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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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Politische Aktivitäten in<br />

der Umgebung<br />

Was sich in diesem Plan unter "Außenarbeit in<br />

Jugendgruppen der umliegenden Ortschaften"<br />

verbarg, kann als Unterricht der erwachsenen<br />

Schüler angesehen werden, Unterricht in<br />

praktisch - politischer Arbeit.<br />

“Als Schüler der <strong>Walkemühle</strong> und ISK-Mitglied<br />

hatten wir die Verpflichtung auf uns genommen,<br />

an zwei Wochenenden im Monat draußen<br />

im Lande Agitation für den ISK zu betreiben.<br />

Manche haben darüber hinaus auch noch<br />

zeitweise in Ortsgruppen des, Freidenkerverbandes<br />

für Feuerbestattung’ mitgearbeitet.<br />

Das durfte natürlich auf gar keinen Fall der<br />

Schulrat erfahren, da hätten wir Schwierigkeiten<br />

gekriegt. Trotzdem gehörte also zweimal<br />

im Monat der Sonnabendnachmittag bis um<br />

vier in die Nacht hinein unserer politischen Tätigkeit.<br />

Der ISK brachte monatlich eine Zeitschrift<br />

heraus, die ISK-Hefte, und alle Mitglieder hatten<br />

sich verpflichtet, davon so und so viele an den<br />

Mann zu bringen und mit den Lesern sogenannte<br />

ISK-Leserabende zu machen, das waren<br />

reguläre öffentliche politische Versammlungen.<br />

Wir sind dann also mit unseren Heften raus auf<br />

die Dörfer. Mit einer Genossin zusammen hatte<br />

ich Altmorschen und Neumorschen. In Altmorschen<br />

war die alte Mutter Laux, da haben<br />

wir dann unsere Räder untergestellt. Die Mutter<br />

Laux hatte uns so lieb gewonnen, ich hatte<br />

gerade zu meiner Berta gesagt: ,Du machst<br />

Altmorschen, und ich gehe rüber und mache<br />

Neumorschen,’ da stand sie dann schon<br />

da: ,Aber um so und so viel Uhr seid ihr wieder<br />

hier, dann ist der Kuchen fertig!’<br />

Dann sind wir von Haus zu Haus gegangen,<br />

haben angeklopft und haben mit den Leuten<br />

diskutiert, haben ihnen erklärt, was in den<br />

Heften stand. Die kosteten zwanzig Pfennig,<br />

das war viel Geld damals - es hat auch welche<br />

gegeben, die gaben uns auch mal etwas mehr,<br />

da hatten wir Glück, da konnten wir einem<br />

anderen sagen: ,Du kannst es für einen Groschen<br />

kriegen.’ Wir waren bekannt als die von<br />

der <strong>Walkemühle</strong> und hatten auch in allen Orten<br />

unsere Vertrauensleute sitzen, die uns was<br />

sagen konnten, z.B. wo es sich bestimmt nicht<br />

lohnte hinzugehen. Ich hatte Glück, ich bin<br />

48<br />

gebürtiger Witzenhäuser und konnte mich<br />

schnell an das Platt der Leute gewöhnen.<br />

Wenn wir uns dann abends trafen: ,Wie viel<br />

hast du denn zusammengekriegt?’ ,Zwölf, und<br />

du?’ ,24!’, Mensch, wie machst du das denn<br />

bloß?’ Ich sage: ,Ihr müsst die Leute richtig<br />

anreden, mit eurem Hochdeutsch da ist doch<br />

nichts zu machen.’<br />

Da kamen nämlich welche aus Hannover, die<br />

sprachen so ein besonders spitzes Hochdeutsch.<br />

Die gleichen Schwierigkeiten hatten natürlich<br />

auch die Ausländer, wenn sie loszogen.” (Willi<br />

Warnke)<br />

Wie locker die Stimmung bei diesen politischen<br />

Ausflügen manchmal war, und wie viel Zeit<br />

man sich dabei ließ, zeigen die folgenden Berichte.<br />

Eine Schülerin:<br />

“Einmal war ich mit einer Schweizerin zusammen<br />

zu Fuß unterwegs. Wir wollten in den<br />

Dörfern ISK-Hefte verkaufen und hatten noch<br />

etwas Zeit, da setzten wir uns in den Straßengraben.<br />

Nun lagen da unter einem Apfelbaum<br />

sehr viele schöne Äpfel. Wir hatten selbst auch<br />

welche mit, doch waren unsere nicht so schön.<br />

Einfach wegnehmen wollten wir die Äpfel, die<br />

uns ja nicht gehörten, aber nicht, so legten wir<br />

schließlich für jeden genommenen Apfel einen<br />

von unseren dafür wieder ins Gras.<br />

Dann sind wir weitergegangen und kamen an<br />

eine Kirche. Die Tür zum Turm stand offen, wir<br />

fanden aber niemanden, den wir hätten fragen<br />

können, ob wir da rauf durften. So gingen<br />

wir dann einfach so hinauf. Das war imposant,<br />

das Uhrwerk und die Glocken da zu sehen.<br />

Nachdem wir so eine Zeit da herumgeklettert<br />

waren, gingen wir wieder nach unten. Die Tür<br />

stand glücklicherweise noch offen, da stand<br />

dann aber auch jemand, der uns fragte, w oher<br />

wir denn die Erlaubnis hätten ...<br />

Ein anderes Mal sind wir zu dritt mit Fahrrädern<br />

gefahren. Ausgerechnet einem Mädchen, das<br />

besonders tierlieb war, ist dann ein Gänserich<br />

mit dem Hals in die Speichen gelaufen. Die hat<br />

dann sehr geweint, und es hat ihr noch wochenlang<br />

leid getan.” (Grete<br />

Mayr-Eichenberg )

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