnahme der Regierung begründet werden<br />
soll. Ich bitte, die Beurteilung der Sache gefälligst<br />
zu behalten.” (86)<br />
Was nichts daran änderte, dass zwei Wochen<br />
später aus Berlin die Bestätigung dieser Maßnahmen<br />
kam.